Am 24. Januar besuchte das kirchengeschichtliche Forschungskolloquium der Evangelisch-Theologischen Fakultät Bonn unter Leitung der Professoren Martin Keßler und Wolfram Kinzig das Archiv der EKiR. Ein anschaulicher Bericht zur Exkursion ist nun im Blog der ETF Bonn abrufbar.
Friedrich Wilhelm Raiffeisen reformierte auch das Schulwesen in Schöneberg
Im Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Schöneberg findet sich ein Dokument des bekannten Sozialreformers Friedrich Wilhelm Raiffeisen, das dessen Engagement für das Schulwesen während seiner Zeit als Bürgermeister der Bürgermeisterei Flammersfeld in den Jahren 1848 bis 1852 beleuchtet. Es handelt sich um die Dienst- und Einkommensanweisungen für den Kirchspielslehrer in Schöneberg aus dem Jahr 1852. Die hoch auf dem Westerwald gelegene Kirchengemeinde zählte damals etwa 700 Einwohner, größtenteils ärmere Ackerbauern. Raiffeisen war ein bürgernaher und engagierter Gemeindevorsteher, der stets ein offenes Ohr für die Probleme und Bedürfnisse der Bevölkerung hatte und aktiv daran arbeitete, die Lebensverhältnisse zu verbessern. Seine Erfahrungen als Kommunalbeamter prägten nicht nur seine Sozialreformen, sondern legten auch die Grundlage für seinen späteren Einsatz in der Genossenschaftsbewegung.
In Flammersfeld übernahm er sein Amt in einer schwierigen Zeit, die von Armut und wirtschaftlicher Not geprägt war. Er setzte sich nicht nur für die allgemeine Verbesserung der Lebensbedingungen ein, sondern legte einen besonderen Schwerpunkt auf das Schulwesen. Von ihm ist das Zitat überliefert: „Der beste Kampf gegen die Armut ist eine gute Schulbildung.“ Da viele Schulen in einem desolaten baulichen Zustand waren, veranlasste Raiffeisen an verschiedenen Orten den Bau neuer Schulgebäude. Sein Ziel war es, die Bildungssituation der ländlichen Bevölkerung zu verbessern, wo der Analphabetismus weit verbreitet war. Er beschränkte sich aber nicht nur auf den Bau von Schulen, sondern engagierte sich auch für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Dorfschullehrer, deren Ansehen und Einkommen oft dürftig war.
WeiterlesenBiografien „gefallener Mädchen“- weitere Quellen des Magdalenenstifts in Boppard online
„Emilie Kaiser geboren in Elberfeld von Ernst Liborius Kaiser und Anna Marie Hagenhaus aus Münster in Westphalen. Die Mutter starb im Jahre 1844. Es sind noch 5 Geschwister vorhanden. (…) Diese Verwahrlosung der ganzen Familie rührt wohl hauptsächlich daher daß der Vater die Kinder selbst zum Diebstahl angehalten hat, und die Mutter den Vater wieder durch die Kinder bestehlen ließ. Emilie ist im Ganzen nur 3 Jahre in die Schule gegangen, (…). Seit dem 8ten Jahre musste sie in die Fabrik von H. in Barmen gehen. (…) Dort hörte und sah Emilie viel Böses. (…) kam dann als Magd in einen Dienst zu Abraham Werth auf den Hofkamp. (…) Sie hörte nichts als Fluchen, und fluchte wieder, überhaupt war die Behandlung roh. (…) Nun kam sie wieder nach Elberfeld, blieb zwei Monate im Hause des Vaters, und es fing das alte Lasterleben des Stehlens und Hurens von Neuem an. Weil sie aber den jüngsten Bruder immer schlug, so trieb sie der Vater mit Schlägen aus dem Hause, und so irrte sie 3 Tage und 3 Nächte unter Friren (sic) hin mal umher, oder lag in Scheunen der Bauern…“(Bl. 2-5).
Das Leben von Emilie Kaiser, zur Welt gekommen am 26. Oktober 1828, war kein leichtes. In Armut hineingeboren musste sie bereits als Kind mit anpacken. Harte Arbeit, (häusliche) Gewalt, Diebstahl, Zuchthaus, Prostitution, Obdachlosigkeit, Bettelei und Asylaufenthalte prägten ihr Dasein.

1855 kam sie mit 27 Jahren als „gefallene Frau“ nach Boppard in das Magdalenenstift. Hier sollte sie mit Hilfe des christlichen Glaubens wieder auf den rechten Pfad zurück gebracht und hauswirtschaftlich ausgebildet werden. Schließlich sollte sie nach dem Aufenthalt einem „anständigen Berufe“ nachgehen und auf eigenen Beinen stehen können. Zu Emilie Kaiser wurde vermerkt:
„Emilie zeigte sich im Verlauf des ersten halben Jahres herrschsüchtig und zanksüchtig gegen ihre Mitzöglinge, jähzornig und ungehobelt in Allem, was sie thut. Sie hieb sich eines Abends mit einem Beil in den Fuß, daß die große Zehe gespalten wurde. Mit der Zeit mußte sie das Zimmer hüten und betrug sich, wenn die Andren zur Arbeit in den Garten gingen, so verkehrt, raisonnirte laut, fluchte, sang wüste Lieder, als wäre der leibhaftige Satanas in sie gefahren….“ (Bl. 6).
WeiterlesenDie Tagebücher der Bahnhofsmission Bonn 1946-2022, oder: Aspirin hilft immer
Es ist ein schöner Zufall, dass uns nur eine Woche nach dem Erscheinen des Blogbeitrages zur Tracht der Bahnhofsmission eine Neuerscheinung für die Archivbibliothek erreichte: „Nächste Hilfe an Gleis 1. 125 Jahre Bahnhofsmission Bonn. Ausgewählte Tagebucheinträge 1946-2022.“ In bislang nicht weniger als 77 Kladden haben die ehrenamtlichen Mitarbeitenden ihre Erlebnisse während der jeweiligen Schicht handschriftlich festgehalten. Damit spiegeln die Einträge politische und gesellschaftliche Entwicklungen wider, die sich gerade in Bahnhöfen wie in einem Brennpunkt bündeln.
Aus der Auswahl von ca. 900 Einträgen seien drei eher harmlose Begebenheiten exemplarisch herausgegriffen:
21.1.1946: 2 Soldaten zum Bahnhofsbunker verwiesen, desgl. 1 Mann. 2 amerik. Soldaten mit Wasser bewirtet. 1 Soldat, who has got a little tipsy, mit Aspirin versorgt.
12.5.1960: Junge Frau, die sich beim Einkauf verausgabt hatte, haben wir Fahrkarte nach Siegburg verweigert. Man hält sich doch wohl erst das Fahrgeld zurück und dann kaufe ich lustig ein.
21.11.1997: Total betrunkener, gut gekleideter älterer Herr vom Bahnsteigdienst aufgegriffen. Ehemaliger Oberst; immer, wenn er seine Pension kriegt, haut er auf die Pauke. Der Bahnpolizei bekannt. Altersheim Bad Breisig angerufen, holen ihn ab.
Das Buch ist beim cmz-Verlag erschienen. Es kann auch gegen eine Spende direkt bei der Bahnhofsmission erworben werden.
Von Lodenmänteln und Baskenmützen: Der Versuch einer Trachtordnung für die Evangelische Bahnhofsmission 1948
Über die verdienstvolle Arbeit der Bahnhofsmission am Beispiel des Hbf Düsseldorf ist bereits vor einiger Zeit im Blog berichtet worden.

In der Nachkriegszeit kümmerte sich die energische Hauptgeschäftsführerin der Evangelischen Bahnhofsmission Armgard von Alvensleben auch um ein einheitliches äußeres Erscheinungsbild der Mitarbeiterinnen. Großzügige Stofflieferungen des Hilfswerks der EKD aus Auslandsspenden boten ihr hier die materielle Grundlage.
Das typisch deutsche Vehikel zur praktischen Umsetzung sollte dabei die 1948 erlassene Trachtordnung bilden.

Demnach waren folgende Bestandteile der Tracht vorgesehen:
1. Lodenmantel, der außer im Winter auch im Sommer im Reisedienst oder bei schlechtem Wetter übergezogen wird.
2. Wollkleid: Es wird im Allgemeinen mit aufgenähtem weißem Kragen getragen, und zwar insbesondere bei Rüsttagen, Arbeitsbesprechungen, Behördengängen, gemeinsamem Kirchgang u. ä. Das dauernde Tragen im täglichen Dienst wird nicht erwartet, da sich das Kleid dann sehr schnell abnutzen würde.
3. Kittel. Er ist der eigentliche Arbeitsanzug für den Innen- und Außendienst am Bahnhof und in der Heimarbeit. Es ist möglich, ihn mit langen oder kurzen Ärmeln und ohne untergezogenes Kleid zu tragen.
4. Baskenmütze. Sie wird etwas schräg aufgesetzt und soll die Haarfrisur weitgehend bedecken.
5. Armbinde. Sie ist das Dienstzeichen der Bahnhofsmission und darf nur im Dienst mit auf Befragen vorzuzeigendem Ausweis getragen werden. Sie wird am linken Oberarm so hoch angebracht, dass sie nicht im Ellbogengelenk Falten schlägt. Notfalls muss sie etwas schmäler getragen werden. Beim Ausscheiden einer Trägerin aus dem Dienst ist sie abzugeben. Ehrenamtliche Helferinnen erhalten sie nur stundenweise am Bahnhof ausgeliehen.
6. Brosche. Die Brosche wird links in Höhe über der Brusttasche des Kittels getragen.
7. Schuhe
8. Strümpfe
Selbstverständlich folgte noch ein knappes Dutzend weiterer Detailvorschriften. Eine kleine Auswahl davon sei zitiert:
WeiterlesenBericht über die Evakuierung der Stadt Eschweiler und den Zustand der kirchlichen Gebäude beim Verlassen der Stadt
„Anbei übersende ich den erbetenen Bericht über die Evakuierung der Stadt Eschweiler und für die Finanzabteilung eine Aufstellung über das Vermögen der Evangelischen Gemeinde Eschweiler, soweit mir Unterlagen dafür zur Verfügung standen“ (1OB 008 Ortsakten, Nr. 5940).
Als Pfarrer Friedrich Kreip (1901-1965) diese Zeilen am 5. Januar 1945 an das Konsistorium in Düsseldorf verfasste, hatte er Eschweiler bereits verlassen und befand sich in Holpe. Freiwillig ging Pfarrer Kreip indes nicht aus seiner Kirchengemeinde. Doch vorrückende feindliche Truppen und die Zunahme militärischer Kampfhandlungen machten den Verbleib der Zivilbevölkerung in Eschweiler im Herbst 1944 unmöglich. Die Bürger selber wurden angewiesen, bis Mitte September die Stadt zu verlassen. Die Evakuierungsmaßnahmen gestalteten sich jedoch schwierig: „Der Abtransport sollte vom Hauptbahnhof durch Züge erfolgen. Eine große Zahl von Einwohnern begab sich daufhin (sic) zum Bahnhof, um sich in Sicherheit zu bringen. Der erste Zug mit Evakuierten wurde indes von Tieffliegern beschossen und bombardiert, wodurch etwa 50 Todesopfer entstanden und eine größere Anzahl von Personen mehr oder weniger schwer verletzt wurde“ (s.u.).
Pfarrer Kreip harrte mit seiner Frau nach Möglichkeit in Eschweiler aus. Dies bescheinigte zumindest das Presbyterium der Ev. Gemeinde Eschweiler: „Er hat während der Beschiessung (sic) Eschweilers bei seiner Gemeinde ausgehalten, bis die Gemeinde restlos evakuiert war und er selbst durch die Massnahmen (sic) der Partei gegen seinen Willen gezwungen wurde, seinen Pfarrsitz zu verlassen“ (1OB 005 Spruchkammerverfahren und Entnazifizierung, Nr.38, Bl. 94).
Jahresrückblick 2024
Das Jahr 2024 neigt sich dem Ende zu und wir blicken auf ein ereignisreiches Jahr voller Fortschritte, Veranstaltungen und neuer Digitalisierungsprojekte zurück. Unser Archiv hat in den letzten Monaten einiges zu bieten gehabt, sowohl in Bezug auf die Aufarbeitung historischer Bestände als auch auf die Vermittlung unseres Wissens und unserer Quellen an die Öffentlichkeit. Hier ein Überblick über die wichtigsten Ereignisse und Entwicklungen:
1. Fertigstellung der Ortsakten: Ein kleiner Meilenstein für das Archiv
Ein besonders bedeutender Schritt war die Fertigstellung der Ortsakten, die seit 2022 in unsere Archivsoftware überführt und in 15157 laufende Nummern, verteilt auf 3520 Archivkartons, aufbereitet wurden. Nunmehr nach fast zwei Jahren intensiver Arbeit ist das vollständige Findbuch online einsehbar. Diese Akten beinhalten eine Fülle historischer Daten und Dokumente, die fortan digital zugänglich sind und eine wertvolle Quelle für Forschungen und die Archivarbeit darstellen.
2. Tag der Archive: Eine gelungene Veranstaltung
Am 7. März 2024 fand unsere Veranstaltung zum „Tag der Archive“ statt, in Zusammenarbeit mit der Düsseldorfer Neanderkirche auf der Bolkerstraße. Unter dem diesjährigen Motto „Essen und Trinken“ konnten Besucherinnen und Besucher an drei Stationen ausgewählte Quellen zur Geschichte der evangelischen Gemeinden in Düsseldorf entdecken. Besonders spannend war die Präsentation historischer Koch- und Backrezepte aus dem 18. Jahrhundert. Dabei wurde ein traditionellen Kuchenrezepts nachgebacken, das bei den Gästen für Begeisterung sorgte. Begleitend dazu stellten wir Reproduktionen und Transkriptionen der Originalquellen zur Verfügung, die mit nach Hause genommen werden konnten.
Diese Veranstaltung war für das Archiv besonders bedeutend, da sie ursprünglich für 2020 geplant war, aber aufgrund der Coronapandemie damals nicht stattfinden konnte. Umso mehr freuten wir uns, sie nun nachholen zu können. Ein herzliches Dankeschön geht an Pfarrerin Antje Brunotte und ihr Team, die uns bei der Durchführung der Veranstaltung tatkräftig unterstützt haben.


3. Digitaler Einblick ins Archiv
Als Ergänzung zum Tag der Archive haben wir unseren Interessierten einen digitalen Einblick in unser Archiv ermöglicht. Auf YouTube ist seither ein Video verfügbar, das einen Blick hinter die Kulissen unseres Archivs gewährt. Es bietet spannende Einblicke in die Arbeit und die umfangreichen Bestände, die wir pflegen und bewahren.
4. Neue Digitalisate: Ein wertvoller Bestand wird zugänglich
Auch im Bereich der Digitalisierungen haben wir Fortschritte gemacht. Ein besonders wichtiger Neuzugang war das „Kriegstagebuch aus Boppard“ der Stiftung Bethesda – St. Martin, das nun als Digitalisat zur Verfügung steht. Dieses Dokument bietet einzigartige Einblicke in eine bewegte Zeit und ist nun für die Forschung und für Interessierte zugänglich.
5. Besuch aus dem Rundfunkreferat NRW
Im Mai hatten wir besonderen Besuch aus dem Rundfunkreferat NRW. Vier Mitarbeitende des Referats erhielten im Rahmen eines Beratungstermins mit unserem Archiv die Möglichkeit, sich die Archivbestände zur Rundfunkarbeit anzusehen. Neben der fachgerechten Lagerung der Altbestände konnten sie sich auch über die Vielfalt der weiteren Quellen im Archiv informieren. Wir haben uns sehr über das Interesse und die Wertschätzung unserer Arbeit gefreut und freuen uns auf die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen.
6. Seminar zur Notfallvorsorge
Im Herbst nahm unser Archiv an einem Seminar mit Workshop zur Notfallvorsorge in Archiven, Bibliotheken und Museen teil, das in Brauweiler stattfand. Der Workshop bot wertvolle Einblicke und praktische Übungen zum Umgang mit Krisensituationen und zur Sicherstellung der langfristigen Erhaltung von Archivbeständen.
7. Transkription des Anstaltstagebuchs von Schwester Amalie Göschen
Ein weiteres Highlight des Jahres war die Transkription des Anstaltstagebuchs von Schwester Amalie Göschen, das nun online abrufbar ist. Dieses wichtige Dokument gibt einen einzigartigen Einblick in die Arbeit der Schwester und ist nun in digitalisierter Form für alle Interessierten zugänglich.
8. Neues Bildarchiv: Eine visuelle Schatzkammer
In diesem Jahr haben wir unser Bildarchiv komplett überarbeitet und online zugänglich gemacht. Diese Sammlung umfasst eine Vielzahl historischer Fotografien, die nun in digitaler Form für die Öffentlichkeit zugänglich sind und spannende Einblicke in die Geschichte unserer Region gewähren.
9. Erster Teil der Kirchenkampfakten von Joachim Beckmann als Digitalisat
Zum Abschluss des Jahres haben wir den ersten Teil der Kirchenkampfakten von Joachim Beckmann als Digitalisat online gestellt. Diese Quellen sind von unschätzbarem Wert für die Forschung und dokumentieren die schwierige Zeit des Kirchenkampfes im 20. Jahrhundert.
Fazit
Das Jahr 2024 war für uns ein Jahr voller Herausforderungen, aber auch großer Erfolge. Wir konnten zahlreiche Projekte abschließen, wichtige Bestände digitalisieren und interessante Veranstaltungen durchführen. Der stetige Ausbau unserer digitalen Angebote ermöglicht es uns, unseren Fundus für die Zukunft zu bewahren und einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Wir freuen uns auf die kommenden Aufgaben und darauf, auch im nächsten Jahr unser Archiv weiter zu entwickeln.
Bleiben Sie gespannt auf die weiteren Entwicklungen in unserem Archiv und besuchen Sie regelmäßig unsere Homepage für aktuelle Neuigkeiten und neue Digitalisate!