Laut einer alten deutschen Redewendung gilt der September als der „Mai des Herbstes“. So wird es zumindest in einer Bauernregel überliefert. Der Sommer klingt langsam in den Herbst aus, gewährt noch warme Sonnenstunden, ohne einen schonungslos transpirieren zu lassen und die Vegetation zeigt sich in buntester Farbenpracht. So ist es nur verständlich, wenn es viele Paare bevorzugen, ihre Trauung in eben diesen Monat zu legen. Weiß bekleidete Damen und in Anzügen herausgeputzte Herren sind zu Herbstbeginn somit feste Bestandteile eines jeden Stadtbildes.
WeiterlesenArchiv des Autors: Ilona Schröder
Transkription des Anstaltstagebuchs von Schwester Amalie Göschen online abrufbar
Seit Juni steht das Tagebuch von Amalie Göschen (1813-1901), der ersten Anstaltsleiterin des Magdalenenasyls Bethesda in Boppard, als Digitalisat auf unserer Website zur Verfügung. Unser Kollege Dr. Andreas Metzing verfasste hierzu einen sehr lesenswerten Blogbeitrag, in welchem das Tagebuch, seine Autorin als auch die Einrichtung selber näher beleuchtet werden.
So spannend das Tagebuch auch ist, so frustrierend kann eventuell seine Lektüre sein, v.a. wenn man etwas mit dem Lesen alter Handschriften hadert. Für diesen Fall reichen wir daher die Transkription zum Digitalisat.
Wie in allen handschriftlich verfassten Quellen schlagen sich auch im Tagebuch charakteristische Schreibweisen der Verfasserin nieder, die manchmal Rätsel aufgeben. Hier etwa das variierend ausgeschriebene Kürzel „tem“/“ten“/“tn“ oder einfach nur „t“, welches i.d.R. nach einer Datumsangabe steht, z.B. „Heute den 15 ten Feb. 1859“ (S. 13). Erschwert wird das Lesen zudem durch Abkürzungen aller Art (vgl. S. 5), fehlender Zeichensetzung, Leerstellen im Satz oder der unterschiedlichen Schreibweise ein und desselben Wortes. Auch von der Gültigkeit heutiger Rechtschreibregel muss man sich verabschieden und darf sich über ein „giebt“, „Werth“, „Bescheerung“ oder „confirmirt“ nicht wundern.
Bei der Transkription wurde darauf geachtet, den Text zeilengetreu zu übernehmen, Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung, Interpunktion, (Unter-)Streichungen und Kürzungen wie im Text vorgegeben beizubehalten. War eine Textstelle oder ein Wort schwer oder gar nicht zu entziffern, wurde diese Stelle mit einem Fragezeichen (?) markiert. Vielleicht können hier ja kundige Paläografen aushelfen. Sonstige Informationen, z.B. das Auflösen von Münzkürzeln, finden sich in den Fußnoten.
Für das Lesen alter Schriften gilt: Übung macht den Meister. Hilfe beim Einstieg bietet hier z.B. das Lernangebot ‚Ad fontes‘ der Universität Zürich, welches sich an Geschichtswissenschaftsstudierende, Experten aber auch Laien wendet. Auf der Website finden sich Hinweise zum Recherchieren von Archivquellen, dt./lat./eng. Transkriptionsübungen vom 13. bis zum 20. Jahrhundert, Tutorien, etwa zum Münzwesen oder Heraldik, u.v.m. Ein Blick lohnt in jedem Fall!
Ergänzung der Protokolle der Saarbrückener Kreissynode
Seit Mai 2022 sind die Protokolle aller verfügbaren Kreissynoden der Jahre 1850 bis 1933 auf der Homepage des Archivs online einsehbar. Der Kirchenkreis Saarbrücken wies dabei leider einige Lücken auf. Diese können zwar nicht ganz gefüllt werden, doch können nun erfreulicherweise die Protokolle der Jahre 1918, 1925 und 1926 ebenfalls auf der Website als Digitalisate zur Einsicht nachgereicht werden.
Die Protokolle der Kreissynoden sind nicht nur ein wichtiger Quellensatz für die Kirchenkreisgeschichtsforschung, sondern auch ein Spiegel für politische, wirtschaftliche und soziale Verhältnisse, Umbrüche und Entwicklungen. Gerade die ersten zwei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts sind besonders ereignisreiche: Kriegseuphorie, Kriegsermüdung und Niederlage, Hungersnot, Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreiches, Weimarer Republik, Rheinbesetzung, Inflation, etc. All diese Problemlagen finden Eingang in die Protokolle, die wiederum Einblick in Alltag und Mentalität der Menschen gewähren.
Die Kreissynode des Jahres 1918 etwa, welche vor mehr als 100 Jahren am 6. August in Saarbrücken tagte, steht noch ganz im Zeichen des Ersten Weltkrieges.
Weiterlesen„Aber diese Augusttage bedeuten auch den Eintritt in das 5. Kriegsjahr. Das fordert uns auf zum Rückblick und zum Ausblick. 4 Jahre unsäglicher Kämpfe, 4 Jahre der Not des Leidens, 4 Jahre gnädige Gotteshilfe liegen hinter uns. Je länger es dauert, um so schwerer wird die Last, die auf unserem Volke liegt. (…) Und war es allem zum Trotz bisher möglich die Besinnung unseres Volkes hochzuhalten, so hat die evang. Kirche ihr redlich Teil dazu auch im vergangenen Jahr beigetragen. Freilich das ist uns nicht möglich gewesen, den Wuchergeist zu dämpfen und die mancherlei Umtriebe und Unehrlichkeiten, die mit dem Hamstern zusammenhängen, zu hindern – und daß die Vergnügungssucht und die Ausschweifung trotz all unserer Gegenwirkung nicht weniger, sondern mehr geworden, ist tief zu beklagen. Diese Klage geht durch Stadt und Land“ (S.2f).
„Verordnung die überhand nehmenden Schlägereien auf dem platten Lande betreffend“ – Staatliche Maßnahmen gegen Händel und Keilerei anno 1814
Vor knapp eineinhalb Wochen neigte sich die diesjährige Rheinkirmes in Düsseldorf zu Ende und das zur vollsten Zufriedenheit der Veranstalter und Besucher. Grund hierfür liege vor allem in dem friedlichen Verlauf der Veranstaltung. Dieses Jahr soll es sich mit ca. 3,59 Millionen Besuchern um die friedlichste Rheinkirmes überhaupt gehandelt haben – so ein Bericht der NRZ.
Von harmonischen und heimeligen Volksfesten konnte Johann August Sack, Leiter des 1814 eingerichteten und unter königlich-preußischer Herrschaft stehenden Generalgouvernements Nieder- und Mittelrhein, anscheinend nur träumen. Im „Journal Des Nieder und Mittel Rheins“ (Nr. 22) vom 1. August desselben Jahres klagt Sack über die zunehmende Gewalt auf dem Lande. Dem Generalgouverneur liege es fern, „dem guten Landbewohner seine Erholungen, Feste und Lustbarkeiten“ zu missgönnen. Auch wäre es nicht zu verantworten, wollte eine Regierung „willkürhriche (sic) oder unnütze Schranken setze(n)“. Doch seine „fast tägliche Erfahrung“ verweise unzweifelhaft auf unhaltbare Zustände. Er moniert, dass besonders „die festlichen Gelage und Zusammenkünfte auf dem platten Lande nur gar zu häufig lebensgefährliche Händel und Schlägereien herbeiführen“.
Dabei scheint er den Kern des Problems erkannt zu haben und konstatiert: „Die Schuld scheint nicht so wohl an den bestehenden Gesetzen zu liegen, welche wenigstens strenge genug sind; sondern vielmehr an der Unbekantschaft (sic) der Landbewohner mit diesen Gesetzen und an dem Mangel zweckmäßiger verhütungs-Maassregeln (sic) abseiten der Ortspolizei“.
Vorsicht ist besser als Nachsicht! Oder: was tun im Notfall?
„Vorsicht ist besser als Nachsicht“ ist ein für alle Archive universell geltender Leitspruch, wenn es um Notfallvorsorge und Notfallmanagement geht. Wie wichtig diese Themen für Archive sind, zeigen die folgenschweren Katastrophen und Havarien, die sich national und international allein in den letzten zwei Dekaden ereignet haben. Dazu gehören etwa das Elbhochwasser 2002, der Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek 2004, der Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009, der Brand im Nationalmuseum in Rio de Janeiro 2018, das Feuer im Krakauer Stadtarchiv 2021 und einige Monate später die Hochwasserkatastrophe in Deutschland (unser Kollege aus Boppard berichtete aus Bad Neuenahr). Die Hiobsbotschaft der russischen Invasion der Ukraine 2022 und die dabei gezielte Zerstörung ukrainischen Kulturerbes machten erneut deutlich, wie wichtig der Schutz unserer Kulturgüter ist. Der 55. Rheinische Archivtag 2022 widmete sich daher ganz dem Thema des Katastrophen- und Krisenmanagements.
Notfallvorsorge und Notfallmanagement sind integrale Elemente der Bestandserhaltung und somit Teil des Aufgabenspektrums archivischer Arbeit. Jedes Archiv hat also die Pflicht, sich Gedanken zu machen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um sich bestmöglich für Notfälle zu wappnen. Glücklicherweise müssen Archivar:innen hier das „Rad“ nicht neu erfinden. Vielmehr kann man mittlerweile auf zahlreiche Literatur, Handlungsempfehlungen oder Online-Kurse (https://bestandserhaltung.eu/) zurückgreifen. Im Rheinland hat man zudem die Möglichkeit den Ernstfall sogar zu proben. Denn das LVR-Archivberatungs-und Fortbildungszentrum bietet jährlich ein Seminar mit Workshop zur Notfallvorsorge in Archiven, Bibliotheken und Museen an.
WeiterlesenQuellen zu Spruchkammerverfahren und Entnazifizierung online
Mit der vollständigen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8./9. Mai 1945, dem Ende kriegerischer Auseinandersetzungen auf europäischem Boden (global endete der Krieg erst mit der Kapitulation des japanischen Kaiserreichs am 2. September 1945) und dem Zusammenbruch des Dritten Reiches galt es Deutschland für den demokratischen Neustart zu positionieren. Essentiell hierfür wurde die Ausmerzung der nationalsozialistischen Ideologie angesehen. Die Entnazifizierung Deutschlands wurde zur obersten Priorität und wurde dementsprechend im Schlussdokument der Potsdamer Konferenz vom 2. August 1945 festgehalten.
Im weitesten Sinne zielte die Entnazifizierung darauf ab, alles was nationalsozialistisch behaftet war – wie Gesetzgebung, Organisationen, Symbole, Schriften etc. – auszurotten. Im engeren Sinne versteht man heute darunter die Entfernung belasteter Personen aus allen wichtigen Ämtern der politischen, wirtschaftlichen wie sozialen Lebensbereiche. Die Sphäre der Kirche sollte hiervon nicht ausgenommen bleiben. Der für den Bereich der Nordrheinprovinz zuständige Major General schrieb diesbezüglich am 27. Juni 1945 recht missmutig in einem Brief u.a. an die SHAEF (Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Force – Oberstes Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte):
„1. At the present time the one place where the German people can gather together in large numbers and yet where little check can be kept on proceedings is in their Churches.
2. At the same time the one class of Germans of standing who have not been screened is the clergy.
3. This position ist obviously unsatisfactory. Steps will be taken to have the clergy fill in Fragebogen forthwith and to have these examined in the usual way (…)“ (1OB 005 Nr. 31).
Neue Digitalisate zum Bestand Stiftung Bethesda – St. Martin: Kriegstagebuch aus Boppard
Gerade einmal 16cm x 22,7cm misst das kleine Heftchen, welches als Kriegstagebuch unter der Nummer 138 im Bestand Stiftung Bethesda – St. Martin (5WV 025B) in Boppard verwahrt wird. Es enthält knapp 28 eingeheftete Blätter, ist maschinenschriftlich abgefasst und umspannt den kurzen Zeitraum vom 10. März bis zum 7. April 1945. Das mag nun auf den ersten Blick nicht besonders umfangreich erscheinen, so ist es doch besonders inhaltsschwer.
„Samstag, den 10.3.45: Sehr unruhiger Tag mit starken Überflügen und fernen Artillerieschiessen. Es hiess, die Amerikaner seien über die Mosel gesetzt und ständen auf dem Hunsrück und in Koblenz“.
„Sonntag, den 11. März 45: Sehr unruhiger Tag mit starken Überflügen. Abends gegen 18 Uhr erscheint ein Dr. Schepukat zu einer Vorbesprechung und stellt in Aussicht, dass man am nächsten Tage St. Martin als Kriegslazarett beschlagnahmen würde, da kein geeignetes Haus in Boppard zu finden wäre. Als wir im klarmachten, dass doch hier im Hause ca 140 Mädchen seien, die vom Staat hier untergebracht wären, hatte er nur ein verächtliches Lächeln und meinte, solch minderwertige Elemente hätte kein Recht mehr auf ein warmes Zimmer und ein Bett, die gehörten kaserniert, im wäre es gleich, wo sie blieben, er hätte nur für seine Soldaten zu sorgen (…)“.
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