25 Jahre Archivstelle Boppard

Ein Vierteljahrhundert archivische Dienstleistung für Kirche und Öffentlichkeit im südlichen Rheinland

Das ehemalige St. Martins-Kloster in Boppard/Rhein, seit 1996 Sitz der Evangelischen Archivstelle Boppard (Foto: Stefan Flesch).

Am 30. Mai 2021 jährt es sich zum 25. Mal, dass das Landeskirchliche Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland seine Außenstelle in Boppard eröffnet hat. Seit einem Vierteljahrhundert werden von der Archivstelle Boppard basisnahe archivische Serviceleistungen für die kirchliche Verwaltung, aber auch für die kirchenhistorische und genealogische Forschung in den rheinland-pfälzischen, saarländischen und hessischen Kirchenkreisen der EKiR angeboten. Aus einem Anfang der 1950er Jahre errichteten bescheidenen Kirchenbuchdepot hervorgegangen, hat sich die Archivstelle Boppard seit ihrer Einrichtung 1996 zu einem modernen archivischen Dienstleistungszentrum entwickelt. In enger Abstimmung mit der Düsseldorfer Zentrale ist das Team der Archivstelle Boppard Ansprechpartner für alle Fragen aus den Bereichen Schriftgutverwaltung, Kirchengeschichte und nicht zuletzt auch Familienforschung.

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Julius Smend is coming home: Über den langen Weg eines Gemäldes

Bei dem würdigen älteren Herrn im Gewand eines Ordinarius handelt es sich um den liberalen Theologen Julius Smend (1857-1930). Kirchengeschichtlich bedeutend ist er als Mitbegründer der sog. Älteren Liturgischen Bewegung, die sich bemühte, den evangelischen Gottesdienst von erstarrten Formen zu befreien. Hierzu propagierte Smend neue Wege in der Kirchenmusik und der Liturgie wie etwa auch den Einsatz von Einzelkelchen beim Abendmahl.

Rudolf Neugebauer: Portrait von Julius Smend (ca. 1924)

Was hat aber nun dieser gebürtige Westfale, der an den Universitäten Straßburg und Münster lehrte, mit dem Rheinland zu tun und vor allem, was hat es mit diesem Gemälde auf sich?

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Wenn Archivare ausrücken… Das Ende des FFFZ in Stockum

Wenn Archivare ausrücken, können mehrere Gründe vorliegen. Anlass für eine Aktivität außerhalb des Büros kann eine Fortbildung, eine Tagung, ein Beratungsgespräch vor Ort im Sinne der Archivpflege oder das Einsammeln von potentiellem Archivgut sein.
So geschehen vor einigen Wochen. Drei Kollegen des Archivs der Ev. Kirche im Rheinland begaben sich zum ehemaligen Film Funk Fernseh Zentrum (FFFZ) in der Kaiserswerther Straße 450 in Stockum. Die Mission: alle verbliebenen Ordner, sprich das oben bereits erwähnte potentielle Archivgut, in Umzugskartons zu verpacken. Diese wurden dann ins Zwischenarchiv nach Moers gebracht, wo sie nun auf ihre spätere Bearbeitung warten. In solchen Momenten tritt übrigens der (nicht zu unterschätzende) physische Aspekt archivarischer Tätigkeit zu Tage und Muskelkraft ist gefragt!

Verräumen der letzten Aktenordner im FFFZ – AEKR
Verräumen der letzten Aktenordner im FFFZ – AEKR

Hintergrund dieser Umbettungsaktion ist der bevorstehende Abriss des ehemaligen FFFZ Gebäudes, welches 1993 eingeweiht wurde. Nach fast ca. 30 Jahren schließt sich damit das Kapitel des FFFZ am Standort in der Kaiserswertherstraße. Dabei war es gerade die Standortfrage, die vor drei Jahrzehnten für hitzige Diskussionen sorgte. 1990 wurde auf der Landessynode der Beschluss gefasst, ein neues kirchliches Medienzentrum zu errichten. Denn die Räumlichkeiten des Hauses der Diakonie in der Lenaustraße 41, in welchem das Medienzentrum seit 1967 untergebracht war, erfüllten nicht mehr die Kriterien an eine moderne und zeitgemäße kirchliche Medienarbeit. Raumnot und eine unzulängliche räumliche sowie technische Ausstattung erforderten einen dringend benötigten Neubau.

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Der 15. Mai ist Internationaler Tag der Familie

Das erste, das der Mensch im Leben vorfindet, das letzte, wonach er die Hand ausstreckt, das kostbarste, was er im Leben besitzt, ist die Familie.“
Adolph Kolping, Priester und Begründer des Kolpingwerks

Reproduktion der Fotografien einer deutschen großbürgerlichen Familie – Fotograf: Hans Lachmann, Datum: ca. 1920er? Filmnummer: 26A/25777

Seit 1993 gilt der 15. Mai den Vereinten Nationen offiziell als Internationaler Tag der Familie. Dieser Gedenktag wurde ins Leben gerufen, um weltweit auf das Thema Familie und all seiner Implikationen aufmerksam zu machen. Politische Entscheidungsträger, Wirtschaftsvertreter Repräsentanten von NGOs, die breite Öffentlichkeit im Allgemeinen – sie alle sollten für familiäre Belange, Bedürfnisse und Probleme sensibilisiert werden. Denn es sind ihre Handlungen, Beschlüsse, Agenden, Einstellungen oder auch nur Ideen, die eine eminente Beinflussung auf das Leben von Familien ausüben.

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Konfirmation – nicht immer ein freudiger Anlass

Wird eine Konfirmation heute (wenn auch nicht in Corona-Zeiten) üblicherweise als großes Familienfest begangen, war sie früher nicht immer ein freudiger Anlass für die Konfirmanden. Im Archiv der Kirchengemeinde Kellenbach, das bei der Evangelischen Archivstelle Boppard aufbewahrt wird, finden sich im Zeitraum zwischen 1833 und 1874 (vor allem in den Jahren um 1850) zahlreiche Gesuche auf Freistellung vom gesetzlichen Konfirmationsalter und somit auf eine vorgezogene Konfirmation. Ein solcher Dispens musste beantragt werden, sofern das Kind am Tag der Konfirmation das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Hauptgrund für die Gesuche war die wirtschaftliche Not der Eltern, denn mit der Konfirmation war die Entlassung aus der Schule verbunden und die Kinder konnten fortan uneingeschränkt als Arbeitskraft eingesetzt oder in die Lehre gegeben werden.

Verzeichnis von 1853, aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 129B Kellenbach Nr. 23

So wünschte der Schmied Nicolaus Fuchs, „der fast einzig mit seiner Hände Arbeit eine zahlreiche Familie zu ernähren hat“, dass seine Tochter Catharina Elisabeth 1839 vorzeitig konfirmiert werde, damit sie „im Hauswesen seine kränkliche Frau unterstützen, und er zur Erleichterung seiner Familienlast alsdann eine ältere Tochter in Dienst geben könne.“ Die Quelle wirft ein Licht auf die offenbar teils dramatische soziale und wirtschaftliche Lage der Einwohner des Hunsrückortes. Bis zu 20 % der Kinder eines Konfirmationsjahrgangs wurden um 1850 in Kellenbach frühzeitig konfirmiert, 1852 sogar gut ein Drittel. Ein Großteil der Antragsteller wird als „arm“, teils auch als „bettelarm“ oder „blutarm“ beschrieben, die Familien als kinderreich, auch mittellose Witwen finden sich häufig.

In den meisten Fällen sollten die Kinder, egal ob Junge oder Mädchen, unmittelbar nach der Konfirmation „verdingt“ werden, mussten also mit noch nicht einmal 14 Jahren eine Arbeit als Knecht, Gehilfe oder Dienstmädchen aufnehmen und fortan für sich selbst sorgen. So etwa Jacob Bickler, von dem es 1850 heißt: „Der Knabe ist ein armes Waisenkind. Der Vormund und Onkel nahm ihn nach dem Tode der Eltern in sein Haus auf und will ihn nun verdingen.“ Einige Jungen immerhin konnten ein Handwerk lernen. In Einzelfällen werden auch gesundheitliche Gründe angegeben, etwa 1842 im Fall von Anna Katharina Mohr, deren Vater, „ein ärmlicher kränklicher Ackersmann“, […] die Confirmation dieses seines Kindes [wünscht], welches an großer Nervenschwäche leidet, weil er hofft, dass es, wenn es vom Schulbesuch befreit ist, gesunden werde“, oder 1853 bei Peter Mildenberger, der „fast blind [ist] und von seinen Mitschülern geführt werden [muss], daher ihm der Weg sehr beschwerlich wird.“

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Bittbrief des Vereins Säuglings- und Genesungsheim Bonn im November 1918 um Unterstützung

Saeuglings- und Genesungsheim, 2. Jahresbericht 1914, Bonn am Rhein. Archivbibliothek, ZK1392

Im Bestand der Kleinschriften aus der Geschichte der Inneren Mission, die wir mit dem Archiv des Diakonischen Werkes übernommen hatten, fand sich ein Heft „Satzungen des Vereins ‚Säuglings- und Genesungsheim‘ E. V., Bonn“, etwa von 1913. Diese Quelle mag v. a. lokale Bedeutung haben. Interessant sind aber Schreiben, die in diese Satzung eingelegt worden waren. Diese geben nämlich die Probleme der Notzeit im November 1918, zu Ende des Ersten Weltkriegs, wieder. Es schreibt die Schriftführerin des Vereins ‚Säuglings- und Genesungsheim‘, Frau Geheimrat A. Grafe, an den Vorsitzenden des „Vereins für Innere Mission“, Herrn Commerzienrat Colsmann, Langenberg. Gemeint ist der „Provinzialausschuss für Innere Mission“, einer der beiden Vorgänger des späteren Diakonischen Werkes; Vorsitzender ist Emil Colsman (1848-1942), dessen Familie sich über Jahrzehnte kirchlich engagiert hat. Das handschriftliche Schreiben vom 9. November 1918 lautet:

Schreiben zur Lage des Saeuglings- Genesungsheim e. V. an den Verein für innere Mission, 9. November 1918, Bonn. Archivbibliothek, ZK1392
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Gottesdienst um 7 ¾ Uhr: Der Erste Mai 1933 und die Evangelische Kirche

Wenigstens war er nicht auf ¾ 7 Uhr (= 6:45 Uhr) angesetzt. In der Ausgabe des Sonntagsblattes der Ev. Kirchengemeinde Düsseldorf vom 30.4.1933 fand sich folgende kurzfristig eingefügte Ankündigung:

„Am Montag, dem 1. Mai, dem Tag der deutschen Arbeit, finden in allen Kirchen unserer Evangelischen Gemeinde Düsseldorf Gottesdienste statt und zwar schon morgens 7 ¾ Uhr, sodass die Kirchenbesucher sich an dem weiteren Programm des Tages beteiligen können. Alle Gemeindeglieder werden zu diesen Gottesdiensten ganz besonders eingeladen. Insonderheit werden die Vereine (Arbeitervereine, Jugendvereine usw.) gebeten, mit Fahnen zu erscheinen.“

Die Festpredigt von Pfarrer Rudolf Homann in der Johanneskirche wurde in der folgenden Ausgabe vollständig abgedruckt. Darin beschwört er eine „neue Bruderordnung deutscher Menschen“ und fordert dazu auf, den ersten Mai fortan als „Ostern des deutschen Sozialismus“ zu begreifen. Letzterer sei nur im Geiste Jesu Christi möglich, der die „Barrikaden des Egoismus“ zerbreche.

Das Evangelium am Tag der Arbeit, Evangelischer Preßverband, Berlin, 1934

Vor 1933 war die evangelische Amtskirche nicht gerade als Verfechterin von Arbeiterinteressen aufgefallen und schon gar nicht propagierte sie den Ersten Mai als irgendwie zu würdigenden Gedenktag. Als ausgerechnet der NS-Staat diesen Tag gewissermaßen okkupierte und erstmals als Feiertag instrumentalisierte, versuchte man nun kirchlicherseits auf diesen Popularitätszug aufzuspringen. Wie erging es nun in der Folge den im Sonntagsblatt angesprochenen evangelischen Arbeitervereinen?

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