Laut einer alten deutschen Redewendung gilt der September als der „Mai des Herbstes“. So wird es zumindest in einer Bauernregel überliefert. Der Sommer klingt langsam in den Herbst aus, gewährt noch warme Sonnenstunden, ohne einen schonungslos transpirieren zu lassen und die Vegetation zeigt sich in buntester Farbenpracht. So ist es nur verständlich, wenn es viele Paare bevorzugen, ihre Trauung in eben diesen Monat zu legen. Weiß bekleidete Damen und in Anzügen herausgeputzte Herren sind zu Herbstbeginn somit feste Bestandteile eines jeden Stadtbildes.
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„pauvre und ohnvermögent“: Die Lebensumstände der Fischbacher Schulmeister zu Beginn des 18. Jahrhunderts
In vergangenen Jahrhunderten fristete der Lehrer auf dem Land, das viel belächelte oder gar verspottete „arme Dorfschulmeisterlein“, häufig ein bemitleidenswertes Dasein. Selbst nur unzureichend ausgebildet, wurde er für einen Hungerlohn angestellt und musste meist neben dem Schul- auch den Küsterdienst versehen. So auch in Fischbach an der Nahe, wie eine Schulakte im Archiv der dortigen Evangelischen Gemeinde zeigt. Darin enthaltene Schriftstücke aus dem 18. Jahrhundert sind ein beredtes Beispiel für die prekären Lebensumstände einer schlecht angesehenen Lehrerschaft.
Im ältesten Dokument von Februar 1718 (siehe hier rechts) beschwert sich der „Bürgermeister zu Fischbach nahmens der dortigen Gemeinde“ beim Konsistorium, dass der Schulmeister als Küster „von jeder Hochzeit, Kindtauffe und Leiche 1 Maaß Wein und 1 Wecke, entweder in natura oder mit Gelde bezahlt, fordere, so Ihnen bei jetzigen theuren Wein zu schwer fallen wolle. Zweytens, daß ob ihm schon bei seinem Antritt nur 20 Simmer Korn aus der Gemeinde zu geben versprochen worden, er 3 Malter verlange, so ihm auch bis daher geliefert werden müssten. Drittens, daß sie ihre Kinder, wann sie schon in der Schule das nöthige gelernet und begriffen, doch bis sie zum Gebrauch des Hl. Abendmahls gelassen werden können, entweder zur Schule schicken, oder doch den Schullohn dafür zahlen müssten. Viertens, daß der Schulmeister den Klingelbeutel in der Kirche nicht, wie doch ander Orten gebräuchlich, tragen wollte, und sie deswegen einen anderen lohnen müssten.“
Das Konsistorium allerdings befand nach Vernehmung des Lehrers und Prüfung seines Vokationsbriefes, dass dessen Ansprüche gerechtfertigt seien und ihm sein ohnehin nur mageres Einkommen seitens der Gemeinde gewährt werden müsse. Lediglich die Schulkinder sollten, sobald sie genug gelernt hatten, nicht mehr allzu lange in die Schule „gezwungen werden, zumahlen, wenn die Eltern, wie auf dem Lande gemeiniglich geschiehet, die etwas erwachsenen Kinder zur Feldarbeit mit gebrauchen müssen.“
WeiterlesenHeute kann alles passieren – Freitag, der 13.
Wer „Freitag, der 13.“ googelt, bekommt eine unüberschaubare Vielzahl von Artikeln angezeigt, die versuchen die Hintergründe des Aberglaubens zu beleuchten, warum dieser Tag mit Pech und Unglück verbunden wird. Die häufigsten Erklärungsansätze sind zum Beispiel der Bezug auf den Einbruch der Berliner Aktienmärkte an einem Freitag, den 13., im Mai 1927, einem „Schwarzen Freitag„. Oder der kirchenhistorische Bezug zum Befehl des französischen Königs Philipp dem IV. zur Verhaftung der Tempelritter, der am 13. Oktober 1307 erging.
Ebenso häufig stößt man aber auch auf Artikel, die den Aberglauben widerlegen, oder den Tag sogar zum Glückstag umzudeuten versuchen.
Einen pragmatischeren Zugang zu diesem Tag bietet dieses schöne Plakat aus unserer Plakatsammlung:
Wir wünschen Ihnen allen einen schönen Tag!
Transkription des Anstaltstagebuchs von Schwester Amalie Göschen online abrufbar
Seit Juni steht das Tagebuch von Amalie Göschen (1813-1901), der ersten Anstaltsleiterin des Magdalenenasyls Bethesda in Boppard, als Digitalisat auf unserer Website zur Verfügung. Unser Kollege Dr. Andreas Metzing verfasste hierzu einen sehr lesenswerten Blogbeitrag, in welchem das Tagebuch, seine Autorin als auch die Einrichtung selber näher beleuchtet werden.
So spannend das Tagebuch auch ist, so frustrierend kann eventuell seine Lektüre sein, v.a. wenn man etwas mit dem Lesen alter Handschriften hadert. Für diesen Fall reichen wir daher die Transkription zum Digitalisat.
Wie in allen handschriftlich verfassten Quellen schlagen sich auch im Tagebuch charakteristische Schreibweisen der Verfasserin nieder, die manchmal Rätsel aufgeben. Hier etwa das variierend ausgeschriebene Kürzel „tem“/“ten“/“tn“ oder einfach nur „t“, welches i.d.R. nach einer Datumsangabe steht, z.B. „Heute den 15 ten Feb. 1859“ (S. 13). Erschwert wird das Lesen zudem durch Abkürzungen aller Art (vgl. S. 5), fehlender Zeichensetzung, Leerstellen im Satz oder der unterschiedlichen Schreibweise ein und desselben Wortes. Auch von der Gültigkeit heutiger Rechtschreibregel muss man sich verabschieden und darf sich über ein „giebt“, „Werth“, „Bescheerung“ oder „confirmirt“ nicht wundern.
Bei der Transkription wurde darauf geachtet, den Text zeilengetreu zu übernehmen, Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung, Interpunktion, (Unter-)Streichungen und Kürzungen wie im Text vorgegeben beizubehalten. War eine Textstelle oder ein Wort schwer oder gar nicht zu entziffern, wurde diese Stelle mit einem Fragezeichen (?) markiert. Vielleicht können hier ja kundige Paläografen aushelfen. Sonstige Informationen, z.B. das Auflösen von Münzkürzeln, finden sich in den Fußnoten.
Für das Lesen alter Schriften gilt: Übung macht den Meister. Hilfe beim Einstieg bietet hier z.B. das Lernangebot ‚Ad fontes‘ der Universität Zürich, welches sich an Geschichtswissenschaftsstudierende, Experten aber auch Laien wendet. Auf der Website finden sich Hinweise zum Recherchieren von Archivquellen, dt./lat./eng. Transkriptionsübungen vom 13. bis zum 20. Jahrhundert, Tutorien, etwa zum Münzwesen oder Heraldik, u.v.m. Ein Blick lohnt in jedem Fall!
„…davon seynd die acta meine Zeugen…“: Dokumente zum Baumholderer Kirchenbau
Den größten und wichtigsten zusammenhängenden Bestand des kürzlich neu verzeichneten Archivs der Evangelischen Kirchengemeinde Baumholder bilden die Akten zum Baumholderer Kirchenbau. Anhand von umfangreichen Konvoluten aus dem Zeitraum von 1666 bis 1782 mit Schriftverkehr u.a. zwischen der fürstlichen Regierung, dem Oberamt Lichtenberg, der Geistlichen Güterverwaltung, der Rentkammer, der Kirchengemeinde Baumholder, Zehnt- und Lehnsherren sowie dem Kirchenschaffner lassen sich Vorgeschichte, Rechtsgrundlagen, Finanzierung, Grundsteinlegung und Einweihung der Kirche minutiös nachverfolgen. Bittschriften, Stellungnahmen, Prüfungen oder Besichtigungsprotokolle zeigen, wie die Notwendigkeit einer großen Reparatur oder eines Neubaus über viele Jahre immer dringender wurde. Alle Entscheidungsprozesse vom Abriss der alten Kirche bis zur Fertigstellung des neuen Gotteshauses werden lückenlos dokumentiert, ebenso daraus resultierende Rechtsstreitigkeiten. Sahnehäubchen der Überlieferung ist ein separates Findbuch zu diesen Akten mit ausführlicher Einzelblattverzeichnung (s.u.).
Ebenfalls sehr gut – auch fotografisch – dokumentiert ist die mehrfache Umgestaltung des Innenraums der Kirche im vergangenen Jahrhundert. Die älteste Innenaufnahme zeigt die Kirche entsprechend dem Grundriss von 1748, noch ohne die spätere rundlaufende Empore und mit der 1879 eingebauten Stumm-Orgel im Originalzustand. Das Dach der Kirche war ursprünglich zum Getreidespeicher ausgebaut worden, dessen Last mächtige Säulen im Innenraum trugen. Bei der Einweihung der Kirche 1750 wurde denn auch bemängelt, „daß der Baumholderer Kirchbau mehr zu räumlichen Fruchtspeichern als zu einer Kirche eingerichtet worden, in dem nicht allein […] diese mit 10 hölzernen Pfosten, aller Gewohnheit und dem Endzweck der Kirche zuwider, versperrt und verstellt, sondern auch das Gespärre zu drei übereinander liegenden Speichern eingerichtet wurde, sodaß man von mehr als der Hälfte der Plätze aus den Pfarrer nur hören, aber nicht sehen kann.“
WeiterlesenSchulanfänger-Gottesdienst 1975
Die Sommerferien sind zu Ende. Heute beginnt in NRW das neue Schuljahr. Für die i-Dötzchen ist heute ein ganz besonderer Tag. Der erste Schultag wird mit Einführungsveranstaltungen der Schulen, der Übergabe der Schultüten durch die Eltern an ihre Kinder und dem Schulanfänger-Gottesdienst gefeiert. Aus diesem Anlass soll hier ein Einblick auf einen Liturgieentwurf eines Schulanfänger-Gottesdienstes vom 2. September 1975 von Pastorin Ruth Brücher (1928-2019) in der Evangelischen Kirchengemeinde Derschlag gegeben werden.
aus 1 OB 023M, Bd. 2 – Nr. 67
Signatur: AEKR 8SL 046 (Bildarchiv), 012B_0273
Mit Ihrer Ordination am 28.9.1975 wurde Ruth Brücher die erste Frau im Pfarramt im Kirchenkreis An der Agger und prägte zeitlebens das Gemeindeleben in Derschlag. Ihr Weg in den Kirchendienst begann 1953 in der Gemeinde Derschlag. Am 1. Januar 1953 wurde Frau Ruth Brücher mit der Verwaltung des Pfarrbüros betraut. Sie leistete neben ihrer Verwaltungstätigkeit auch Kindergottesdienst-, Jungschar-, Mädchen- und Berufstätigen-Arbeit in der Gemeinde. Nach einer Schulung im Predigerseminar Essen und zwei bestandenen Prüfungen als Gemeindehelferin schloss sie 1975 eine Ausbildung zur Gemeindemissionarin ab. Die Kirchengemeinde Derschlag betraute sie mit der Verwaltung der neu eingerichteten zweiten Pfarrstelle, die sie bis 1988 innehatte. Neben dem Pfarramt setzte sie sich in den 1980er Jahren für die Gründung eines Weltladens für fairen Handel ein, eine ökumenische Fraueninitiative, deren Ehrenvorsitzende sie bis zu ihrem Tod blieb.
In der folgenden Predigt von Pastorin Brücher zum Schulanfang 1975, die auch heute genauso gehalten werden könnte, appelliert Sie dazu, die Mitmenschlichkeit dem Leistungsprinzip vorzuziehen.
WeiterlesenErgänzung der Protokolle der Saarbrückener Kreissynode
Seit Mai 2022 sind die Protokolle aller verfügbaren Kreissynoden der Jahre 1850 bis 1933 auf der Homepage des Archivs online einsehbar. Der Kirchenkreis Saarbrücken wies dabei leider einige Lücken auf. Diese können zwar nicht ganz gefüllt werden, doch können nun erfreulicherweise die Protokolle der Jahre 1918, 1925 und 1926 ebenfalls auf der Website als Digitalisate zur Einsicht nachgereicht werden.
Die Protokolle der Kreissynoden sind nicht nur ein wichtiger Quellensatz für die Kirchenkreisgeschichtsforschung, sondern auch ein Spiegel für politische, wirtschaftliche und soziale Verhältnisse, Umbrüche und Entwicklungen. Gerade die ersten zwei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts sind besonders ereignisreiche: Kriegseuphorie, Kriegsermüdung und Niederlage, Hungersnot, Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreiches, Weimarer Republik, Rheinbesetzung, Inflation, etc. All diese Problemlagen finden Eingang in die Protokolle, die wiederum Einblick in Alltag und Mentalität der Menschen gewähren.
Die Kreissynode des Jahres 1918 etwa, welche vor mehr als 100 Jahren am 6. August in Saarbrücken tagte, steht noch ganz im Zeichen des Ersten Weltkrieges.
Weiterlesen„Aber diese Augusttage bedeuten auch den Eintritt in das 5. Kriegsjahr. Das fordert uns auf zum Rückblick und zum Ausblick. 4 Jahre unsäglicher Kämpfe, 4 Jahre der Not des Leidens, 4 Jahre gnädige Gotteshilfe liegen hinter uns. Je länger es dauert, um so schwerer wird die Last, die auf unserem Volke liegt. (…) Und war es allem zum Trotz bisher möglich die Besinnung unseres Volkes hochzuhalten, so hat die evang. Kirche ihr redlich Teil dazu auch im vergangenen Jahr beigetragen. Freilich das ist uns nicht möglich gewesen, den Wuchergeist zu dämpfen und die mancherlei Umtriebe und Unehrlichkeiten, die mit dem Hamstern zusammenhängen, zu hindern – und daß die Vergnügungssucht und die Ausschweifung trotz all unserer Gegenwirkung nicht weniger, sondern mehr geworden, ist tief zu beklagen. Diese Klage geht durch Stadt und Land“ (S.2f).