Lila Tage – Stuttgarter Kirchentag zu Zeiten der Studentenbewegung 1969

Deutscher Evangelischer Kirchentag (DEKT), Eröffnungsgottesdienst
Stuttgart, 16. Juli 1969
Hans Lachmann, Schachtel Nr. 293: DEKT Stuttgart 1969

Action. Dass der Stuttgarter Kirchentag 1969 ein anderer als der letzte in Hannover 1967 werden würde, zeigte sich bereits vor seinem Beginn. In der illustren Fernsehrunde von Werner Höfers „Internationalem Frühschoppen“ huschten die „Kirchenmäuse“ des Freiburger Pfarrers Martin Schneider über die Mattscheibe und kommentierten das bevorstehende protestantische Großereignis: „In Stuttgart sind die lila Zeiten angebrochen… Und wenn heute dieser Jesus wiederkäme – was fingen wir mit ihm an?“

Für jeden etwas dabei. Das Spektrum der Arbeitsgruppen des Stuttgarter Kirchentags vom 16. bis 20. Juli 1969 war kaum zu überbieten: Gottesfrage, Streit um Jesus, Kirche, Der Einzelne und die Anderen, Demokratie, Gerechtigkeit in einer revolutionären Welt, Tribunal zur Ermittlung des Glücks sowie Christen und Juden. Entsprechend die Prominenten: die Politiker Rainer Barzel, Helmut Schmidt, Wolfgang Mischnik, Hildegard Hamm-Brücher, Horst Ehmke und Erhard Eppler, die Soziologen und Politikwissenschaftler Eugen Kogon und Ralf Dahrendorf, die Psychoanalytiker Alexander und Margarete Mitscherlich, Schriftsteller Günter Grass, Präsident des Bundes der Steuerzahler Volkmar Muthesius, die Journalisten Thilo Koch, Leo Brawand und Gerhard Mauz und der Präsident des Deutschen Sportbundes Willi Daume. Generalsekretär Hans Hermann Walz versicherte: „Es wird auch Gottesdienst und Seelsorge geboten.“

Deutscher Evangelischer Kirchentag (DEKT), Lesung und Diskussion mit dem Schriftsteller Günter Grass, Stuttgart 16.–20. Juli 1969
Hans Lachmann, Schachtel Nr. 293: DEKT Stuttgart 1969

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Fahrscheine: Archivwürdig? Was macht man damit?

Was soll mit diesen Fahrscheinen geschehen?

In einem Sammelsurium, einer Art „Restekiste“ des geräumten Pfarrhauses in Horn fand sich ein Umschlag mit verschiedenen Pappfahrkarten, auch Billets genannt. Diese Fahrscheine gab es an einzelnen kleineren Bahnhöfen noch bis 1982. Diese Art der Fahrscheine wurde von dem Engländer Edmondson aus den ursprünglichen Zettelfahrscheinen entwickelt (Wikipedia: Edmondsonsche Fahrkarte). Die Fahrscheine wurden auf einem festen Karton gedruckt, mit Seriennummern versehen und die Entwertung konnte durch eine einfache Lochung oder eine Stempelung mit Datum entwertet werden. Durch ihr kleines Format von 30,5 x 57 mm konnten diese im Porte­mon­naie gut mitgenommen werden. Jetzt stellt sich die Frage, was macht man mit einem solchen Fund. In den Unterlagen fand sich kein Hinweis, warum der Pfarrer diese Fahrscheine aufgehoben hat. Hat er mit diesen Fahrscheinen selber Fahrten unternommen oder war es seine Frau oder ein Gemeindeglied?  Für mich als Archivar stellte sich die Frage: „Was soll mit diesen Fahrscheinen geschehen“? Sollen diese bei den Akten verbleiben oder nicht? Wie ich feststellen konnte, fanden sich keine Unterlagen, die Auskunft über die Verwendung der Fahrkarten gaben. Also bleibt normalerweise nur die Kassation oder aber die kostenlose Abgabe an einen Sammler oder ein Museum, das sich mit Eisenbahngeschichte beschäftigt.

„Für eine kleine Weile hatte die Menschheit ein gemeinsames Thema“

Vor 50 Jahren gelang die erste bemannte Mondlandung

Kommentar zur Mondlandung im WEG, Nr. 31/32, 03.-10.08.1969, von Hans-Wolfgang Heßler

Heute am 21. Juli 2019 jährt sich die legendäre Mondlandung der Apollo 11-Mission, bei der die beiden Astronauten Neil Armstrong und Edwin „Buzz“ Aldrin als erste Menschen den Mond betraten, zum 50. Mal.

Für den evangelischen Publizisten Hans-Wolfgang Heßler, der die Ereignisse für die Sommerausgabe der Kirchenzeitung Der WEG vom 3. August 1969 in nachdenklichen Tönen kommentierte, stand vor allem das verbindende Element im Vordergrund. Eine „Humanisierung der Verhältnisse auf dieser Erde“ könne daraus folgen.

 

Künstlerische Würdigung für Magdalene von Waldthausen

Im Zuge der vom Archiv der EKiR begleiteten Kunstaktion „Kirchenköpfe“ ist jetzt das Portrait von Magdalene von Waldthausen (1886-1972) der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Frau von Waldthausen war seit 1929 bis 1951 Vorsitzende der Rheinischen Frauenhilfe, die sie ab 1933 in den Konflikten mit dem NS-Regime und der offiziösen Reichskirche auf dem Kurs der Bekennenden Kirche hielt. Nach 1945 machte sie sich um die Sicherung des vollen kirchlichen Wahlrechtes für Frauen verdient.

Schöpfer des Portraits ist der Künstler Thomas Baumgärtel, auch als „Bananensprayer“ bekannt. Ein Audiobeitrag zur Biografie ist hier abrufbar.

„Der letzte Briefwechsel ist schon fast archivreif“

Bei der Recherche in dem Nachlass des Pfarrers Wolfgang Scherffig fiel mir in einer Akte mit Korrespondenz ein Begriff ins Auge, der in den Arbeitsalltag eines Archivars gehört, den ich aber nicht in einem Briefwechsel zweier Pfarrer vermutet hätte. Scherffig schreibt am 09.10.1957 an seinen Amtskollegen Pfarrer Lassek in Baruth/Mark in Brandenburg in der DDR:

Die Monate rollen uns unter den Händen fort und nach einiger Zeit stellen wir fest, dass der letzte Briefwechsel schon fast archivreif ist.

Ich finde es wirklich erstaunlich, dass Scherffig hier diesen Fachbegriff verwendet. Eine Umschreibung wie „unser letzter Briefwechsel liegt schon länger zurück“ wäre doch naheliegender gewesen? Wir können Pfarrer Scherffig heute nicht mehr fragen, aber immerhin könnte man ihm eine gewisse Weitsicht attestieren, denn – nicht nur – dieser Schriftwechsel Scherffigs wurde archivreif und ist auch archivwürdig und daher heute Bestandteil des Nachlasses 7NL 038 (Zitate aus Nr. 10). Weiterlesen

„Was man nicht aufgibt, hat man nie verloren.“ – Über mein Praktikum in der Archivstelle der evangelischen Kirche im Rheinland, Boppard

Die Archivare der Archivstelle Boppard mit Praktikantin Hannah Heckmann.

Mit diesem Satz des deutschen Dichters, Friedrich Schiller, möchte ich mein Praktikum abschließend zusammenfassen.

Die Archivstelle Boppard, zugehörig zum Landeskirchlichen Archiv in Düsseldorf, könnte romantischer nicht liegen, und wer nicht weiß, wo er suchen muss, würde in dem ehemaligen Franziskanerinnen-Kloster St. Martin, direkt am Bopparder Rheinufer, nie ein Archiv vermuten, gehören die Räumlichkeiten des 1803 im Zuge der Säkularisation aufgelösten Klosters heute doch der Stiftung Bethesda. Und diese Räumlichkeiten durfte ich neun herrliche Sommer-Wochen lang meinen Arbeitsplatz nennen.

Schon im Eingangsbereich schnuppert man historische Luft auf den ausgetretenen Stufen und dem Mosaikboden vor der Tür des Archivs im ersten Stock.

Das Archiv ist weder staubig noch dunkel. Alle Räume sind hell und mit hohen Regalen ausgestattet, um die Bestände bearbeiten zu können. Das Bild vom klischeebehafteten Archivar sucht man hier vergebens.
Die wahren Schätze finden sich hier im Magazin und der Bestandsbibliothek. Wer alte, handschriftliche Bücher mit schweren Ledereinbänden gesucht hat, wird möglicherweise hier fündig. Und hier findet sich auch ein wenig Staub auf den Buchseiten in den meterhohen Regalen.

Eine Besonderheit war für mich, dass ich mein eigenes Büro erhalten habe, was in Anbetracht der Arbeiten, die ich zu verrichten hatte, durchaus praktisch war. Denn Archivarbeit erfordert vor allem zwei Dinge: Platz und Licht.

In säurefreien Heftern(DIN EN ISO 9706) umgebettetes Schriftgut

Der erste Aufgabenbereich in meinem Praktikum waren die Bearbeitung des Bestandes der Kirchengemeinde Wirschweiler-Allenbach aus der Nachkriegszeit, für den ich auch ein Findbuch erstellen durfte und der heute wieder sicher in seiner Heimatgemeinde in metall- und säurefreien Papiermappen und –kartons liegt, damit das Papier über die kommende Aufbewahrungszeit keinen Schaden nimmt. Ich durfte hier sehr selbstständig arbeiten, hatte aber immer helfende Hände zur Verfügung.

 

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Neue Stelle im Archiv der EKiR ausgeschrieben

In unserem Archiv ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Stelle eines Archivars (w/m/d) zu besetzen. Es handelt sich um eine unbefristete Vollzeitstelle.

Die Bewerbungsfrist läuft bis zum 31. Juli 2019. Die vollständige Stellenausschreibung mit allen Informationen finden Sie auf den Portalen der Archivschule Marburg und bei Augias-Net.