Aus dem Homeoffice eines Archivars

Morgens direkt vom Bett zum Arbeitsplatz. Die Jogginghose einfach anlassen. Keine Bahn fahren und kein Fußweg im dunklen bis hin ins Büro. Für viele Arbeitnehmer eine Traumvorstellung. Seit heute ist dies erstmal auf unbestimmte Zeit die Realität, denn auf Grund des Corona-Virus befinden wir uns aus dem Archiv der Evangelischen Kirche alle im Homeoffice. Dies stellte uns zu Beginn doch vor einige Herausforderungen, denn was macht ein Archivar im Homeoffice? Okay, Literatur lesen, Emails beantworten, die Homepage und den Blog pflegen, dass geht so gerade noch. Aber mehrere Wochen damit füllen? Optimistisch. So entschieden wir uns kurzerhand dazu, unsere Bestände einfach mit nach Haus zu nehmen. An dieser Stelle ein paar Impressionen.

Tag 1 im Homeoffice

Auch die Fotodigitalisierung ist von Zuhause aus mit Scanner und Bildbearbeitungsprogrammen weiterhin umsetzbar. Und so kann man dann auch mal eben die Mittagspause auf dem Balkon verbringen oder sich zwischendurch einen Kaffee genehmigen.

Nichts desto trotz denke ich, spreche ich im Namen aller, wenn ich sage, dass ich froh bin, wenn der Betrieb im Archiv wieder fortgesetzt wird und man sich Face-to-Face mit den Kollegen austauschen und bei Fragen besprechen kann.

„Was man nicht aufgibt, hat man nie verloren.“ – Über mein Praktikum in der Archivstelle der evangelischen Kirche im Rheinland, Boppard

Die Archivare der Archivstelle Boppard mit Praktikantin Hannah Heckmann.

Mit diesem Satz des deutschen Dichters, Friedrich Schiller, möchte ich mein Praktikum abschließend zusammenfassen.

Die Archivstelle Boppard, zugehörig zum Landeskirchlichen Archiv in Düsseldorf, könnte romantischer nicht liegen, und wer nicht weiß, wo er suchen muss, würde in dem ehemaligen Franziskanerinnen-Kloster St. Martin, direkt am Bopparder Rheinufer, nie ein Archiv vermuten, gehören die Räumlichkeiten des 1803 im Zuge der Säkularisation aufgelösten Klosters heute doch der Stiftung Bethesda. Und diese Räumlichkeiten durfte ich neun herrliche Sommer-Wochen lang meinen Arbeitsplatz nennen.

Schon im Eingangsbereich schnuppert man historische Luft auf den ausgetretenen Stufen und dem Mosaikboden vor der Tür des Archivs im ersten Stock.

Das Archiv ist weder staubig noch dunkel. Alle Räume sind hell und mit hohen Regalen ausgestattet, um die Bestände bearbeiten zu können. Das Bild vom klischeebehafteten Archivar sucht man hier vergebens.
Die wahren Schätze finden sich hier im Magazin und der Bestandsbibliothek. Wer alte, handschriftliche Bücher mit schweren Ledereinbänden gesucht hat, wird möglicherweise hier fündig. Und hier findet sich auch ein wenig Staub auf den Buchseiten in den meterhohen Regalen.

Eine Besonderheit war für mich, dass ich mein eigenes Büro erhalten habe, was in Anbetracht der Arbeiten, die ich zu verrichten hatte, durchaus praktisch war. Denn Archivarbeit erfordert vor allem zwei Dinge: Platz und Licht.

In säurefreien Heftern(DIN EN ISO 9706) umgebettetes Schriftgut

Der erste Aufgabenbereich in meinem Praktikum waren die Bearbeitung des Bestandes der Kirchengemeinde Wirschweiler-Allenbach aus der Nachkriegszeit, für den ich auch ein Findbuch erstellen durfte und der heute wieder sicher in seiner Heimatgemeinde in metall- und säurefreien Papiermappen und –kartons liegt, damit das Papier über die kommende Aufbewahrungszeit keinen Schaden nimmt. Ich durfte hier sehr selbstständig arbeiten, hatte aber immer helfende Hände zur Verfügung.

 

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April Challenge #Archive30 – Tag 27: Best Tip

Behaupte mal einer, die Philosophie böte keinen praktischen Erkenntnisgewinn für die Bewältigung des Archivalltags! Unübertroffen ist hier Theodor W. Adorno mit seiner Aufforderung: „Wirf weg, damit du gewinnst.“ Ursprünglich als radikale Vernunftkritik gemeint, erleichtert dieser Tipp jede archivische Bewertungsentscheidung. Vorurteilsfrei an alte Zöpfe herangehen: Marie Kondo mit ihrem „Magic Cleaning“ ist da gar nicht so weit entfernt.

Nach Albert Camus wiederum kann das Absurde jeden beliebigen Archivar an jeder beliebigen Magazinecke anspringen (frei übersetzt). Hier hilft nur der zweite Tipp des französischen Autors: „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“

 

Archivische Standards: Ein Hinweis (nicht) in eigener Sache

Fachliche Standards und Normen  in der alltäglichen Archivarbeit bilden ja keinen Selbstzweck. Vielmehr tragen sie zu größerer Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Einheitlichkeit bei. Eine ausgezeichnete Zusammenstellung haben aktuell die Kolleginnen und Kollegen des Landeskirchlichen Archivs in Bielefeld online gestellt. Weiterlesen