Die Rheinische Provinzialsynode 1923

„Damit ist die dritte Lesung der K. O. (Kirchenordnung) beendigt. Der Präses stellt ohne Widerspruch fest, dass die K. O. in der nun beschlossenen Fassung genehmigt und damit die bedeutsame und langjährige Arbeit der Revision unserer K. O. zum Abschluss gekommen ist. Gott segne den Bau!“

Nein, es handelt sich hier nicht um einen Vorgriff auf den zu erwartenden Beschluss der 76. Rheinischen Landessynode, die am 15.1. -20.1. 2023 in Düsseldorf erstmals seit drei Jahren wieder live zusammentritt. Dabei soll sie u. a. die überarbeitete und kräftig verschlankte neue Kirchenordnung der EKiR verabschieden. Dieser Protokollauszug stammt vielmehr von der 37. Rheinischen Provinzialsynode, die sich Ende August 1923 in Barmen versammelt hatte. Was beschäftigte die 142 Synodalen (allesamt Männer) vor hundert Jahren sonst noch?

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Warum sind die rheinischen Superintendenten geborene Mitglieder der Landessynode?

Wenn vom 12. bis 16. Januar 2020 die 73. Rheinische Landessynode tagt, dann wird möglicherweise auch ein Thema zur Sprache kommen, das schon ein Jahr zuvor im Zusammenhang mit Überlegungen zur Verkleinerung der Landessynode die Gemüter bewegt hatte – die Frage nämlich, ob es gerechtfertigt ist, dass alle rheinischen Superintendenten qua Amt automatisch Mitglieder der Landessynode sind. Eine von der Kirchenleitung eingesetzte Arbeitsgruppe konnte keine theologische Begründung für diese Regelung finden und sah ihre Ursprünge „in der preußischen konsistorialen Verwaltung“. Doch ist dies tatsächlich so? Es ist reizvoll, dieser Thematik anhand der Protokolle der Rheinischen Provinzialsynoden des 19. Jahrhunderts nachzugehen.

Deckblatt und erste Seite des Protokolls der Provinzialsynode der Provinz Großherzogtum Niederrhein vom 20. bis 26. April 1819. Da im Kirchenkreis Saarbrücken damals drei Superintendenten amtierten und im Kirchenkreis Kreuznach zwei, wurden aus diesen Kirchenkreisen keine weiteren Pfarrer zur Synode zuzgezogen. Die Kirchenkreise Trarbach, Sobernheim, Wied, Koblenz, Aachen, Altenkirchen, Braunfels, Wetzlar und Simmern waren mit dem Superintendenten und je einem weiteren Pfarrer vertreten. (AEKR Boppard, Bestand Kirchenkreis Koblenz, Reg.-Nr. 06-1-2)

1817 hatte der preußische König in allen Provinzen die Einberufung von Provinzialsynoden angeordnet. Auch in den damals noch zwei rheinischen Provinzen Jülich-Kleve-Berg und Großherzogtum Niederrhein traten daraufhin im November 1818 bzw. im April 1819 Provinzialsynoden zusammen, die freilich nur aus den vom König ernannten Superintendenten und einer weiteren Anzahl von Pfarrern, nicht jedoch aus Laienvertretern bestanden. Diese Zusammensetzung entsprach allerdings in keiner Weise der presbyterial-synodalen Tradition von Rheinland und Westfalen, in der das Prinzip der gemeinschaftlichen Beratungen von Theologen und Nichttheologen sowie das Wahlprinzip einen hohen Stellenwert hatten.

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„Die Bahnverbindungen sind nicht günstig“. Die Landessynode tagte 1950 in Velbert unter schwierigen Bedingungen

Bis zum 11. Januar 2019  tagte in Bad Neuenahr die 71. ordentliche Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland. Die Plenarsitzungen fanden im Dorint Parkhotel statt, dort und in anderen Hotels waren die Mitglieder der Synode auch untergebracht. Die Anreise erfolgte im eigenen PKW oder mit dem im Takt verkehrenden Zug.

Unter ganz anderen Bedingungen kam die 2. ordentliche Tagung der Landessynode vom 12. bis 18. November 1950 in Velbert, südlich von Essen gelegen, zusammen. In dieser Stadt hatten auch die letzte Provinzialsynode 1946 und die erste Landessynde der EKiR 1948 stattgefunden. Tagungsort war – wie in den Vorjahren – der große Saal des Bürgerhauses. Dieses Gebäude aus dem Jahr 1910 hatte den Zweiten Weltkrieg ohne Schäden überstanden.

Quelle: Velbert Wiki (CC-BY), Das Bürgerhaus Velbert, früher auch „Bürger-Vereinshaus“ genannt, ist ein 1910 eröffnetes Gebäude in Velbert Mitte. Es steht unter Denkmalschutz.

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Rauhe Sitten

Sitzungsberichte der Convente der Reformierten Klever Classis von 1671 bis 1719, bearb. v. H. Kleinholz u. M. Knieriem

Sitzungsberichte der Convente der Reformierten Klever Classis von 1671 bis 1719, bearb. v. H. Kleinholz u. M. Knieriem

Ganz selten findet man in den Protokollen der Kirchenkreissynoden wie hier in dem Sitzungsbericht der Konvente der Reformierten Klever Classis [Kirchenkreis] vom 12. und 13. April 1695 auch eine Beschwerde über den Patron einer Kirchengemeinde. Hier beklagt sich der reformierte Prediger Heinrich Esch über die Handgreiflichkeiten seitens des Patrons der Kirchengemeinde Mörmter, den Freiherrn zu Mörmter, Wilhelm Stephan von Quadt vor der Synode.

Die Protokollanten schrieben nach Gehör beziehungsweise im damaligen niederdeutschen Dialekt, dabei kam es Ihnen auch nicht auf die Genauigkeit der einzelnen Buchstaben eines Wortes an. Eine Rechtschreibung oder Grammatik, wie der Leser sie heute kennt, gab es auch nicht.

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Beim Geld hört die Freundschaft auf: Der Konflikt um die Verteilung der holländischen Liebesgaben in der Synode Jülich vor 250 Jahren

Nachrichten über die Liebesgaben aus Holland für die Prediger und Schulmeister im Jülichschen 1765, aus Bestand: AEKR Düsseldorf 1 OB 020 (Provinzialkirchenarchiv), 94;

Nachrichten über die Liebesgaben aus Holland für die Prediger und Schulmeister im Jülichschen 1765, aus Bestand: AEKR Düsseldorf 1 OB 020 (Provinzialkirchenarchiv), 94;

Pecunia nervus rerum, auch und gerade in der Kirche. So erhielten die reformierten Kirchengemeinden im Herzogtum Jülich im 17. und 18. Jahrhundert jährliche Hilfsgelder aus den wohlhabenden Generalstaaten. Die Solidarität der Niederländer mit den bedrängten Glaubensgenossen ist umso höher zu veranschlagen, als sie selbst in eigenen Notzeiten, etwa während der Kriege mit Ludwig XIV., durchgehalten wurde. Diese „Liefdegiften“ (Liebesgaben) wurden sorgfältig bis auf den letzten Stüber abgerechnet (s. Abb.) und dann anlässlich der Jülicher Provinzialsynode an besonders bedürftige Gemeinden verteilt. 1766 standen so 1068 Gulden zur Verfügung, die umgerechnet 676 Kronentalern entsprachen. Anfang Mai entspann sich aber auf der Synode in Jüchen ein Konflikt um deren gerechte Verteilung. Weiterlesen

„Greift nun zu den Pokalen – lebt wohl, ihr Synodalen!“

Das lyrische Erbe der 27. Rheinischen Provinzialsynode

Die erste und die letzte Seite des humoristischen Mitgliederverzeichnisses der Rheinischen Synode von 1905 in Gedichtform aus der Feder von Pfarrer Friedrich Bingel (Weiler/Nahe); Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland;

Die erste und die letzte Seite des humoristischen Mitgliederverzeichnisses der Rheinischen Synode von 1905 in Gedichtform aus der Feder von Pfarrer Friedrich Bingel (Weiler/Nahe); Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland (Boppard);

Rheinische Synoden können bisweilen recht trockene Veranstaltungen sein. In der Zeit vor dem ersten Weltkrieg war man aber immerhin bemüht, wenigstens zum Schluss der damals in der Regel zwei bis drei Wochen dauernden Tagungen den Synodalen, die vom großen Arbeitspensum meist ziemlich erschöpft waren, ein wenig Geselligkeit zu bieten – in Gestalt eines feierlichen Abschiedsessens.

Am Ende der Rheinischen Provinzialsynode des Jahres 1905 gab es zu diesem festlichen Mahl noch ein ganz besonderes Dessert: einen Gedichtvortrag von Pfarrer Friedrich Bingel aus Weiler an der Nahe, der mit launigen Versen sämtlicher anwesender Synodaler gedachte und dabei zwischen den Zeilen auch auf manch menschliches- allzumenschliches aus dem Leben der rheinischen Kirche anspielte. Völlig uneigennützig hatte der dichtende Theologe seine lyrische Ader freilich nicht angezapft: Die Übersendung der Druckfassung seines Werks an die synodalen Amtsbrüder verband er mit der Bitte um eine Spende für den örtlichen Pfarrhausbau – ein frühes Beispiel für fantasievolles Fundraising.

Inflation 1923: Milliarden für die Besoldung der Pfarrer

Hier soll ein Schreiben des Pfarrers und Superintendenten Walter Wolff aus Aachen – in seiner Funktion als Präses der Rheinischen Provinzialsynode – vom 2. Oktober 1923 an Pfarrer Wilhelm Menn vorgestellt werden. Menn war Pfarrer der kleinen Kirchengemeinde Remlingrade bei Remscheid und seit 1922 im Nebenamt der erste Sozialpfarrer der rheinischen Kirchenprovinz. In dieser Funktion sollte er sozialethische Themen bearbeiten und die Kirche in den Gremien der Arbeitswelt vertreten.

Gehaltsinflation, Schreiben Präses Wolff an Pfarrer Wilhelm Gustav Menn, aus Bestand: AEKR Düsseldorf 6HA 008 (Handakten Wilhelm Menn), Sig. 1;

Gehaltsinflation, Schreiben Präses Wolff an Pfarrer Wilhelm Gustav Menn, aus Bestand: AEKR Düsseldorf 6HA 008 (Handakten Wilhelm Menn), Sig. 1;

In dem Schreiben geht es um die Gehaltszahlung für die Pfarrer und die Spesen für Menn – unter den erschwerten Bedingungen der gewaltigen Inflation, die Deutschland erfasst hatte. Anschaulich macht die ungeheure Geldentwertung die Entwicklung des Briefportos 1923 (Quelle: Wikipedia): 31.01.: 50 Mark,
26.06.: 100 Mark,
08.08.: 1.000 Mark,
07.09.: 75.000 Mark,
03.10.: 2 Mio. Mark,
22.10.: 10 Mio. Mark,
03.11.: 100 Mio. Mark,
09.11.: 1 Mrd. Mark. Bei der Währungsreform am 15.11.1923 betrug das Porto 10 Mrd. Mark, die einem Reichspfennig entsprachen. Der Dollarkurs in Mark war 1923 von 49.000 bis auf 4,2 Billionen Mark gestiegen, die am 15.11. 4,20 Reichsmark entsprachen. Weiterlesen