Bauprojekt mit Hindernissen: Der lange Weg zu einer neuen evangelischen Kirche in Oberstein

Dass Bauprojekte sich verzögern, ist nicht ungewöhnlich. In Oberstein aber vergingen von der Planung bis zur Errichtung einer neuen evangelischen Kirche sogar mehr als 200 Jahre. Der bemerkenswerte Vorgang hat im Archiv der Kirchengemeinde seinen Niederschlag gefunden:

Oberstein mit der Felsenkirche, aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 119B Oberstein

Schon 1742 gab es erste Überlegungen zu einem Neubau. Zwar verfügte die evangelische Gemeinde mit der 1482/84 in einer Höhle oberhalb der Stadt errichteten Felsenkirche über ein ebenso einmaliges wie beeindruckendes Gotteshaus und Wahrzeichen von Oberstein. Aufgrund ihrer exponierten Lage wurde die Kirche jedoch immer wieder von Steinschlägen getroffen – im Dezember 1742 so schwer, dass man es seitens der gräflichen Regierung nicht mehr für angemessen hielt, sie wieder aufzubauen. Vielmehr wurde „an deren Hof zu Heidesheim zuerst der Gedanke, eine Kirche in das Tal der Stadt Oberstein zu bauen und dafür Mittel zu beschaffen, ausgesprochen“, so zu lesen in den Statuten der 1878 gegründeten Obersteiner Elisabeth-Stiftung, von der noch die Rede sein wird. Graf Christian Karl Reinhard von Leiningen-Dagsburg-Falkenburg ordnete an, das noch brauchbare Inventar aus der Felsenkirche zu bergen und ließ Kollektanten umherreisen, um Geld für den geplanten Neubau zu sammeln. Dieser sollte hinter dem alten Pfarrhaus am Marktplatz entstehen. Da die Kollekten nur spärlich flossen und sich zudem bald herausstellte, dass eine Reparatur der Felsenkirche deutlich günstiger wäre, wich Graf Christian nur ein Jahr nach dem Felssturz von den Neubauplänen ab und verfügte nunmehr doch die Instandsetzung der alten Kirche.

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carpe diem! Die Online-Ausstellung zur Evangelischen Bühnengilde Koblenz

Vor einiger Zeit berichteten wir in unserem Blog über Archivare im Homeoffice. Fernab von Magazinen und der vertrauten Umgebung im Archiv ergeben sich dennoch viele Aufgabenfelder, insbesondere im digitalen Bereich, welche die Bandbreite der archivarischen Tätigkeiten skizzieren. Hier möchten wir noch einmal auf die Ausstellung zur Evangelischen Bühnengilde Koblenz hinweisen. Nicht nur der Link zur Ausstellung verbirgt sich dahinter, auch die Kuratorin der Ausstellung Archivarin Maike Schwaffertz schildert ein kurzes „Making of in special times“. Viel Spaß beim digitalen Ausstellungsbesuch.

Fotodigitalisierung im Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland

Unser Bildarchiv umfasst eine Vielzahl von Abbildungen, die zum Teil digitalisiert und mit Metadaten versehen sind und auf die Sie über Datenbanken und Kataloge zugreifen können. Dennoch ist der Großteil unserer Fotosammlung noch nicht digital abrufbar.

Die Corona-Krise hat uns aktuell dazu veranlasst den Prozess der Bilddigitalisierung im Homeoffice gleich mit mehreren Mitarbeitern voran zu treiben und Arbeitsprozesse zu überdenken und zu optimieren. Unsere Fotos befinden sich verteilt in drei Magazinräumen. Wir haben uns dazu entschieden, den Fotobestand im Keller 33 zunächst fortzusetzen. Hier befindet sich die Fotosammlung des Fotografen Hans Lachmann mit einer Unmenge an Bildmaterial, verpackt in Schachteln und alphabetisch nach Themen sortiert. Hinzu kommt, dass das Archiv die Verwertungsrechte an diesem Bestand besitzt und die Veröffentlichung der Bilder somit rechtlich gesehen unkompliziert ist.

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Hygiene in der Schule – nicht erst seit der Corona-Pandemie

Anweisung der Königlichen Regierung zu Düsseldorf für die Lehrerschaft und die Schulverwaltungen über Schulgesundheitspflege; Amtliches Schulblatt für den Regierungsbezirk Düsseldorf ; [9,] Beil

Mir lag beim Katalogisieren ein Heft vor mit dem Titel „Anweisung der Königlichen Regierung zu Düsseldorf für die Lehrerschaft und die Schulverwaltungen über Schulgesundheitspflege“ aus dem Jahr 1916. Schulen war vor gut 100 Jahren noch mehr als heute ein Betätigungsfeld der Kirche, gab es doch zahlreiche konfessionelle Elementarschulen. Das Thema „Hygiene“ ist ja gerade wegen der Maßnahmen gegen die Verbreitung der Covid 19-Viren hoch aktuell.

Das Vorwort beginnt unerwartet emotional: „Körperliche Entartung und sittliche Verwilderung der Völker gehen Hand in Hand. Das lehrt ein Blick in die Geschichte, besonders die des alten Roms, das dem jugendfrischen, kraftvollen Germanentum unterlag. Deswegen sollen auch die Pflegestätten des Geistes und des Herzens, die Schulen, nicht minder solche des Körpers sein.“

Der Text ist in die drei Hauptabschnitte gegliedert

  • A. Gesundheitsmäßige Unterhaltung und Benutzung der Räume und Einrichtungen der Schule
  • B. Gesundheitliche Anforderungen an die Lehr- und Lernmittel und an die Verteilung der Unterrichtsstunden
  • C. Überwachung des Gesundheitszustandes der Schulkinder.

„Reinlichkeit ist die erste Regel der Gesundheitspflege“ klingt wie eine Überschrift, ist aber der erste Satz des Punktes 1) über den Zugang zur Schule und die Frage des Straßenschmutzes.

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Neuer Service des Archivs der Ev. Kirche im Rheinland!

AEKR – 1OB 020 Privinzialkirchenarchiv – Nr. 152

Das Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland bietet auf ihrer Website einen neuen Service an, mit dem es einen Beitrag zur Forschung leisten will. Fortan werden in loser Folge Quellentexte zur Rheinischen Kirchengeschichte online gestellt, die als PDF kostenfrei heruntergeladen werden können. Bei diesen Texten handelt es sich um transkribierte Versionen bisher unedierter Quellen aus dem Archiv. Die Quellen selber weisen thematisch eine weite Bandbreite auf. So ist von den Protokollen reformierter Konvente des 17. Jahrhunderts hin zu Reisetagebüchern oder autobiografischen Zeugnissen alles vertreten.

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Europaatlas und Tageszeitung

In den Jahren 1937-1938 waren auf den Quittungen der Kölner Tageszeitung „Der Neue Tag“ Landkarten abgedruckt. Diese konnten in den Sammelatlas der Zeitung eingeklebt werden. Dieser enthielt 16 Seiten und konnte für 40 Pfennig beim Austräger der Zeitung erworben werden. In der Anzeige steht weiter, das man sich zugleich ein billiges Nachschlagewerk für den täglichen Gebrauch erwirbt. Die Landkarten haben eine Größe von B: 11 cm und L: 17 cm. Auf der abgebildeten Karte kann man zum Teil die linksrheinischen Gebiete unserer Landeskirche sehen wie Duisburg, Düsseldorf oder Trier. Die Karten finden sich in der unter der Signatur 8SL 050 im Archiv der Evangelischen Karte im Rheinland.

Landkartenausschnitt aus Kölner Tageszeitung „Der Neue Tag“, 1937-1938, Bestand: AEKR 8SL 050(Karten)

„In Absicht deren Furchtbringung“: Ein lutherischer Inspektor kämpft 1780 gegen die Abendmahlsverächter

Ähnlich wie auf dem Kupferstich lauschte 1780 zu Volberg die lutherische Generalsynode von Jülich-Berg ihrem Inspektor, dem Radevormwalder Pfarrer Johann Theodor Westhoff (1724-1797). Zunächst wohl eher im entspannten kirchlichen Gremienmodus, kam unter TOP 4 Erregung auf. Im Protokoll heißt es noch recht knapp und verklausuliert:

Kupferstich: Synodentagung in der Nieuwe Kerk in Amsterdam 1730

„Da Seiner Churfürstlichen Durchlaucht auf die unterthänigste Vorstellung wegen der Kirchen und Abendmahls Verächter, dass in Absicht deren Furchtbringung denen Beamten mögte befohlen werden, denen Predigern nach dem Weselschen Recess das brachium seculare zu leisten, ein gnädiges Circulare an sämtliche Beamten in Jülich und Berg, dieses zu rescribieren, davon den nötigen Gebrauch in den Gemeinen zu machen, so ist ein öffentliches proclama angefertiget, und den Herren Assessores der Classen mitgetheilet, selbiges an die Herren Pastores ihrer Classe zu besorgen, mit dem Befehl, dass sie solches Dominica 12. post Trinitatem von ihren Kanzeln verkündigen sollen.“

Die fragliche Proklamation hatte Westhoff noch auf der Synode verfasst und gab sie den Amtsbrüdern zur Abkündigung mit nach Hause. Mitten im Siècle des Lumières bemühte also ein lutherischer Geistlicher die katholische Obrigkeit von Jülich-Berg um harte Sanktionen gegen saumselige Kirchgänger, die bis zu Leibstrafen und Landesverweisung reichen konnten.

Riesbecks Biograf Johann Pezzl (1756–1823), Schattenriss.

Hatte dies schon aufgeklärte Theologen wie Johannes Löh befremdet, so nahm sich die zeitgenössische literarische Kritik des Themas geradezu mit Inbrunst an. 1783 widmete der junge österreichische Autor Johann Pezzl (1756-1823) Inspektor Westhoff ein ganzes Kapitel in seinem Roman „Faustin oder das philosophische Jahrhundert:

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