„In Absicht deren Furchtbringung“: Ein lutherischer Inspektor kämpft 1780 gegen die Abendmahlsverächter

Ähnlich wie auf dem Kupferstich lauschte 1780 zu Volberg die lutherische Generalsynode von Jülich-Berg ihrem Inspektor, dem Radevormwalder Pfarrer Johann Theodor Westhoff (1724-1797). Zunächst wohl eher im entspannten kirchlichen Gremienmodus, kam unter TOP 4 Erregung auf. Im Protokoll heißt es noch recht knapp und verklausuliert:

Kupferstich: Synodentagung in der Nieuwe Kerk in Amsterdam 1730

„Da Seiner Churfürstlichen Durchlaucht auf die unterthänigste Vorstellung wegen der Kirchen und Abendmahls Verächter, dass in Absicht deren Furchtbringung denen Beamten mögte befohlen werden, denen Predigern nach dem Weselschen Recess das brachium seculare zu leisten, ein gnädiges Circulare an sämtliche Beamten in Jülich und Berg, dieses zu rescribieren, davon den nötigen Gebrauch in den Gemeinen zu machen, so ist ein öffentliches proclama angefertiget, und den Herren Assessores der Classen mitgetheilet, selbiges an die Herren Pastores ihrer Classe zu besorgen, mit dem Befehl, dass sie solches Dominica 12. post Trinitatem von ihren Kanzeln verkündigen sollen.“

Die fragliche Proklamation hatte Westhoff noch auf der Synode verfasst und gab sie den Amtsbrüdern zur Abkündigung mit nach Hause. Mitten im Siècle des Lumières bemühte also ein lutherischer Geistlicher die katholische Obrigkeit von Jülich-Berg um harte Sanktionen gegen saumselige Kirchgänger, die bis zu Leibstrafen und Landesverweisung reichen konnten.

Riesbecks Biograf Johann Pezzl (1756–1823), Schattenriss.

Hatte dies schon aufgeklärte Theologen wie Johannes Löh befremdet, so nahm sich die zeitgenössische literarische Kritik des Themas geradezu mit Inbrunst an. 1783 widmete der junge österreichische Autor Johann Pezzl (1756-1823) Inspektor Westhoff ein ganzes Kapitel in seinem Roman „Faustin oder das philosophische Jahrhundert:

Faustin … war jetzt zu sehr in seiner Liebe und sein Mädchen versenkt, als dass er noch für irgendetwas anderes auf der Welt Sinn und Gedanke hätte offen behalten können. Nur ein sogar abscheulicher Schuft von einem Pfaffen, wie der lutherische Inspektor Westhoff mit seinem Proklama, machte, dass herzfressender Ärger über den noch allenthalben rasenden Verfolgungsgeist Faustins Liebe auf einige Zeit unterdrückte und mitleidiges Staunen über die gepriesene Toleranz und Aufklärung unserer Zeiten in ihm erweckte. Bisher hatte er geglaubt, nur im Schoß der Römischen Kirche gebe es Torquemadas und geistliche Liktoren, jetzt ward er aber eines anderen überzeugt.

Man kennt das Proklama der Synode von Volberg, welches allen Pastoren im Herzogtum Jülich und Berg auf die Seele legt, sich weder durch Menschenfurcht noch Menschengefälligkeit abhalten zu lassen, gegen alle, die nicht ordentlich zur Kirche und Abendmahl gehen würden, ihr Strafamt zu gebrauchen, welches nach einer schönen im Geiste des Evangeliums fabrizierten Stufenleiter darin besteht: Erst werden die Nachtmahlsversäumer an Geld gestraft; weiters werden sie von allen kirchlichen Bedienungen abgesetzt. Dann werden sie von der christlichen Gemeinde mit Namen und Zunamen von öffentlicher Kanzel ausgeschlossen, und von dieser für Heiden und Zöllner gehalten: Sterben sie in solcher Zeit, so kommen sie in kein ehrliches Begräbnis. Wer dieses alles nicht achtet, soll dem Kurfürst angezeigt, und als ein gefährliches und unnützes Glied des Staats von demselben mit Leibesstrafe und Landesverweisung belegt werden.

Westhoff, dem es um seine Beichtgroschen zu tun war, und der sich höchlich ärgerte, dass an seinen elenden Predigten niemand Geschmack finden wollte, hatte an den Kurfürst eine Bittschrift eingegeben, und darin gar jämmerlich getan, dass die Leute nicht alle Wochen zur Beicht und Abendmahl kämen; hatte geklagt, dass er die versteckten Sünder ohne das Brachium saeculare nicht zur Kirche hinein bringen könne: Darum erbat er sich von seinem Landesvater Beamte, Schergen und Dragoner, um seine evangelische Herde mit Stockprügeln und Flintenkolben in den Schafstall Christi zu treiben; welches ihm auch alles bewilligt ward, und deswegen an die dasigen Beamten ein Rescript erlassen, dass sie auf den ersten Notschuss jedes ehrwürdigen Pastors sogleich, ohne Rücksicht, ob wohl oder übel zensuriert sei, herbeieilen und die evangelische Treibjagd nach allen Kräften sekundieren sollten.

Lange sann Faustin über diese Sache nach; dachte bald an die zwei Graduierten in Wansthausen, an die Prälaten und Exjesuiten in München, an die Kirchenväter von Trient, an die Kapuziner in Padua, den Abbate in Loretto, an die Kongregation des Index in Rom, den Kardinal Branciforte, den Pater Osma, den Kristoph mit der eisernen Stirn, an Speyer, Mainz und Koblenz, an Pater Schufft und Westhoff, und konnte doch nicht herausfinden, wer aus ihnen allen der verachtungswürdigste Schuft wäre. – Endlich erkannte er dem evangelischen Büttel Westhoff die erste Stelle unter den christlichen Pharisäern zu und betete eines der feurigsten Stoßgebete an den Genius der Duldung, er möchte aus seiner Schale der Liebe einige Tropfen in die Kieselherzen der hohen und niederen Geistlichkeit aller drei Sekten der Pfalz ausgießen, damit sie nicht länger unser Vaterland und Jahrhundert durch dergleichen hässliche fanatische Auftritte schänden.

(Johann Pezzl: Faustin oder das philosophische Jahrhundert, Kap. 28)

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