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So ist eine statistische Übersicht aus dem Jahr 1946 betitelt, die alle 731 damaligen Gemeindepfarrer der rheinischen Provinzialkirche nach ihrem Lebensalter aufschlüsselt.
Auffällig sind dabei die überproportional stark vertretenen Geburtsjahrgänge 1901 und 1909. Insgesamt errechnet sich so ein Durchschnittsalter von 47,5 Jahren. Damals galt für Pfarrer noch die Regelaltersgrenze von 70 Jahren, die erst 1980 analog zu den beamtenrechtlichen Vorgaben auf 65 Jahre abgesenkt wurde. Auch zuvor konnten Pfarrer aber ab dem 65. Lebensjahr auf eigenen Antrag in den Ruhestand gehen.
Es liegt nahe, den damaligen Befund einer kritischen „Überalterung“ einfach mal unkommentiert mit der heutigen Altersstruktur der rheinischen Pfarrerinnen und Pfarrer in der EKiR zu vergleichen: Zum Stichtag 1.10.2023 waren im Gemeindedienst 1072 Pfarrstellen besetzt. Die Amtsinhaber sind im Durchschnitt 56 Jahre alt. Hinzu kommen 614 Funktionspfarrstellen etwa für Krankenhausseelsorge, Evangelischen Religionsunterricht oder JVA-Seelsorge, die 1946 noch deutlich geringer vertreten waren. Hier liegt der Altersdurchschnitt bei 57 Jahren.
In einer Mappe unseres Konsistoriumsbestandes befinden sich statistische Übersichten aus der unmittelbaren Nachkriegszeit 1945/46. In einer kleinen Serie von Beiträgen sollen hier im Blog einige der damaligen Themen vorgestellt werden. Den Start markieren drei zeichnerische Kompositionen zu den Folgen des Zweiten Weltkrieges für die damalige rheinische Provinzialkirche.
Bei dieser Übersicht wird der hohe Mobilisierungsgrad deutlich, dem vor allem die jüngeren evangelischen Theologen unterworfen waren. Nahezu alle ordinierten Hilfsprediger und noch nicht ordinierte Vikare wurden einberufen. Von diesen beiden Gruppen, die entweder an vorderster Front oder im frontnahen Sanitätsbereich eingesetzt wurden, ist jeder Vierte gefallen (79 von 327). Von den aktiven Gemeindepfarrern, die altersbedingt „nur“ zu 45 % mobilisiert wurden, sind weitere 37 Männer dem Krieg zum Opfer gefallen, teilweise durch Luftangriffe auf ihre Kirchengemeinden.
Ein weiteres Blatt widmet sich den daraus resultierenden Schäden an Gebäuden der Inneren Mission in der Nordrheinprovinz. Unter dieser ist der Landesteil Rheinland des heutigen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen zu verstehen. Von den 190 Heimen und Einrichtungen wurden demnach fast zwei Drittel zerstört oder schwer beschädigt. Zeichnungen veranschaulichen dabei den unterschiedlichen Zerstörungsgrad.
„Im Übrigen war es eine große Freude für mich, nach all dem hypermodernen Kitsch, den man jetzt allenthalben zu sehen bekommt, in diesen alten Formen wieder einmal gesunde Schönheit beobachten zu können. Ich möchte hoffen, dass das Museum Wirklichkeit wird.“ Arno Eugen Fritsche, der Leiter des provinzialkirchlichen Bauamtes, lässt seinen Ressentiments gegenüber Bauhaus und Neuer Sachlichkeit freien Lauf, als er im Oktober 1927 den Kapitelsaal des ehemaligen Kartäuserklosters in Köln besichtigt.
Diesen sollte er im Auftrag des rheinischen Präses Walther Wolff auf seine Eignung für ein geplantes provinzialkirchliches Museum überprüfen. Hintergrund dieses Vorhabens war die große „Jahrtausend-Ausstellung der Rheinlande“, die im Sommer 1925 in den Kölner Messehallen stattgefunden hatte.
Raum 12 war dabei der Evangelischen Kirche gewidmet, die Räume 13-14 präsentierten die verschiedenen Arbeitsfelder der Inneren Mission. In einem Fotoalbum des damaligen rheinischen Generalsuperintendenten Karl Klingemann sind Aufnahmen der Ausstellungsräume überliefert:
„Inter arma silent musae,“ im Kriege schweigen die Künste. Diese Sentenz trifft leider allzu oft zu. Umso mutiger war 1643, mitten im Dreißigjährigen Krieg, der Beschluss der Bergischen Provinzialsynode, eine eigene Bibliothek in Düsseldorf einzurichten. Ihr Bestand rekrutierte sich aus Schenkungen der Prediger, wohlhabender Bürger sowie ausscheidender Mitglieder des Presbyteriums. Im Archiv erhalten ist das kleine Quartbändchen des Zugangsregisters. So wohlausgestattet wie die hier abgebildete Universitätsbibliothek von Leiden um das Jahr 1600 dürfen wir uns das Düsseldorfer Bücherdepot nicht vorstellen. Die auf dem Kupferstich dokumentierte Ankettung der Bücher war damals üblich und der menschlichen Natur geschuldet.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts geriet die Düsseldorfer Bibliothek gänzlich in Vergessenheit und wurde erst 1849 auf dem Speicher des Küsterhauses zufällig wiederentdeckt. Bis 1890 erfolgten weitere Buchspenden und Ankäufe. 1933 wurde der Bestand an die damalige Landes- und Stadtbibliothek Düsseldorf übergeben. In der heutigen ULB werden die ca. 2.600 Bände als eigener historischer Bestand „Bibliothek der Evangelischen Gemeinde zu Düsseldorf“ mit der Signatur EVG verwahrt. Immerhin 156 z. T. mehrbändige Titel stammen dabei aus dem 16. Jahrhundert, 250 Titel aus dem 17. Jahrhundert. Betrachten wir einige Titel der Sammlung genauer.
Heute vor 100 Jahren sinniert Pfarrer Rudolf Harney (1880-1965) in der „Zeitschau“ des von ihm redigierten Düsseldorfer Sonntagsblattes über ganz profane Alltagserfahrungen nach. Er hat erlebt, wie nach dem harten Währungsschnitt vom 15. November 1923 wieder Lebensmittel und Waren in die Auslagen zurückkehren. Harney kann es nicht wissen, aber er wird in seinem Leben diese Erfahrung wiederholen: Ein Vierteljahrhundert später ist die deutsche Reichsmark wiederum wertlos geworden und mit der Währungsreform vom 20. Juni 1948 kehren quasi über Nacht lange nur im Schwarzhandel erhältliche Waren in die Geschäfte zurück.
Das ökonomische Verständnis gerade des von der Hyperinflation fast enteigneten deutschen Mittelstandes darf nicht überschätzt werden und Pfarrer Harney ist hier ein zeittypisches Beispiel. Dunkel raunt er von „spekulativen Börsenmanövern“, die die Reichsmark zusätzlich entwertet hätten. Die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge, vorrangig die bis 1918 über Anleihen finanzierten immensen Kriegskosten sowie der letztlich über die Druckerpresse finanzierte sogenannte Ruhrkampf 1923, blendet Harney bewusst oder unbewusst aus:
Zeitschau.
Wir leben in der Zeit der Überraschungen. Vor wenigen Tagen, wenigen Wochen war in Düsseldorf kein Fetzchen Margarine zu fin- den. Stundenlang jagten die Hausfrauen umher, um schließlich ent- mutigt und dem Weinen nah, mit leeren Händen heimzukehren. In der Tasche hatten sie Papiergeld, das von Stunde zu Stunde an Wert verlor. Es war nicht zu ändern. Erwerbslose, aufgepeitscht von dunklen Ehrenmännern, rotteten sich zusammen, schlugen Fenster ein, raubten Lebensmittellager aus und trugen den Schrecken in die Bür- gerschaft. Da rief es von allen Seiten: Düsseldorf steht vor der Hungersnot. Und der Dollar kletterte immer höher, als wollte er den Mount Everest besteigen, und die Papiermark lag im Sterben. Da – plötzlich, ein Wunder geschah. Der Dollar, dieser kleine Schä- ker, machte plötzlich kehrt und ging zu Tal. Die Papiermark erholte sich, weil man ihr -es ist nicht zu fassen- in Berlin mit dem Stilllegen der Notenpresse den Lebensfaden abschnitt. Die Gehalts- zahlungen kamen ins Stocken, das Geld wurde rarer. Siehe, da sanken die Preise, und auf dem Markt und in den Geschäften häuften sich die Lebensmittel. Was habe ich heute für Berge von Butter, Speck, Fett und Schinken gesehen! Woher nun plötzlich dieser Reich- tum? Wie kommt es, dass auf dem Markt das längst verstummte süße Locken wieder ertönt: Ach, nehmen Sie doch diese Büchse Corned-Beef noch mit!? Wie kommt es, dass in Berlin ein Warenhaus 20 Prozent Rabatt gibt, wenn in Papiergeld gezahlt wird? Wo war denn alle die Ware, als wir vor Wochen Papiergeld genug in der Hand hatten, um kaufen zu können? Haben die Heinzelmännchen das alles in einer Nacht zu uns gebracht, um uns zu zeigen, wie schön es wäre, wenn wir noch das Geld des vorigen Monats in Händen hätten, denn dann könnten wir kaufen! Neulich konnten wir für 4 Billionen nicht bekommen, was jetzt für 2 und weniger im Überfluss vorhanden zu sein scheint. Wer erklärt uns dieses Naturwunder? Ich wäre für Aufklärung sehr dankbar; denn wir denken nicht gern etwas Böses von unseren lieben Nächsten. Gewiss haben die Heinzelmännchen oder der Nikolaus das geschafft.
Ob dieser Zustand anhalten wird? Ich fürchte nein; denn in un- serer Lage hat sich nichts geändert. Wenn nur der Dollar nicht wieder das Klettern anfängt und alle Lebensmittel als Proviant auf die Hochgebirgstour mitnimmt. Ich traue dem Racker solche kleine Bos- heiten zu. Das Unternehmen, die Mark zu festigen, hat einen hero- ischen Zug, aber kann es gelingen? Wir haben noch keine internationale Anleihe, und auch sonst ist der auf uns lastende Druck nicht vermindert, aber freilich, eines entzieht sich unserer Kenntnis, das ist die Be- urteilung, wie weit die Mark tatsächlich innerlich entwertet ist und wie weit sie nur durch spekulative Börsenmanöver gedrückt worden ist. Dass letzteres auch mitspielt, unterliegt keinem Zweifel.
Bei diesem Schriftstück handelt es sich vom Genre her zunächst einmal um eine banale Quittung. Sie wurde 1590 in Frankfurt/Main in französischer Sprache ausgestellt und es geht um eine Kollekte aus Aachen („Aix“). Stutzig macht aber bereits der klangvolle italienische Name des Ausstellers und bei näherer Betrachtung erschließen sich europaweite Netzwerke der Kommunikation und finanziellen Unterstützung.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erleiden die an der Lehre Calvins orientierten Reformierten in Westeuropa vielfach das Schicksal der Vertreibung. Massiver religiöser Verfolgungsdruck herrscht im England der katholischen Königin Mary Tudor (reg. 1553-1558) ebenso wie unter der Statthalterschaft des Herzogs von Alba in den Niederlanden 1567-1573. Weitere Flüchtlinge aus Frankreich, der Wallonie und aus Antwerpen prägen die reformierten Gemeinden am Niederrhein, in Aachen und Köln.
Ein Beispiel ist die „Lucca-Connection“ der Familie Calandrini: Sie mussten 1567 auf Druck der Inquisition das toskanische Lucca verlassen und siedelten sich in Paris an. Dort überlebten sie 1572 knapp die Massaker der Bartholomäusnacht und flohen nach Sedan. Von dort zogen einige Mitglieder der Familie nach Antwerpen, dann 1585 vor den einmarschierenden Spaniern nach Frankfurt am Main. Der junge Textilkaufmann Cesare Calandrini (1550-1611) hatte sich bereits seit Mitte der 1570er Jahre in Nürnberg als einer der angesehensten Tuchhändler der Stadt etabliert. Sein Bruder Giovanni war erfolgreicher Bankier in Amsterdam, ebenso wie sein Schwiegersohn Philipp Burlamachi in London.
Das Evangelische Zentralarchiv Saar (EZAS) hat die Erschließung seines historisch bedeutendsten Bestandes abgeschlossen: Das Findbuch mit einem Umfang von 141 Seiten und 541 Verzeichnungseinheiten liegt online vor und präsentiert eine kleine lutherische Landeskirche des 17.-18. Jahrhunderts in all ihren Facetten.
In Ottweiler residierten von 1640 bis zu ihrem Aussterben 1728 die Grafen von Nassau-Ottweiler in ihrem im Dreißigjährigen Krieg schwer beschädigten Renaissanceschloss aus dem 16. Jahrhundert. Dem korrespondierte kirchlicherseits, dass Ottweiler Sitz einer lutherischen Inspektion war. Diese entspricht einem heutigen Kirchenkreis.
Einblicke in das alltägliche Gemeindeleben auf dem Sprengel der gesamten Grafschaft Ottweiler ermöglichen die Visitationsberichte mitsamt ihrer umfänglichen Begleitkorrespondenz. Bauskizzen nicht mehr existierender mittelalterlicher Ortskirchen sowie Aufschriften längst zerstörter Glocken werfen Schlaglichter zurück auf das Spätmittelalter.
Die Stuhlordnung für die Stadtkirche Ottweiler illustriert eindrücklich die subtilen sozialen Unterschiede in der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Alter und Familienstatus bilden die Hauptkriterien der Platzierung, freilich werden auch Honoratioren wie der gräfliche Oberjäger mit reservierten Stühlen bedacht.
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