Über Dr. Stefan Flesch

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Neuer Kollege im Archiv der EKiR

Wir begrüßen Herrn Marius Höpfner als neuen Mitarbeiter im Düsseldorfer Archivteam.

Herr Höpfner hat Geschichte und Evangelische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum studiert und erste archivische Praxis im Konzernarchiv der thyssenkrupp AG erworben. Herr Höpfner unterstützt uns fortan u. a. in den Bereichen Bestandserschließung und Digitalisierung.

Die Archivtruhe in der Evangelisch-reformierten Kirche zu Schöller

In der romanischen ehemaligen St. Vitus-Kirche in Schöller steht heute neben der Kanzel an der Ostwand des Kirchenschiffes eine alte Truhe. Sie ist aus einem einzigen massiven Eichenstamm gefertigt und verkörpert damit den Typus einer sogenannten Einbaumtruhe. Diese „Safes des Mittelalters“ bildeten die frühesten mobilen Verwahrstätten für die wertvollen Urkunden und Amtsbücher einer Pfarrei und sind somit von archivgeschichtlichem Interesse.

Truhe in der Ev. Kirche Schöller

Die Truhe in Schöller ist 146 cm lang, 44 cm hoch und 45 cm tief. Durch die massiven Wandstärken verbleibt aber nur ein Innenraum von 86 cm x 25 cm x 36 cm. Gesichert war sie durch drei Schlösser mit jeweils unterschiedlichen Schlüsseln, so dass offensichtlich ein Sechs-Augen-Prinzip für den Zugang bestand.

Mit Blick auf die Ausführung der Beschläge wird sie meist in die frühe Neuzeit datiert, wobei eine genaue dendrochronologische Datierung noch aussteht. Die Reformation setzte sich in Schöller recht früh bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts durch. Die Truhe kann der jungen Gemeinde also sehr gut als Pfarrarchiv für die besitzrechtlich relevanten Schriftstücke sowie die Protokolle des Presbyteriums gedient haben. Alternativ oder komplementär wird auch ihre Nutzung als Gerichtstruhe des 1689 eingerichteten Gerichtes Schöller vertreten.

Evangelische Kirche Schöller

„Lieber Rößler“: Briefe Dietrich Bonhoeffers im Archiv der EKiR

In den letzten Tagen ist intensiv an den 80. Todestag des Theologen Dietrich Bonhoeffer erinnert worden. Er hatte sich im Widerstand gegen das NS-Regime engagiert und wurde noch am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet. 1906 geboren, machte er während seines Studiums in Berlin Bekanntschaft mit dem etwas älteren Helmut Rößler (1903-1982). Es entwickelte sich eine Freundschaft und Im Dezember 1927 verteidigte Bonhoeffer seine Promotionsthesen gemäß dem damals üblichen akademischen Verfahren gegen Rößler und zwei weitere Kommilitonen.

Pfarrer Dietrich Bonhoeffer in Sigurdshof 1939 (Bundesarchiv, Bild 146-1987-074-16 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE)

1934 entzweiten sie sich aber bitter über die kirchenpolitischen Haltung der Auslandsgemeinden zur staatstreuen und NS-affinen Deutschen Evangelischen Kirche: Rößler, damals im niederländischen Heerlen tätig, wandte sich in einem Rundschreiben an die westeuropäische Pfarrkonferenz explizit gegen den Plan Bonhoeffers, zu der Zeit Pfarrer einer Londoner Gemeinde, sich der Bekennenden Kirche anzuschließen. Der Kontakt zwischen beiden wurde nie mehr aufgenommen.

Neun Autografen Bonhoeffers aus dem Zeitraum 1928-1934 sind im Nachlass Rößlers erhalten. Er hatte sie in den 1960er Jahren Bonhoeffers Freund und Biograf Eberhard Bethge für die Gesamtausgabe der Werke Bonhoeffers überlassen. Dort sind sie dann auch 1991 in Band X publiziert worden. Freilich steht dort beim Quellennachweis jeweils „verschollenes Original“, was nicht zutrifft: Die Korrespondenzen waren zu einem unbekannten Zeitpunkt bereits vor 1982 an Rößler zurückgegeben worden.

Helmut Rößler (1903-1982) hält einen Vortrag über Liturgik auf dem Predigerseminar in Essen Nachlass OKR Rößler Datum: 1968 Ort: Essen Signatur: AEKR 8SL 046 (Bildarchiv), 011_0176 Fotosammlung: 10.R/58

Hat der würdige Düsseldorfer Konsistorialrat und spätere Oberkirchenrat Helmut Rößler eigentlich jemals gelächelt? Zumindest wahrscheinlich nicht in der Öffentlichkeit, und bei all seiner unstrittigen intellektuellen Kapazität und seinem Können als Prediger sind ihm wohl niemals Humor oder Ironie bescheinigt worden. Aber für Bonhoeffer war er sicherlich ein geschätzter und theologisch versierter Gesprächspartner. In der Studienzeit und selbst bis zu dem bitteren kirchenpolitischen Konflikt 1934 empfanden sie sich unzweifelhaft als Freunde, wenn es auch in der Anrede stets beim respektvollen „Sie“ blieb.

Zur Illustration des vertrauensvollen Miteinanders sei Bonhoeffers Brief vom 23. Februar 1930 zitiert. Hintergrund ist die gerade erfolgte Geburt von Diethelm, dem ersten Kind Rößlers und seiner Frau Alix, die im Vorjahr geheiratet hatten:

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„Über Gräber vorwärts“: Eichmanns Anwalt Robert Servatius und sein Verständnis von Schuld und Sühne

Im Februar ist die erste wissenschaftliche Biografie über den Kölner Rechtsanwalt Dr. Robert Servatius (1894-1983) erschienen. Dieser erlangte zweifelhafte Berühmtheit als Strafverteidiger des SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann bei dessen Prozess in Jerusalem, der mit dem Todesurteil und der Hinrichtung Eichmann am 1. Juni 1962 endete. Seine „Affinität zu hochrangigen NS-Tätern“ (so die Rezension der FAZ vom 4.3.2025) hatte Servatius bereits seit dem Nürnberger Militärtribunal 1945/46 auch in zahlreichen weiteren Gerichtsverfahren an den Tag gelegt.

Robert Servatius während des Kreuzverhörs im Prozess gegen den Nazi-Kriegsverbrecher Adolf Eichmann im Beit Ha’Am in Jerusalem am 03.07.1961.

Im Archiv der EKiR findet sich ein Schreiben von Servatius vom 25. September 1962 an Professor Hermann Schlingensiepen in Wuppertal, das die Mentalität dieses Juristen eindrücklich veranschaulicht.

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Kirchengeschichte on Tour, oder: Forschung und Archiv im Diskurs

Am 24. Januar besuchte das kirchengeschichtliche Forschungskolloquium der Evangelisch-Theologischen Fakultät Bonn unter Leitung der Professoren Martin Keßler und Wolfram Kinzig das Archiv der EKiR. Ein anschaulicher Bericht zur Exkursion ist nun im Blog der ETF Bonn abrufbar.

Die Tagebücher der Bahnhofsmission Bonn 1946-2022, oder: Aspirin hilft immer

Es ist ein schöner Zufall, dass uns nur eine Woche nach dem Erscheinen des Blogbeitrages zur Tracht der Bahnhofsmission eine Neuerscheinung für die Archivbibliothek erreichte: „Nächste Hilfe an Gleis 1. 125 Jahre Bahnhofsmission Bonn. Ausgewählte Tagebucheinträge 1946-2022.“ In bislang nicht weniger als 77 Kladden haben die ehrenamtlichen Mitarbeitenden ihre Erlebnisse während der jeweiligen Schicht handschriftlich festgehalten. Damit spiegeln die Einträge politische und gesellschaftliche Entwicklungen wider, die sich gerade in Bahnhöfen wie in einem Brennpunkt bündeln.

Aus der Auswahl von ca. 900 Einträgen seien drei eher harmlose Begebenheiten exemplarisch herausgegriffen:

21.1.1946: 2 Soldaten zum Bahnhofsbunker verwiesen, desgl. 1 Mann. 2 amerik. Soldaten mit Wasser bewirtet. 1 Soldat, who has got a little tipsy, mit Aspirin versorgt.

12.5.1960: Junge Frau, die sich beim Einkauf verausgabt hatte, haben wir Fahrkarte nach Siegburg verweigert. Man hält sich doch wohl erst das Fahrgeld zurück und dann kaufe ich lustig ein.

21.11.1997: Total betrunkener, gut gekleideter älterer Herr vom Bahnsteigdienst aufgegriffen. Ehemaliger Oberst; immer, wenn er seine Pension kriegt, haut er auf die Pauke. Der Bahnpolizei bekannt. Altersheim Bad Breisig angerufen, holen ihn ab.

Das Buch ist beim cmz-Verlag erschienen. Es kann auch gegen eine Spende direkt bei der Bahnhofsmission erworben werden.

Von Lodenmänteln und Baskenmützen: Der Versuch einer Trachtordnung für die Evangelische Bahnhofsmission 1948

Über die verdienstvolle Arbeit der Bahnhofsmission am Beispiel des Hbf Düsseldorf ist bereits vor einiger Zeit im Blog berichtet worden.

Plakat „Bahnhofsmission“ mit überkonfessionellen Kontaktinformationen zu Anlaufstellen. Aus Bestand: 8SL049(Plakatsammlung), Nr. 1338

In der Nachkriegszeit kümmerte sich die energische Hauptgeschäftsführerin der Evangelischen Bahnhofsmission Armgard von Alvensleben auch um ein einheitliches äußeres Erscheinungsbild der Mitarbeiterinnen. Großzügige Stofflieferungen des Hilfswerks der EKD aus Auslandsspenden boten ihr hier die materielle Grundlage.

Das typisch deutsche Vehikel zur praktischen Umsetzung sollte dabei die 1948 erlassene Trachtordnung bilden.

Trachtordnung, für die Berufskleidung der Evangelischen Bahnhfsmissionarin. Aus Bestand 5WV 051(Diakonisches Werk – Bestand Ohl), Nr. 2056

Demnach waren folgende Bestandteile der Tracht vorgesehen:

1. Lodenmantel, der außer im Winter auch im Sommer im Reisedienst oder bei schlechtem Wetter übergezogen wird.

2. Wollkleid: Es wird im Allgemeinen mit aufgenähtem weißem Kragen getragen, und zwar insbesondere bei Rüsttagen, Arbeitsbesprechungen, Behördengängen, gemeinsamem Kirchgang u. ä. Das dauernde Tragen im täglichen Dienst wird nicht erwartet, da sich das Kleid dann sehr schnell abnutzen würde.

3. Kittel. Er ist der eigentliche Arbeitsanzug für den Innen- und Außendienst am Bahnhof und in der Heimarbeit. Es ist möglich, ihn mit langen oder kurzen Ärmeln und ohne untergezogenes Kleid zu tragen.

4. Baskenmütze. Sie wird etwas schräg aufgesetzt und soll die Haarfrisur weitgehend bedecken.

5. Armbinde. Sie ist das Dienstzeichen der Bahnhofsmission und darf nur im Dienst mit auf Befragen vorzuzeigendem Ausweis getragen werden. Sie wird am linken Oberarm so hoch angebracht, dass sie nicht im Ellbogengelenk Falten schlägt. Notfalls muss sie etwas schmäler getragen werden. Beim Ausscheiden einer Trägerin aus dem Dienst ist sie abzugeben. Ehrenamtliche Helferinnen erhalten sie nur stundenweise am Bahnhof ausgeliehen.

6. Brosche. Die Brosche wird links in Höhe über der Brusttasche des Kittels getragen.

7. Schuhe

8. Strümpfe

Selbstverständlich folgte noch ein knappes Dutzend weiterer Detailvorschriften. Eine kleine Auswahl davon sei zitiert:

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