Weihnachten 1923: erste Aufführung eines Krippenspiels in der Johanneskirche in Düsseldorf

Düsseldorfer Sonntagsblatt, Nr. 52, 23.12.1923, S. [4-5]; AEKR, Archivbibliothek, Sign. ZK 65

„Zum ersten Mal wird in diesem Jahr, sowohl in der Kindergottesdienstfeier am 4. Advent, nachmittags 5 Uhr, wie in der Christmette um 1/2 7 Uhr, eine Krippenfeier, wie sie in vielen Gemeinden Deutschlands zur Darstellung gelangte, vom Kirchenchor und Mitgliedern des Lydiavereins geboten werden.“

Der oben zitierte erste Absatz des Beitrags endet mit der Zeile: „Zur Einführung der Besucher sei das Nachfolgende gesagt.“ Es folgt eine inhaltliche Beschreibung des Ablaufs der Feier, dazu ein Verhaltenshinweis, wie er auch heute in den Familiengottesdienstes zu Heiligabend gegeben wird: „Unter den Worten des Liedes schreitet ein langer Zug von Jungfrauen durch den Mittelgang der Kirche, der auf jeden Fall frei bleiben muß.“

Weiterlesen

Pfarrer Harney und die Inflation

Kommentar zur Entwicklung der Inflation der letzten Monate im Dezember 1923. Quelle: Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, ZK 065, Düsseldorfer Sonntagsblatt. Kirchlicher Anzeiger der evangelischen Gemeinden zu Düsseldorf, Ausgabe 51/1923 vom 16. Dezember, S. 4

Heute vor 100 Jahren sinniert Pfarrer Rudolf Harney (1880-1965) in der „Zeitschau“ des von ihm redigierten Düsseldorfer Sonntagsblattes über ganz profane Alltagserfahrungen nach. Er hat erlebt, wie nach dem harten Währungsschnitt vom 15. November 1923 wieder Lebensmittel und Waren in die Auslagen zurückkehren. Harney kann es nicht wissen, aber er wird in seinem Leben diese Erfahrung wiederholen: Ein Vierteljahrhundert später ist die deutsche Reichsmark wiederum wertlos geworden und mit der Währungsreform vom 20. Juni 1948 kehren quasi über Nacht lange nur im Schwarzhandel erhältliche Waren in die Geschäfte zurück.

Harney, Rudolf; Pfarrer, Superintendent Kirchenkreis Düsseldorf, Mitglied der Leitung der Ev. Kirche der Rheinprovinz 1945-1948; Archiv der Ev. Johannes-Kirchengemeinde Düsseldorf; AV 29

Das ökonomische Verständnis gerade des von der Hyperinflation fast enteigneten deutschen Mittelstandes darf nicht überschätzt werden und Pfarrer Harney ist hier ein zeittypisches Beispiel. Dunkel raunt er von „spekulativen Börsenmanövern“, die die Reichsmark zusätzlich entwertet hätten. Die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge, vorrangig die bis 1918 über Anleihen finanzierten immensen Kriegskosten sowie der letztlich über die Druckerpresse finanzierte sogenannte Ruhrkampf 1923, blendet Harney bewusst oder unbewusst aus:

Zeitschau.

Wir leben in der Zeit der Überraschungen. Vor wenigen Tagen,
wenigen Wochen war in Düsseldorf kein Fetzchen Margarine zu fin-
den. Stundenlang jagten die Hausfrauen umher, um schließlich ent-
mutigt und dem Weinen nah, mit leeren Händen heimzukehren. In
der Tasche hatten sie Papiergeld, das von Stunde zu Stunde an Wert
verlor. Es war nicht zu ändern. Erwerbslose, aufgepeitscht von
dunklen Ehrenmännern, rotteten sich zusammen, schlugen Fenster ein,
raubten Lebensmittellager aus und trugen den Schrecken in die Bür-
gerschaft. Da rief es von allen Seiten: Düsseldorf steht vor der
Hungersnot. Und der Dollar kletterte immer höher, als wollte er
den Mount Everest besteigen, und die Papiermark lag im Sterben.
Da – plötzlich, ein Wunder geschah. Der Dollar, dieser kleine Schä-
ker, machte plötzlich kehrt und ging zu Tal. Die Papiermark erholte
sich, weil man ihr -es ist nicht zu fassen- in Berlin mit dem
Stilllegen der Notenpresse den Lebensfaden abschnitt. Die Gehalts-
zahlungen kamen ins Stocken, das Geld wurde rarer. Siehe, da
sanken die Preise, und auf dem Markt und in den Geschäften häuften
sich die Lebensmittel. Was habe ich heute für Berge von Butter,
Speck, Fett und Schinken gesehen! Woher nun plötzlich dieser Reich-
tum? Wie kommt es, dass auf dem Markt das längst verstummte süße
Locken wieder ertönt: Ach, nehmen Sie doch diese Büchse Corned-Beef
noch mit!? Wie kommt es, dass in Berlin ein Warenhaus 20 Prozent

Rabatt gibt, wenn in Papiergeld gezahlt wird? Wo war denn alle
die Ware, als wir vor Wochen Papiergeld genug in der Hand hatten,
um kaufen zu können? Haben die Heinzelmännchen das alles in
einer Nacht zu uns gebracht, um uns zu zeigen, wie schön es wäre,
wenn wir noch das Geld des vorigen Monats in Händen hätten, denn
dann könnten wir kaufen! Neulich konnten wir für 4 Billionen nicht
bekommen, was jetzt für 2 und weniger im Überfluss vorhanden zu
sein scheint. Wer erklärt uns dieses Naturwunder? Ich wäre für
Aufklärung sehr dankbar; denn wir denken nicht gern etwas Böses
von unseren lieben Nächsten. Gewiss haben die Heinzelmännchen oder
der Nikolaus das geschafft.

Ob dieser Zustand anhalten wird? Ich fürchte nein; denn in un-
serer Lage hat sich nichts geändert. Wenn nur der Dollar nicht wieder
das Klettern anfängt und alle Lebensmittel als Proviant auf die
Hochgebirgstour mitnimmt. Ich traue dem Racker solche kleine Bos-
heiten zu. Das Unternehmen, die Mark zu festigen, hat einen hero-
ischen Zug, aber kann es gelingen? Wir haben noch keine internationale
Anleihe, und auch sonst ist der auf uns lastende Druck nicht vermindert,
aber freilich, eines entzieht sich unserer Kenntnis, das ist die Be-
urteilung, wie weit die Mark tatsächlich innerlich entwertet ist und
wie weit sie nur durch spekulative Börsenmanöver gedrückt worden
ist. Dass letzteres auch mitspielt, unterliegt keinem Zweifel.

Gutschein der Stadt Barmen über 500 Milliarden Mark; Datum: 30. Oktober 1923; Aus Bestand: AEKR, Notgeldsammlung

Segenswünsche der Evangelischen Kirche im Rheinland aus Anlass von Ehejubiläen

Im Bestand unserer Archivbibliothek befindet sich ein Heft „Das Vaterunser“ mit der Gestaltung des Textes und Originalscherenschnitten von Elisabeth Weigle aus dem Verlag Franz Boccarius in Göppingen und Stuttgart, ohne Jahr [1947]. Interessant wird das Heft durch die auf das Vorsatzblatt hanschriftlich geschriebene Widmung:

„Die Evangelische Kirche im Rheinland grüßt das Ehepaar August Götzinger und Emma geb. Kramm zum Tage der diamantenen Hochzeit 30. September 1950 mit herzlichen Segenswünschen.“

Es folgen die Verse 14 -15 aus Psalm 92 und die Unterschrift von Oberkirchenrat Johannes Schlingensiepen.

Das Vaterunser; Text und Originalscherenschnitte von Elisabeth Weigle

Ein glücklicher Zufall hat dafür gesorgt, dass dieses den Eheleuten Götzinger gewidmete Heft irgendwann in die frühere Landeskirchliche Bibliothek und bei deren Auflösung in den Bestand unseres Archivs gelangt ist. Aber es stellt sich die Frage, wie kam die Landeskirche an die Daten von Ehejubilaren und -jubilarinnen? Erfreulicherweise findet sich im Bestand der Sachakten des Landeskirchenamtes (Bestand 1OB 017 Teil I) ein Archivale Nr. 3849 „Gedenkblätter für diamantene Hochezeiten“ (1951-1969). Bei den Archivalien zu den Gedenkblättern zu Goldenden Hochzeiten (Nr. 3848) und Eisernen Hochzeiten (Nr. 3846 und 3847) heißt der Aktentitel „Kirchliche Ehrungen …“. Das scheint bei den Diamantenen Hochzeiten beim archivischen Umbetten der Akte in einen neuen Hefter „eingespart“ worden zu sein.

Weiterlesen

Ein „sauberer Anzeigenteil“ für die kirchliche Presse

Die 1946 gegründete Zeitung DER WEG (Evangelisches Kirchenblatt für das Rheinland) erschien in den ersten Jahren ohne jegliche kommerzielle Werbung. In der Ausgabe vom 12. April 1953 erfährt die Leserschaft die Hintergründe für dieses Manko sowie die neuen Planungen der Redaktion:

Auszug: Der Weg, Evangelisches Kirchenblatt für das Rheinland, Nr. 8, 1953

Der intendierte „saubere Anzeigenteil“ im moralisch-ethischen Sinne fand in den kommenden Ausgaben auf originelle Weise eine wortwörtliche Umsetzung:

Auszug: Der Weg, Evangelisches Kirchenblatt für das Rheinland, Nr. 9, 1953

Bei beiden Produkten handelte es sich um Erzeugnisse regionaler Anbieter aus Solingen bzw. Wuppertal. Ein Beispiel für den im WEG-Artikel benannten „früher so geschätzten Anzeigenteil“ des Barmer Sonntagsblattes bietet die Ausgabe vom 21. Januar 1923:

Weiterlesen

Datenschutz war noch unbekannt: Die Evangelische Gemeinde Bonn druckte 1926 ein Mitglieder-Verzeichnis

Heute ist es manchem vielleicht schon unangenehm, wenn der Gemeindebrief der Kirchengemeinde mit Namensaufdruck im Zeitungsbriefkasten des Mehrfamilienhauses liegt. Mitglied der Kirche zu sein, ist unmodern geworden. 1926 konnte in Bonn zumindest jedes Mitglied der Evangelischen Gemeinde nachlesen, wer sich ebenfalls dazu zählte: Die Evangelische Gemeinde gab ein „Gemeindebuch, Ausgabe 1926/27“ heraus, das „1. Die Einrichtungen der evangelischen Gemeinde Bonn“ und „2. Mitglieder-Verzeichnis“ umfasste. Immerhin, auch wenn der Datenschutz noch unbekannt war, es wurde „gedruckt nur für die Mitglieder der evang. Gemeinde Bonn.“ Ein Exemplar gelangte etwa vier, fünf Jahrzehnte später in die Bibliothek des Landeskirchlichen Archivs (Signatur OB 18 006).

Gemeindebuch der evangelischen Gemeinde Bonn; Ausgabe 1926/27

Was bewog die Gemeinde, ein solches Gemeindebuch herauszugeben? Natürlich, die Übersicht über die Einrichtungen der Gemeinde, die Pfarrer und ihre Bezirke mit Straßenverzeichnis, die Kirchen und Gemeindehäuser, das ist nicht ungewöhnlich; dazu ein Überblick über díe Geschichte und Vorgeschichte dieser – in einem bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ausschließlich katholischen Umfeld – erst 1816 gegründeten evangelischen Gemeinde. Es soll ein Zusammenhalt geschaffen werden, man soll einander kennen können. Im Vorwort heißt es dazu: „In Zeiten wie die unsrige ist das Bedürfnis nach Zusammenschluß mit Gleichgesinnten besonders stark. Auch dazu möchte diese Schrift helfen“.

Weiterlesen

Zeitschriftenpreise im Sommer 1923

Aufruf an die Leser des Düsseldorfer Sonntagsblatt zur freiwilligen Nachzahlung von 1000 Mark. Quelle: Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, ZK 065, Düsseldorfer Sonntagsblatt. Kirchlicher Anzeiger der evangelischen Gemeinden zu Düsseldorf, Ausgabe 30/1923 vom 22. Juli, S. 1

Die Panik, die aus den Zeilen von Pfarrer Rudolf Harney spricht, war verständlich: Inmitten der Hyperinflation 1923 stand die Existenz des von ihm herausgegebenen Düsseldorfer Sonntagsblattes nicht zum ersten Mal auf der Kippe. Die erbetene Nachzahlung von 1.000 Reichsmark erwies sich nur als der vielzitierte Tropfen auf dem heißen Stein. In den folgenden Monaten erklommen die Bezugspreise astronomische Höhen: Gemäß Impressum kostete das Monatsabo (vier Ausgaben) am 4. November 1923 zwei Milliarden Reichsmark. um im Dezember, kurz vor der Währungsumstellung, auf 800 Milliarden zu springen.

Irgendwie hielten das Redaktionsteam um Harney und die Kirchengemeinde Düsseldorf aber durch. Das Sonntagsblatt erschien durchgehend weiter, bis es 1941 zusammen mit allen anderen kirchlichen Presseerzeugnissen wegen „Papiermangel“ eingestellt wurde.

„Sichere Kapitalanlage“ im Jahr 1923

Folgende Anzeige veröffentlichte die evangelische Kirchengemeinde Düsseldorf am 13. Mai 1923 in ihrem „Düsseldorfer Sonntagsblatt“:

Kapitalanleihe
Düsseldorfer Sonntagsblatt. Kirchlicher Anzeiger der evangelischen Gemeinden zu Düsseldorf, Ausgabe 20/1923 vom 13. Mai, S. 8

Da die Registratur der Kirchengemeinde 1943 bei Luftangriffen zerstört wurde, wissen wir nichts über die Resonanz auf diesen Aufruf. Gesetzt den Fall, dass sich einige treue Gemeindeglieder zur Zeichnung motivieren ließen: Wie erging es ihnen bzw. ihrem Kapitaleinsatz?

Weiterlesen