Pfarrer Karl Krampen: Ein Nachlass und seine Dokumentation

Karl Krampen (1901-1945) wuchs in Witten auf. Nach dem Theologiestudium wurde er 1926 zum Pfarrer in Wilnsdorf bei Siegen gewählt. Drei Jahre später wechselte er an die Ev.-Luth. Gemeinde Wuppertal-Wichlinghausen. 1941 zur Wehrmacht eingezogen, fällt er kurz vor Kriegsende. Sein Nachlass wird im Archiv der EKiR verwahrt. Diese fünf dürren Sätze vermögen den Facettenreichtum eines Menschenlebens nicht zu würdigen und ganz gewiss nicht in diesem Fall. Dies ist vielmehr das Verdienst des Kirchenmusikers Hans Krampen, dem 1929 geborenen zweiten Sohn des Pfarrers. Über Jahrzehnte hat er die vollständig erhaltene Überlieferung seines Vaters an Predigten, Vortragsmanuskripten und privater Korrespondenz nicht nur transkribiert sondern auch sachkundig kommentiert. Dies mündete in eine Biografie, in der er zu einer fairen und ausgewogenen Beurteilung der nationalkonservativen Prägung seines Vaters gelangt.

Karl Krampen, 1927.

In der Terminologie von Wolfgang A. Mommsen handelt es sich damit um einen „angereicherten Nachlass“. Die historischen Auswertungsmöglichkeiten dieses Bestandes sind vielfältig, gerade weil Karl Krampen in vielem archetypisch für die Mentalität seiner Profession wie auch Generation steht.

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Abschluss der Kunstaktion „Rheinische Kirchenköpfe“

Mit dem Lieddichter Joachim Neander hatte 2015 alles begonnen. Nun, sieben Jahre später, ist die vom Archiv der EKiR begleitete Kunst- und Erinnerungsaktion „Rheinische Kirchenköpfe“ aus fünf Jahrhunderten zu ihrem Abschluss gelangt:

Heute wurde das Portrait des im KZ Buchenwald ermordeten Pfarrers Paul Schneider (1897-1939) der Öffentlichkeit vorgestellt. Realisiert hat das Werk die Kölner Streetart-Künstlerin Layla Xing.

Eine antisemitische Denunziation der Deutschen Christen (DC)

„Wie wir erfahren haben, wird bei dem dortigen Gemeindeamt ein Halbjude beschäftigt.“ Diese Denunziation traf am 23. August 1935 bei dem Gemeindeamt der evangelischen Kirchengemeinde Essen-Altstadt ein, adressiert an Pfarrer Karl Siebel als derzeitigem Vorsitzenden des Presbyteriums. Es folgen dann Zitate aus Luthers 1543 publiziertem Gewaltaufruf „Von den Juden und ihren Lügen“. Der Brief schließt mit der gehässigen Empfehlung, diese Schrift im nächsten Essener Pfarrkonvent zu verlesen.

Schreiben der „Deutschen Christen“ Gau Rheinland an den Vorsitzenden der Evangelischen Kirchengemeinde Essen-Altstadt Pfr. Karl Siebel bzgl. Beschäftigungsverhältnis von Heinz Karl Ladwig. Aus Bestand: AEKR Düsseldorf 4 KG 076 (Essen-Altstadt), Nr. 308

Bei dem Absender handelte es sich um den Verwaltungsangestellten Walter Hindrichs, der bis März 1935 in einem evangelischen Gemeindeamt in Wuppertal tätig gewesen war. Nachdem sich die Kirchengemeinde wegen seiner DC-Aktivitäten von ihm getrennt hatte, versah er in Oberhausen die Geschäftsstelle des Gau Rheinland der Deutschen Christen.

Hintergrund ist die am 22. Juli 1935 erfolgte Anstellung des Studenten Heinz Karl Ladwig als Aushilfsstenotypist im Gemeindeamt Essen-Altstadt. Er wurde 1912 geboren als Sohn des evangelischen Kohlensyndikatsbeamten Robert Ladwig und seiner jüdischen Ehefrau Bertha/Betty geb. Ruhr. Nach dem frühen Tod des Vaters 1932 und einer eigenen Erkrankung konnte er sein Bergbaustudium an der TH Aachen seit dem Frühjahr 1935 nicht mehr fortsetzen.

Die Denunziation löste in Essen-Altstadt hektische Aktivitäten aus. Noch am Eingangstag wurde Ladwig dazu genötigt, um seine Entlassung zum 31.8.1935 zu bitten. Dies ermöglichte es der Gemeinde, das DC-Schreiben ohne Gesichtsverlust als „überholt“ abzuheften. Dort haben wir es bei der Bestandsordnung unter dem unauffälligen Aktentitel „Diverse Aushilfskräfte“ entdeckt. Heinz Karl Ladwig erhielt formal korrekt ein Arbeitszeugnis, das ihm „vollste Zufriedenheit“ seines Arbeitsgebers und „tadellose Führung“ bescheinigte.

Wie verlief nun das weitere Schicksal der Familie Ladwig?

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„Frankiert ist er schon.“ Ein Brief Martin Gaugers von 1937 im Archiv der EKiR

Martin Gauger (1905-1941) aus Elberfeld (Wuppertal) verweigerte als einzig namentlich bekannter Jurist den Treueeid auf Adolf Hitler. Nach der Entlassung aus dem Staatsdienst 1934 arbeitete der Jurist für den Lutherrat der Bekennenden Kirche. Die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen führte letztlich zu seiner Ermordung in der Euthanasieanstalt „Sonnenstein“ bei Pirna.

Die Evangelische Kirche im Rheinland hat bereits im letzten Jahr Martin Gauger im Rahmen des Kunstprojektes „Kirchenköpfe“ geehrt. Dem schloss sich vor zwei Tagen eine öffentliche Podiumsdiskussion in der Düsseldorfer Johanneskirche an, die von Barbara Dauner-Lieb, Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen, NRW-Justizminister Peter Biesenbach und Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland bestritten wurde.

Im Archiv der EKiR ist nur ein Schreiben Gaugers überliefert; dieses hat es aber in sich. Hintergrund ist der Konflikt um die angesehene Druckerei Köhler in Elberfeld. Köhler hatte im Oktober 1937 eine Erklärung der Bekennenden Kirche gegen das Pamphlet „Protestantische Rompilger“ des NS-Ideologen Alfred Rosenberg hergestellt. Daraufhin wurde der Betrieb umgehend von der Gestapo geschlossen.

Gauger setzte sich nun mit großem Engagement für Köhler ein und versuchte hierzu verschiedenste Beziehungen zu NS-Parteigrößen zu aktivieren. In diesem Zusammenhang ist sein Brief vom 30.12.1937 an den befreundeten BK-Pfarrer Kurt Essen (1904-1993) zu verstehen.

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Nachlass des BK-Theologen Fritz Stasch neu erschlossen

Friedrich Wilhelm (Fritz) Stasch wurde am 4. Januar 1909 in Essen geboren. Nach dem Studium der Evangelischen Theologie in Bonn, Tübingen und Marburg leistete er 1933-34 zunächst das Vikariat in der Kirchengemeinde Königswinter ab.  Früh engagierte er sich bei der Bruderschaft der Hilfsprediger und Vikare innerhalb der Rheinischen Pfarrbruderschaft. Bei einem Jugendarbeiter-Schulungskurs für Lehrvikare in Hainstein/Eisenach im September 1934 eskalierte der Konflikt vieler Vikare mit der offiziellen Reichskirche. Auch Stasch wurde daraufhin als Disziplinarmaßnahme vom Rheinischen Konsistorium entlassen und unterstellte sich fortan der Bekennenden Kirche.

Pfarrer Friedrich Wilhelm Stasch, aus Bestand: AEKR 7NL226(Pfarrer Friedrich Wilhelm Stasch), Nr. 46
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„Finsternis bedecket das Erdreich und Dunkel die Völker“: Aus den Adventspredigten von Heinrich Held vor 80 Jahren

Heinrich Held, Pfarrer in Essen – Rüttenscheid. Hier mit Hilfsprediger Werner Reitz (l) und Vikar Wolfgang Disselhoff (r) im Pfarrgarten, Essen, Reginenstraße 47, 1940. Aus Bestand: AEKR Düsseldorf 8SL046 (Bildarchiv), 80017_053

Heinrich Held (1897-1957), Pfarrer in Essen-Rüttenscheid und 1948 zum ersten Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland gewählt, durfte nach dem Redeverbot, das die Gestapo 1938 gegen ihn verhängt hatte, nur noch in seiner Heimatgemeinde predigen. In der Online-Ausstellung „Evangelischer Widerstand“ und auf unserer Flickr-Präsenz finden Sie zahlreiche Bilddokumente zu seiner Biografie.

Seine im Nachlass überlieferten Adventspredigten aus dem Dezember 1940 enthalten zahlreiche verdeckte Spitzen gegen das NS-Regime. Helds persönlicher Mut ist umso höher zu bewerten, als Hitler damals, ein halbes Jahr nach dem Sieg im Westfeldzug, auf dem Höhepunkt seiner Popularität stand.

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So setzte Held am Ersten Advent unter dem Titelzitat aus Jesaja 60, 2 fort: „ Es wird Menschen geben, die das mit Entrüstung ablehnen, dass Dunkel über den Völkern liegt. Sie werden sagen: Die großen Tage unseres Volkes, die steigen nun mächtig herauf; und die deutsche Sonne, die wird einst über der Welt leuchten. Wir sind keine politischen Propheten, und wir wissen nicht, ob das wahr ist. Aber selbst wenn das so wäre, dann würde der Prophet doch recht behalten… Die Finsternis, die kommt nämlich daher, dass niemand die Bosheit und die Sünde austreiben kann. Mit Kanonen und mit dem Schwerte kann man nicht gegen die Sünde kämpfen.“

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Klassenfoto mit Massenmörder, oder: Die Problematik christlicher Schuldvergebung

Der vielfach ausgezeichnete Journalist Jürgen Gückel hat jetzt eine aufrührende Studie zu dem SS-Hauptsturmführer Artur Wilke veröffentlicht, seinem ersten Lehrer in der Nachkriegszeit. 1963 wurde dieser zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Hierzu hat Gückel auch im Archiv der EKiR geforscht. Wer aber war Artur Wilke und warum finden sich zahlreiche Briefe von ihm im Düsseldorfer Archiv?

Klassenfoto mit Massenmörder; Vandenhoeck & Ruprecht; ISBN: 978-3-525-31114-1

Diese Fragen führen zu einem Bestand, der seit seiner Erschließung 2005 bereits Gegenstand mehrerer wissenschaftlicher Publikationen wurde: Der Nachlass des Wuppertaler Theologen Prof. Hermann Schlingensiepen enthält umfängliche Korrespondenzen mit den in den großen NS-Prozessen der 1960er Jahre verurteilten Massenmördern der Einsatzgruppen und Konzentrationslager.

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