Ein stiller Held des Kirchenkampfes: Der Kraftfahrer Ernst Schrick

1953 erhielt Ernst Schrick, der Fahrer von Präses Heinrich Held, die Mercedes-Benz-Ehrennadel für 100.000 km, die er mit seinem Dienstwagen absolviert hatte. Das blieb die einzige „Auszeichnung“, die er zeitlebens erhalten hat. Dabei hätten sein Mut und sein Initiativgeist während der NS-Zeit noch ganz andere Ordensoptionen verdient gehabt.

Schreiben der Daimler-Benz Aktiengesellschaft, Niederlassung Düsseldorf zur Verleihung der Mercedes-Benz-Ehrennadel vom 25.02.1953. Aus Bestand: AEKR 1OB 022 (Personalakten Konsistorium / Landeskirchenamt), Nr. 326, 19

Die Bekennende Kirche im Rheinland stand seit 1934 vor der Herausforderung, ihre „Grünen Briefe“ sowie ihre sonstigen Mitteilungsblätter und Broschüren an die Gemeinden zu verteilen. Der zentrale Postversand von Essen (Dienstort von Heinrich Held) bzw. Mülheim/Ruhr (dem Standort der Druckerei) aus stand wegen eines entsprechenden Verbotes durch die Gestapo nicht zur Verfügung. In einer Würdigung des 1957 verstorbenen Präses Held berichtet die Kirchenzeitung WEG hierüber Folgendes:

„Ein weiterer Arbeitsraum, von dem nicht einmal der „Chef“ (Heinrich Held, S.F.) etwas wusste, befand sich in einem gemieteten Ladenlokal auf der Bahnhofstraße (in Essen, S.F.). In dichtem Verkehr hat hier Herr Schrick manches Paket mit Niemöller-Postkarten und Rundbriefen in seinen 8-Zylinder-Horch eingeladen, während die Gestapo vor irgendeiner von ihr vermuteten Versandstelle Posten gefasst hatte. Von Essen aus wurden dann Postämter im gesamten Industrierevier und oft weit darüber hinaus angefahren, um die Sendungen, die ins ganze Reichsgebiet gehen, gestreut aufzugeben und sie einem zentralen Zugriff zu entziehen. Bürokratische Bedenken, 45-Stunden-Woche und Kompetenzschwierigkeiten – das alles gab es damals nicht.“

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Aus den Gästebüchern des Pastoralkollegs Rengsdorf II

Im Zuge der Bearbeitung des Bestandes der landeskirchlichen Einrichtung Pastoralkolleg Rengsdorf bin ich in den Gästebüchern auf den 181. Eintrag vom 8. Oktober 1933 gestoßen. Auf einer dreitägigen Veranstaltung tagte der „Vortragsausschuß der Glaubensbewegung Deutsche Christen und das Propaganda-Amt (Volksmissionarisches Amt) des Bistums Köln-Aachen“ unter der Leitung des Bischofs Dr. Heinrich Oberheid. Zu den Teilnehmern zählte auch das bekannte Brüderpaar Heinz und Karl Dungs.

Unterschriftenliste der Teilnehmer der Tagung des Vortragsausschußes der Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ und das Propaganda-Amtes (Volksmissionarisches Amt) des Bistums Köln-Aachen, 08.-10.10.1933

Auf dieser Tagung formulierten die Deutschen Christen des Rheinlandes die sogenannten Rengsdorfer Thesen, denen Pfarrer Dr. Joachim Beckmann Ende 1933 widersprach und Gegenthesen aufstellte.
Im Weckruf, dem Sonntagsblatt der Glaubensbewegung der Deutschen Christen wird in der 42. Nummer des 1. Jahrgangs (1933) der Ortsgruppe Krefeld verkündet, dass „Kirchensenat und Landesbischof der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union (…) am 5. Oktober Dr. Oberheid, (Pfarrer in Asbach (Westerwald) und kommissarischer Beauftragter beim Rheinischen) Konsistorium, zum Bischof von Köln-Aachen, zum ersten Bischof der neuen Evangelischen Kirche Rheinlands ernannt“ haben.

Quelle: Der Weckruf, Krefeld, Jg. 1933, Nr. 43

Auf der Titelseite der 43. Ausgabe des Weckrufs verbreitet Oberheid in dem Artikel „Den rheinischen Gemeinden zum Gruß!“ vom 10.10.1933 nationalsozialistische Propaganda. In der darauffolgenden Ausgabe des Weckrufs am 29.10.1933 wird die „Kirchliche Neueinteilung (des) Rheinlands“ verkündet und das neugeschaffene „Amt für Kirchliche Propaganda des rheinischen Bistums“ vorgestellt. Zum Leiter des Amtes wurde der Geschäftsführer der rheinischen Landesleitung der „Deutschen Christen“, Herr Heinz Lauterbach, Köln, berufen.

Zeichnung im 2. Gästebuch des Pastoralkollegs Rengsdorf Schulungskurs für Laien und Redner 16.-19.10.1933

Lauterbach leitete einen Schulungskurs für Laien und Redner vom 16. bis 19. Oktober 1933 im Haus Hermann von Wied. In dem Gästebucheintrag haben sich die Teilnehmer unter der Abbildung eines Kreuzes mit dem Hakenkreuz eingetragen. Der Rheinische Präses Friedrich Schäfer (1871-1953) nahm an dieser Veranstaltung teil.

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Nachtrag zum Nachlass des BK-Theologen Eberhard von Mering

Christa Lippold hat eine weitere Sammlung an Urkunden und Zeugnissen Ihres Vaters Pfarrer Eberhard von Mering dem Archiv zur Aufbewahrung überlassen, die zum Bestand 7NL 225 aufgenommen wurden. Ein wichtiges Teilsegment bilden dabei die Briefe Ihrer Eltern aus dem geschichtsträchtigen Jahr 1933. Es ist der Briefwechsel von den Studenten Ruth Liebert und Eberhard von Mering von Januar bis Oktober 1933. Neben Alltäglichem berichten die Liebenden rudimentär auch von der aktuellen politischen Lage.

Es handelt sich hier um ein Zeugnis des jungen B.K.-Theologen in Rodenkirchen und seiner zukünftigen Ehefrau aus Zeiten der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Von Mering äußert sich kritisch über die Massenhysterie, die nach Hitlers Regierungsübernahme am 30. Januar 1933 vorherrsche. Im Brief vom 20. Februar 1933 berichtet von Mering von einer Hitler-Rede, die aus den Messehallen übertragen wurde. Aus Sicht eines evangelischen Theologen ist ihm das „blindwütige Zujubeln und Massengeheul unsympathisch“. Von Mering hält die Rede Hitlers, „die von glühendstem Hass gegen seine Mitmenschen getragen ist“, für Gotteslästerung.

In einem späteren Brief vom 11. April 1933 beklagt er die kritiklose Begeisterung für die neue Regierung, obwohl er auf einer Gausitzung über „soviel mittelalterlich Grausames gegenüber den Juden“ gehört hat. Und fügt noch hinzu:

„man muss entsetzt sein, dass so etwas in einem modernen Staate noch möglich ist. Alle Nächstenliebe ist in Fanatismus aufgegangen.“

AEKr, 7Nl 225, VZ 61, Brief 26
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Pfarrer Karl Krampen: Ein Nachlass und seine Dokumentation

Karl Krampen (1901-1945) wuchs in Witten auf. Nach dem Theologiestudium wurde er 1926 zum Pfarrer in Wilnsdorf bei Siegen gewählt. Drei Jahre später wechselte er an die Ev.-Luth. Gemeinde Wuppertal-Wichlinghausen. 1941 zur Wehrmacht eingezogen, fällt er kurz vor Kriegsende. Sein Nachlass wird im Archiv der EKiR verwahrt. Diese fünf dürren Sätze vermögen den Facettenreichtum eines Menschenlebens nicht zu würdigen und ganz gewiss nicht in diesem Fall. Dies ist vielmehr das Verdienst des Kirchenmusikers Hans Krampen, dem 1929 geborenen zweiten Sohn des Pfarrers. Über Jahrzehnte hat er die vollständig erhaltene Überlieferung seines Vaters an Predigten, Vortragsmanuskripten und privater Korrespondenz nicht nur transkribiert sondern auch sachkundig kommentiert. Dies mündete in eine Biografie, in der er zu einer fairen und ausgewogenen Beurteilung der nationalkonservativen Prägung seines Vaters gelangt.

Karl Krampen, 1927.

In der Terminologie von Wolfgang A. Mommsen handelt es sich damit um einen „angereicherten Nachlass“. Die historischen Auswertungsmöglichkeiten dieses Bestandes sind vielfältig, gerade weil Karl Krampen in vielem archetypisch für die Mentalität seiner Profession wie auch Generation steht.

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Abschluss der Kunstaktion „Rheinische Kirchenköpfe“

Mit dem Lieddichter Joachim Neander hatte 2015 alles begonnen. Nun, sieben Jahre später, ist die vom Archiv der EKiR begleitete Kunst- und Erinnerungsaktion „Rheinische Kirchenköpfe“ aus fünf Jahrhunderten zu ihrem Abschluss gelangt:

Heute wurde das Portrait des im KZ Buchenwald ermordeten Pfarrers Paul Schneider (1897-1939) der Öffentlichkeit vorgestellt. Realisiert hat das Werk die Kölner Streetart-Künstlerin Layla Xing.

Eine antisemitische Denunziation der Deutschen Christen (DC)

„Wie wir erfahren haben, wird bei dem dortigen Gemeindeamt ein Halbjude beschäftigt.“ Diese Denunziation traf am 23. August 1935 bei dem Gemeindeamt der evangelischen Kirchengemeinde Essen-Altstadt ein, adressiert an Pfarrer Karl Siebel als derzeitigem Vorsitzenden des Presbyteriums. Es folgen dann Zitate aus Luthers 1543 publiziertem Gewaltaufruf „Von den Juden und ihren Lügen“. Der Brief schließt mit der gehässigen Empfehlung, diese Schrift im nächsten Essener Pfarrkonvent zu verlesen.

Schreiben der „Deutschen Christen“ Gau Rheinland an den Vorsitzenden der Evangelischen Kirchengemeinde Essen-Altstadt Pfr. Karl Siebel bzgl. Beschäftigungsverhältnis von Heinz Karl Ladwig. Aus Bestand: AEKR Düsseldorf 4 KG 076 (Essen-Altstadt), Nr. 308

Bei dem Absender handelte es sich um den Verwaltungsangestellten Walter Hindrichs, der bis März 1935 in einem evangelischen Gemeindeamt in Wuppertal tätig gewesen war. Nachdem sich die Kirchengemeinde wegen seiner DC-Aktivitäten von ihm getrennt hatte, versah er in Oberhausen die Geschäftsstelle des Gau Rheinland der Deutschen Christen.

Hintergrund ist die am 22. Juli 1935 erfolgte Anstellung des Studenten Heinz Karl Ladwig als Aushilfsstenotypist im Gemeindeamt Essen-Altstadt. Er wurde 1912 geboren als Sohn des evangelischen Kohlensyndikatsbeamten Robert Ladwig und seiner jüdischen Ehefrau Bertha/Betty geb. Ruhr. Nach dem frühen Tod des Vaters 1932 und einer eigenen Erkrankung konnte er sein Bergbaustudium an der TH Aachen seit dem Frühjahr 1935 nicht mehr fortsetzen.

Die Denunziation löste in Essen-Altstadt hektische Aktivitäten aus. Noch am Eingangstag wurde Ladwig dazu genötigt, um seine Entlassung zum 31.8.1935 zu bitten. Dies ermöglichte es der Gemeinde, das DC-Schreiben ohne Gesichtsverlust als „überholt“ abzuheften. Dort haben wir es bei der Bestandsordnung unter dem unauffälligen Aktentitel „Diverse Aushilfskräfte“ entdeckt. Heinz Karl Ladwig erhielt formal korrekt ein Arbeitszeugnis, das ihm „vollste Zufriedenheit“ seines Arbeitsgebers und „tadellose Führung“ bescheinigte.

Wie verlief nun das weitere Schicksal der Familie Ladwig?

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„Frankiert ist er schon.“ Ein Brief Martin Gaugers von 1937 im Archiv der EKiR

Martin Gauger (1905-1941) aus Elberfeld (Wuppertal) verweigerte als einzig namentlich bekannter Jurist den Treueeid auf Adolf Hitler. Nach der Entlassung aus dem Staatsdienst 1934 arbeitete der Jurist für den Lutherrat der Bekennenden Kirche. Die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen führte letztlich zu seiner Ermordung in der Euthanasieanstalt „Sonnenstein“ bei Pirna.

Die Evangelische Kirche im Rheinland hat bereits im letzten Jahr Martin Gauger im Rahmen des Kunstprojektes „Kirchenköpfe“ geehrt. Dem schloss sich vor zwei Tagen eine öffentliche Podiumsdiskussion in der Düsseldorfer Johanneskirche an, die von Barbara Dauner-Lieb, Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen, NRW-Justizminister Peter Biesenbach und Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland bestritten wurde.

Im Archiv der EKiR ist nur ein Schreiben Gaugers überliefert; dieses hat es aber in sich. Hintergrund ist der Konflikt um die angesehene Druckerei Köhler in Elberfeld. Köhler hatte im Oktober 1937 eine Erklärung der Bekennenden Kirche gegen das Pamphlet „Protestantische Rompilger“ des NS-Ideologen Alfred Rosenberg hergestellt. Daraufhin wurde der Betrieb umgehend von der Gestapo geschlossen.

Gauger setzte sich nun mit großem Engagement für Köhler ein und versuchte hierzu verschiedenste Beziehungen zu NS-Parteigrößen zu aktivieren. In diesem Zusammenhang ist sein Brief vom 30.12.1937 an den befreundeten BK-Pfarrer Kurt Essen (1904-1993) zu verstehen.

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