Ostern – eine Zeit des Protests?

7NL 038 Nr. 28 – Broschüre „Ostermasch 1968“

Ostern kann mit vielen Dingen in Verbindung gebracht werden. Ob man dabei an Osterhasen, bunte Eier, Eiersuchen, Schokolade, Hefegebäck, Schulferien, Ratschen oder Palmstöcke denkt, ist von Mensch zu Mensch verschieden. An Ostern feiert man die Auferstehung Jesu Christi und somit seinen Sieg über den Tod. Für die Christenheit ist Ostern das wichtigste Fest im Kirchenjahr.

Für die einen mag Ostern nun damit die Zeit der Besinnung und Ruhe sein. Für andere hingegen ist Ostern die Zeit des Protests und der Demonstration, genauer gesagt die Zeit der Ostermärsche.

Ostermärsche haben ihren Ursprung in der Nachkriegszeit in Großbritannien. Die Campaign for Nuclear Disarment (CND) protestierte 1958 zum ersten Male gegen die atomare Aufrüstung. Von London aus marschierten Aktivisten nach Aldermaston (Aldermaston March), wo ein Kernforschungszentrum angesiedelt war. Der Protestzug fiel dabei mit dem Osterfest zusammen, was keineswegs ein Zufall war. Man entschied sich viel mehr bewusst für den kirchlichen Feiertag, um die symbolische Bedeutung von Ostern, als Fest der Auferstehung, des Friedens und der Hoffnung, verstärkt in die Welt hinauszutragen.

Die Protestbewegung stieß international auf breite Resonanz. Bereits an Karfreitag 1960 fand auch in Deutschland der erste Ostermarsch statt. Die Ostermärsche entwickelten sich schnell zu einer Massenbewegung, die von vielen verschiedenen Friedensinitiativen und politischen Gruppen getragen wurde. Protestiert wurde gegen Atom- und Massenvernichtungswaffen, generell gegen Aufrüstung und Krieg (Vietnamkrieg) und für Frieden, Völkerverständigung, Menschenrechte und Umweltschutz.

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„Lieber Rößler“: Briefe Dietrich Bonhoeffers im Archiv der EKiR

In den letzten Tagen ist intensiv an den 80. Todestag des Theologen Dietrich Bonhoeffer erinnert worden. Er hatte sich im Widerstand gegen das NS-Regime engagiert und wurde noch am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet. 1906 geboren, machte er während seines Studiums in Berlin Bekanntschaft mit dem etwas älteren Helmut Rößler (1903-1982). Es entwickelte sich eine Freundschaft und Im Dezember 1927 verteidigte Bonhoeffer seine Promotionsthesen gemäß dem damals üblichen akademischen Verfahren gegen Rößler und zwei weitere Kommilitonen.

Pfarrer Dietrich Bonhoeffer in Sigurdshof 1939 (Bundesarchiv, Bild 146-1987-074-16 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE)

1934 entzweiten sie sich aber bitter über die kirchenpolitischen Haltung der Auslandsgemeinden zur staatstreuen und NS-affinen Deutschen Evangelischen Kirche: Rößler, damals im niederländischen Heerlen tätig, wandte sich in einem Rundschreiben an die westeuropäische Pfarrkonferenz explizit gegen den Plan Bonhoeffers, zu der Zeit Pfarrer einer Londoner Gemeinde, sich der Bekennenden Kirche anzuschließen. Der Kontakt zwischen beiden wurde nie mehr aufgenommen.

Neun Autografen Bonhoeffers aus dem Zeitraum 1928-1934 sind im Nachlass Rößlers erhalten. Er hatte sie in den 1960er Jahren Bonhoeffers Freund und Biograf Eberhard Bethge für die Gesamtausgabe der Werke Bonhoeffers überlassen. Dort sind sie dann auch 1991 in Band X publiziert worden. Freilich steht dort beim Quellennachweis jeweils „verschollenes Original“, was nicht zutrifft: Die Korrespondenzen waren zu einem unbekannten Zeitpunkt bereits vor 1982 an Rößler zurückgegeben worden.

Helmut Rößler (1903-1982) hält einen Vortrag über Liturgik auf dem Predigerseminar in Essen Nachlass OKR Rößler Datum: 1968 Ort: Essen Signatur: AEKR 8SL 046 (Bildarchiv), 011_0176 Fotosammlung: 10.R/58

Hat der würdige Düsseldorfer Konsistorialrat und spätere Oberkirchenrat Helmut Rößler eigentlich jemals gelächelt? Zumindest wahrscheinlich nicht in der Öffentlichkeit, und bei all seiner unstrittigen intellektuellen Kapazität und seinem Können als Prediger sind ihm wohl niemals Humor oder Ironie bescheinigt worden. Aber für Bonhoeffer war er sicherlich ein geschätzter und theologisch versierter Gesprächspartner. In der Studienzeit und selbst bis zu dem bitteren kirchenpolitischen Konflikt 1934 empfanden sie sich unzweifelhaft als Freunde, wenn es auch in der Anrede stets beim respektvollen „Sie“ blieb.

Zur Illustration des vertrauensvollen Miteinanders sei Bonhoeffers Brief vom 23. Februar 1930 zitiert. Hintergrund ist die gerade erfolgte Geburt von Diethelm, dem ersten Kind Rößlers und seiner Frau Alix, die im Vorjahr geheiratet hatten:

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Neue Digitalisate der Ev. Kirchengemeinde Aachen online

Reformierte Kirchengemeinde, Entstehung, Verfasung, Bekenntnisstand, enthält: Kirchenbau betreffend in der Eselsgasse zu vgl. die Konsistorialrechenbücher 1588 ff. Schreiben zwischen Pfalzgraf Johann Casimir und der Stadt Aachen, 29. Februar 1588, 3. März 1588, mit Baurechnungen; Bestand: AEKR 4KG 004 (Kirchengemeinde Aachen), Nr. 48 Teil 1

Auf unserer Website sind neue Digitalisate zur Aachener Kirchengemeinde (4KG 004) verfügbar. Online einsehbar waren bisher die Kirchenzeugnisse der reformierten und lutherischen Gemeinde, sowie einige Amtsbücher.

Ergänzend sind nun Akten (Az. 0) zugänglich, die die reformierte Kirchengemeinde, ihre Entstehung, Verfassung und ihren Bekenntnisstand zum Inhalt haben, Nr. 47 und 48. Sie umreißen den Zeitraum Mitte des 16. bis Mitte des 17. Jahrhunderts und werfen ein Schlaglicht auf das Leben der Reformierten in Aachen in der Frühen Neuzeit.

Daneben finden sich unter den Nummern 49, 50 und 51 die ersten Teile der Korrespondenzserie von Pfarrer Wenningius, die ihn in seiner Rolle als Beobachter und Vertreter bei den Friedensverhandlungen in Osnabrück und Münster, die schließlich zum Westfälischen Frieden führten, dokumentieren.

Georg Ulrich Wenning (1615-1696) nimmt eine bedeutende Stellung in der Geschichte der reformierten Gemeinde Aachens ein. Über die Kindheit des aus Eschenbach in der Oberpfalz stammenden Wenning ist nichts bekannt. In Quellen tritt er als Student erstmals in Erscheinung. So kann zumindest nachverfolgt werden, dass er in Wittenberg, Zerbst und Bremen Theologie studiert hat, wobei er v.a. in Bremen theologisch besonders geprägt wurde. 1642 kam Wenning an die Leidener Universität und ab 1645 trat er vertretend als Prediger in Amsterdam auf.

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Begegnungen mit Margarete Schneider

Paul Schneider gehört in der Erinnerungskultur der Evangelischen Kirche im Rheinland zu den großen Namen. Über sein Leben, Wirken und Nachwirken gibt es zahlreiche Veröffentlichungen. Auch hier im Blog wurde schon oft darüber geschrieben.

Paul und Margarete Schneider, Verlobung?, 22.10.1922, aus: AEKR, 8SL 046

Mittlerweile gerät auch seine Frau Margarete Schneider stärker in den Fokus und erhält die Würdigung für ihre eigenen Verdienste. Auch über sie liegt mittlerweile eine ausführliche Biografie und zahlreiche kleinere Veröffentlichungen vor. Besonders hervorgehoben werden darin die Tapferkeit und Standhaftigkeit, mit der sie ihrem Mann bedingungslos zur Seite stand.

Nach dessen Tod machte sie es sich zur Aufgabe das Gedenken an ihn und die Auseinandersetzung mit den Gräueln der NS-Diktatur wachzuhalten. Dafür wurde sie im Jahr 2000 sogar mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.

Auch damals schon machte die Haltung Margarete Schneiders Eindruck auf die jungen Mitglieder der Bekennenden Kirche.

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Predigten von Superintendenten Friedrich Horn im Dritten Reich

Der Duisburger Superintendent Friedrich Horn (1875-1957), auch Fritz Horn genannt, ist Begründer der „Rheinischen Kirchlichen Arbeitsgemeinschaft Ordnungsblock“ im Jahr 1934. Mit seinem kirchenpolitischen Engagement versuchte Horn eine Vermittlerrolle im Kirchenkampf zwischen Bekennender Kirche und Deutschen Christen einzunehmen. Nicht zuletzt wegen seiner unbedingten Loyalität zum NS-Staat führte sein Wirken aber de facto zur Stabilisierung der DC-geführten Kirchenregierung.

Horn, Fritz (Friedrich), Pfarrer
Präses der Provinzialsynode
abgedruckt in: Der Weckruf, 3. Jg. 1935, Nr. 16 vom 21.04.1935, S. 252

Horn wurde am 9. Mai 1875 als Sohn des Pädagogen Dietrich Horn in Orsoy geboren. Nach seinem Theologiestudium arbeitete er einige Jahre als Lehrer in der von seinem Vater geleiteten Präparandenanstalt. 1905 wurde er Hilfsprediger in der Gemeinde Laar im Kirchenkreis Duisburg, wo er am 24. Dezember 1905 ordiniert wurde und im folgenden Jahr die Nachfolge der Laarer Pfarrstelle von Heinrich Forsthoff übernahm, die er bis zu seiner Emeritierung 1945 innehatte.

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Erster Teil der Kirchenkampfakten von Joachim Beckmann online

Joachim Beckmann, AEKR 8SL046 (Bildarchiv)

Wilhelm Joachim Beckmann (1901–1987) war ein herausragender Wegbereiter und führender Vertreter der Bekennenden Kirche im Rheinland. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlangte er als Hochschullehrer und Chronist des Kirchenkampfes, sowie ab 1958 als Präses der jungen rheinischen Landeskirche große Bekanntheit. Neben seiner Arbeit als Präses der rheinischen Landeskirche war Beckmann auch als Schriftsteller und Theologe aktiv. Seine Schriften und Reden trugen entscheidend dazu bei, das historische Erbe des Kirchenkampfes zu bewahren und das kirchliche Leben in der Nachkriegszeit zu gestalten.

Seine umfassenden Handakten zum Kirchenkampf (6HA004 Kirchenkampfakten Joachim Beckmann), die als bedeutende Quelle für die Zeitgeschichte gelten, gehören zu einem Archivbestand, der regelmäßig von Forschenden eingesehen wird. Aus diesem Grund haben wir in diesem Jahr begonnen, diese Akten schrittweise zu digitalisieren und sie als PDF-Dateien auf unserer Website einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wir freuen uns, dass nun der erste Teil A, „Schriftwechsel 1938–1945“, zum Download bereitsteht.
Die Digitalisierung der Kirchenkampfakten ist Teil eines größeren Projekts, das darauf abzielt, die Geschichte des Widerstandes in der Kirche zu bewahren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In den kommenden Monaten werden weitere Akten und Dokumente aus dem Archiv digitalisiert und online gestellt, um ein noch umfassenderes Bild des Kirchenkampfes zu vermitteln.

Predigten zum Reformationsgedächtnisfest

Ich möchte meine Reihe fortsetzen, Predigten evangelischer Pfarrer und Pfarrerinnen entlang des Kirchenjahres vorzustellen. Das Potential von Predigten als historische Quelle ist immens und längst in der Forschung angekommen. Im Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland mangelt es zum Reformationstag – dem typisch protestantischen Fest im Kirchenjahr – nicht an überlieferten Predigten.

Überfüllte Reformationsfeier im Planetarium (Tonhalle) Düsseldorf
Fotograf: Hans Lachmann
Datum: 1963 Ort: Düsseldorf
Signatur: AEKR 8SL046 (Bildarchiv), 7_0111019, Schachtel 741 (90/5368)
Präses Joachim Beckmann (1901-1987)
am Rednerpult
Reformationsfest
ökumenischer Eurovisionsgottesdienst
Merkatorhalle Duisburg 1970
Hans Lachmann, Schachtel Nr. 145

In der Vorauswahl las ich Predigten von Joachim Beckmann, die in seinem Nachlass von 1927 bis 1979 überliefert sind und die im Laufe der Jahrzehnte sich veränderten und entwickelten. Da bereits eine Reihe von Beiträgen zur Reformation von Joachim Beckmann veröffentlicht sind, soll hier ein Schlaglicht auf Pfarrerin Ilse Härter geworfen werden. Mir fiel eine 1968 in Elberfeld-West gehaltene Reformationspredigt von Pfarrerin Härter auf, weil sie mit den folgenden Worten beginnt:

Jemand hat einmal im Blick auf die Predigt gesagt: die Kirche kratzt einen immer da, wo es nicht juckt. Wenn das der Fall ist, kann das daran liegen, daß der Prediger weltfremd ist. Es kann aber ebenso daran liegen, daß die Predigthörer träge sind oder gleichsam noch in den Kinderschuhen stecken weil sie ihren Pfarrer überhaupt nicht wissen lassen, wo es zwickt, oder sie reden nur hinter seinem Rücken über ihre Probleme in der irrigen Meinung, daß ein Pfarrer damit nichts zu tun haben dürfte. Eine Gemeinde, die sich so verhält ist unmündig.

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