Pfarrer Johannes Rudolf aus Rosbach hatte vier Pfarrer als Schwiegersöhne

Es ist in der Geschichte des evangelischen Pfarrhauses bekannt, dass Pfarrerstöchter nicht selten Theologen geheiratet haben. Mir ist in der Pfarrerhistorie unserer Landeskirche nun eine etwas ungewöhnliche Konstellation aufgefallen, über die ich hier berichten möchte: Ein Pfarrer mit vier Schwiegersöhnen, die ebenfalls Pfarrer waren.

Johannes Rudolf, Pfarrer in Rosbach 1878-1913. Aufnahme aus „400 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Rosbach“

Pfarrer Johannes Rudolf wurde am 25.09.1844 in Wülfrath als Sohn eines Pfarrers geboren und starb am 05.11.1915 in Neuwied. Nach seinem Theologiestudium in Halle, Berlin und Bonn wurde er 1878 in die Pfarrstelle der Evangelischen Kirchengemeinde Rosbach an der Sieg gewählt. Politisch ist Rosbach heute Teil der Gemeinde Windeck im Rhein-Sieg-Kreis, die Kirchengemeinde gehört zum Kirchenkreis An der Agger.

Rudolf heiratete 1879 die aus Gevelsberg stammende Adelheid Bröking, die acht Jahre jünger war als er (geboren 11.02.1853). Das Paar bekam zwischen Dezember 1879 und August 1897 zehn Kinder, einen Sohn und neun Töchter! Der Sohn und Zwillinge starben im ersten Lebensjahr, eine weitere Tochter im siebenten Lebensjahr. Es verblieben also sechs Töchter, von denen vier die Ehe mit Pfarrern eingingen!

Wie lernten Pfarrerstöchter und junge Theologen sich kennen? Ganz einfach, diese leisten innerhalb ihrer Ausbildung Dienst als Vikar oder Hilfsprediger in der Gemeinde des Vaters! Auch in der Familie Rudolf war es in zwei Fällen so, in einem weiteren Fall stammt der junge Theologe selbst gebürtig aus Rosbach.

Die älteste Tochter war Elisabeth Rudolf, geboren 19.12.1880. Sie heiratete am 04.02.1909 Arnold Krüssenberg aus (Mülheim an der Ruhr-)Speldorf, geboren 29.06.1877. Er wurde am 03.04.1906 in Rosbach ordiniert und leistete dort bis 1907 seinen Hilfspredigerdienst. Nach weiteren Stationen in (Essen-)Kray und Rheydt wurde er 1908 in die Pfarrstelle Wiebelskirchen im Saargebiet gewählt. Uns ist eine 1909 geborene Tochter des Paares bekannt. 1914 wechselte die Familie nach Ottweiler an der Saar, wo Krüssenberg die erste Pfarrstelle bis 1937 versah. Im Ruhestand lebte das Paar in Homburg an der Saar, wo Elisabeth bereits am 19.12.1951 starb. Arnold folgte ihr am 07.01.1966.

Schreiben von Karl Fündling an das Königliche Konsistorium der Rheinprovinz mit Heiratsabsicht vom 9.04.1913. Aus Bestand: AEKR 1OB009, F75

Unmittelbarer Nachfolger Krüssenbergs als Hilfsprediger in Rosbach wurde Karl Fündling (geboren 04.06.1878 in Hoppers, Kreis Grevenbroich), der dort am 13.11.1906 ordiniert wurde; die Angaben sind ungenau, vielleicht waren die beiden noch kurz gleichzeitig dort. Bei der zweiten Tochter Maria Rudolf, geboren 05.07.1882, muss Karl bleibenden Eindruck hinterlassen haben, denn sie heirateten in Rosbach am 07.05.1913, also erst sechs Jahre, nachdem Fündling Rosbach verlassen hatte, um in anderen Gemeinden für Entlastung des Pfarrers zu sorgen. Aus Gründen der Versorgung der möglichen Hinterbliebenen durften Pfarrer erst nach der Übertragung der ersten Pfarrstelle in den Stand der Ehe eintreten. 1913 wurde er in die Pfarrstelle Mehren im Kirchenkreis Altenkirchen (Westerwald) gewählt, wo er bis zu seiner Emeritierung 1946 blieb.

Uns sind zwei Kinder des Paares bekannt, ein Sohn (* 1914), eine Tochter (* 1919). Karl starb in Mehren am 17.05.1955, Maria am 01.01.1962.

Meiswinkel, Otto, * 05.12.1882, Pfarrer, Kgm. Waldbröl, Superintendent Fotosammlung: 10.M/13

Die dritte Tochter Klara Johanna wurde am 20.10.1884 geboren. Bei ihr hat das obige „Modell der Partnersuche“ wohl nicht funktioniert. Sie scheint über viele Jahre ledig geblieben zu sein, bevor sie Pfarrer Otto Meiswinkel heiratete. Meiswinkel wurde am 05.12.1882 in Rosbach (!) geboren. Seit 1912 war er Pfarrer der zweiten Pfarrstelle in Waldbröl, das unmittelbar nördlich von Rosbach liegt. Er war seit 1912 mit Klara Walter aus Potsdam verheiratet und hatte mir ihr drei Kinder, eines verstarb bereits 1916. Die Eheleute erkrankten 1918 schwer an Grippe, Klara starb am 19.10. (Verhandlungen der Kreissynode An der Agger, 1918/19, S. 39).

Man kann sich ausmalen, dass vielleicht die mittlerweile 34jährige Klara Johanna Rudolf aus der Geburts- und Nachbarstadt Meiswinkels die Versorgung des Haushalts und der beiden Kinder übernommen hat. Jedenfalls heirateten die beiden am 11.05.1922. Ihnen wurden noch zwei Töchter geboren. Otto Meiswinkel war von 1935 bis 1946 als Assessor Superintendenturverwalter des Kirchenkreises An der Agger. Ein Sohn aus erster Ehe fiel im Weltkrieg 1941. Otto ging 1952 nach 40jähriger Tätigkeit in Waldbröl in den Ruhrstand, er verstarb am 25.02.1963. Klara Johanna starb am 23.01.1973.

Die vierte Tochter Emilie, geboren 03.09.1890, heiratete am 30.07.1924, also im Alter von 33 Jahren, den Kandidaten des Pfarramts Karl Friedrich Zickwolff. Dieser wurde am 08.02.1895 in Sulzbach an der Saar geboren, war also etwa vier Jahre jünger. Die Eltern hatten zu seiner Studentenzeit ihren Wohnsitz in Ottweiler genommen. Das ist von Bedeutung, denn es dürfte der Schlüssel sein zu der Frage, wie sich Emilie und Karl kennengelernt haben: Beziehungsanbahner ist mit Sicherheit das Ottweiler Pfarrhaus von Arnold Krüssenberg – siehe oben bei Tochter Elisabeth!

Kirchenzeugnis von Pfarrer Krüßenberg der Evangelischen Gemeinde zu Ottweiler für Karl Zickwolff vom 18.08.1922. Aus Bestand: AEKR 1OB009, Z37

Nach dem ersten Examen wurde er zum 01.01.1924 als Vikar in Neunkirchen (Saar) eingewiesen; seinen Wohnsitz behielt er in Ottweiler. Bereits im Frühjahr 1924 meldete er sich zum zweiten Examen für den Herbst des Jahres.

Karl Friedrich Zickwolff, 1895-1964

Gewisse Umstände bei Emilie veranlassten Karl, beim Konsistorium am 14. Juli 1924 anzuzeigen, dass er am 29. Juli 1924 sich mit Emilie Rudolf „zu verheiraten gedenke. Im Falle meines vorzeitigen Ablebens sind etwaige Hinterbliebene durch vorhandenes Vermögen – hauptsächlich Grundvermögen – sichergestellt.“ Der Superintendent vermerkte noch, er habe Zickwolff „ernstlich gewarnt, einen solchen Schritt zu tun“; das Konsistorium hatte jedoch „keine Einwendungen.“ (!)

Zickwolff habe aber „keinerlei Ansprüche auf Unterstüzung oder Unterhalt.“ So hatten die beiden Liebenden ein aufregendes halbes Jahr mit Hochzeit am 29.07.24, zweitem Examen am 27.-29.10.24, und … Geburt des ersten Kindes am 24.01.1925! Noch vorher, ab 15.11.24, wurde Karl als Hilfsprediger in die Kirchengemeinde Saarlouis im Pfarrbezirk Dillingen eingewiesen und dort am 07.12.24 ordiniert. 1926 wurde der Pfarrbezirk selbständige Kirchengemeinde, in deren Pfarrstelle Karl Zickwolff 1927 gewählt wurde. 1928 wurde dann noch ein zweites Kind geboren. Karl blieb in Dillingen bis zum Ruhestand 1964, unterbrochen durch einen kommissarischen Einsatz in Birkenfeld (Nahe) in der Zeit der Saarland-Räumung 1939-1940. Über 16 Jahre versah er das Amt des Superintendenten des Kirchenkreises Völklingen 1948 bis 1964. Bereits vorher erkrankt, starb er am 23.09.1964. Seine Frau Emilie starb in hohem Alter am 19.02.1985.

Um ganz ehrlich zu sein, muss ich zugeben, dass der Schwiegervater, Pfarrer Johannes Rudolf, diese Eheschließung nicht mehr erlebt hat, da er ja 1915 verstorben war. Das Sterbejahr seiner Ehefrau Adelheid, Schwiegermutter der Pfarrer, wissen wir nicht.

(Quellen: Jochen Gruch (Hg.): Die evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer im Rheinland, Bd. 2-4, Nr. 10932, 7260, 3648, 8418, 14863. Personalakten 1OB 009 Nr. K 116, F 75, M 123, Z 37. Die Personalakte von Johannes Rudolf ist Kriegsverlust)

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