Über Ulrich Dühr

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Versetzungsgesuch des Pfarrers von Hermeskeil zeigt gut die Probleme des Pfarrdienstes 1947

Von 1933 bis 1947 amtierte in der Evangelischen Kirchengemeinde Hermeskeil auf dem Hunsrück der Pfarrer Hans Obermann (1905-1979 oder 1980). Er war fünf Jahre Soldat im Zweiten Weltkrieg und hatte seinen Dienst 1946 wieder aufgenommen. Vor fast genau 78 Jahren schrieb er ein Versetzungsgesuch an das damalige Konsistorium der Rheinprovinz in Düsseldorf. Dieses Schreiben möchte ich hier wiedergeben, da es sehr gut die Probleme aufzeigt, die in dieser Zeit, besonders in einer Landgemeinde der Diaspora, auftreten konnten:

Hermeskeil, den 27.8.1946

An das evangelische Konsistorium der Rheinprovinz

Versetzungsgesuch

Das Konsistorium bitte ich um Versetzung in eine andere Pfarrstelle aus folgenden Gründen:

Um der Gemeinde willen. Als ich anfangs 1933 die Hermeskeiler Pfarrstelle antrat, fand ich eine starke Gruppe Deutscher Christen vor, die vom Amtsvorgänger Pfarrer Krüger gegründet war. Ich selbst hielt mich zur Bekennenden Kirche. Während des Kirchenkampfes suchte ich eine Spaltung der Gemeinde zu verhüten, die in der Diaspora die Auflösung bedeutet hätte. Diese Gefahr wurde noch dadurch grösser, dass Hermeskeil als Heimat des ehemaligen Gauleiters Simon ein parteipolitischer Schwerpunkt (Gaumusterdorf) der Westmark geworden war. Der beständige Druck der im Ort ansässigen Kreisleitung auf unsere Gemeindeglieder, grösstenteils abhängige Beamte und Angestellte, hatte viele Kirchenaustritte, wenigstens der Männer, zur Folge.

Nach dem Zusammenbruch suchten diese Enttäuschten wieder Anschluss an unsere Gemeinde. Dabei hindert aber gerade die Aufrichtigen unter ihnen die Scheu vor dem Pfarrer, der ihre Vergangenheit kennt. Ein Pfarrerwechsel würde diese menschlichen Bedenken und Hemmungen beseitigen und einen neuen Anfang ermöglichen.

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65 Jahre Telefonseelsorge Düsseldorf: „Wer hört, hilft“

DER WEG, das evangelische Sonntagsblatt für das Rheinland, berichtete in seiner Ausgabe Nr. 3 vom 18. Januar 1959 (S. 2):

Telefonseelsorge in Düsseldorf. Unter der Nummer 5 15 15 sind bei Tag und Nacht Ratgeber zu erreichen
Ein telefonischer Seelsorgedienst wird vom 10. Januar an allen ratsuchenden Menschen in Düsseldorf zur Verfügung stehen. Unter der Telefonnummer können die Anrufer Tag und Nacht Aerzte, Juristen, Pfarrer und andere fachkundige Persönlichkeiten zur seelsorgerlichen Aussprache erreichen. Der zu diesem Zweck […] gebildete Arbeitskreis hat sich den Namen „Die dargebotene Hand“ gegeben. Er hat seinen Sitz im neuen Gebäude der Evangelischen Beratungsstelle für Erziehungs-, Ehe- und Lebensfragen in Düsseldorf-Oberkassel, Kaiser-Friedrich-Ring 27.

Man stütze sich auf das Vorbild und die Erfahrungen aus Berlin, Kassel und einigen europäischen Städten und gehe von der Erkenntnis aus, dass in Verzweiflung geratene Menschen mit ihren persönlichen Nöten sich scheuten, einen Arzt oder Pfarrer aufzusuchen. Das zunächst anonyme Telefonat biete hier eine Chance.

Dr. Christa Brandt, Leiterin der Telefonseelsorge Düsseldorf 1959-1980. Fotograf: Hans Lachmann, 1976. Signatur: AEKR 8SL 046 (Bildarchiv), 016_0049, Schachtel: 1652 (16298)

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) war im Herbst 1957 auf diese neue Form der Seelsorge aufmerksam geworden und hatte unter dem Betreff „Telefon-Pfarrämter“ bei den Landeskirchen nach bereits bestehenden Einrichtungen dieser Art gefragt (1OB 017 I Nr. 3694). Der oben im Zitat erwähnte Name „Die dargebotene Hand“ stammte aus der Schweiz. In einem Bericht vom 13.01.1958 an die EKD heißt es, es solle auch nicht der in Berlin gebräuchliche Begriff „Lebensmüdenbetreuung“ verwendet werden, da diese nach den Erfahrungen nur einen kleinen Teil der Anrufer ausmachten. Der Ausdruck „kirchlich“ oder „pfarramtlich“ solle tunlichst vermieden werden. „Telefonseelsorge“ wurde bereits mit dem Start zum Markennamen. Der Personalbedarf wurde auf 15 bis 20 Mitarbeiter für die Telefonbesetzung rund um die Uhr – heute sagt man 24/7 – geschätzt, dazu die Leitung der Einrichtung. Nachts könne eventuell der Anruf in die Wohnung des diensthabenden Seelsorgers weitergeleitet werden „(was postalisch eingerichtet werden kann)“. Bei der Personalgewinnung scheine es nach den bisherigen Erfahrungen leichter zu sein, Frauen zu gewinnen. Männer kämen eigentlich erst nach der Pensionierung in Frage. Ein wesentlicher Punkt sei die Schulung der Mitarbeiter.

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Die drei Leben des Gebäudes der evangelischen Kirche in Essen-Bergeborbeck

Nördlich von Essen gab es bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein eine fast rein katholische Bevölkerung. Durch die Ausweitung des Steinkohlenbergbaus und der Industrialisierung wuchs die evangelische Bevölkerung rasant, u.a. durch Zuzug ostpreußischer Arbeiter. In der Kommunalgemeinde Borbeck wurde 1856 die Evangelische Kirchengemeinde Borbeck selbständig. In den abseitigen Gemeindeteil nördlich der sog. Köln-Mindener Eisenbahn – in der Gemarkung Vogelheim gelegen – wurde ab 1896 ein Hilfsprediger entsandt. Ab 1897 war das Pastor Hans Conrad, der diesen Gemeindeteil für die nächsten Jahre prägen sollte. 1899 wurde hier ein Betsaal gebaut, in dem auch die Gottesdienste abgehalten wurden. Errichtet hatte dieses Gebäude der Ev. Kirchbauverein Vogelheim. Aus finanziellen Gründen konnte erst 1903 eine eigene Pfarrstelle für den Bezirk Vogelheim errichtet werden, die dritte Pfarrstelle der Kirchengemeinde Borbeck. Hans Conrad amtierte hier bis 1907. Sein Nachfolger wurde für die nächsten 38 Jahre bis 1945 Wilhelm Viebahn. Nach langwierigen Bemühungen und einer Abstimmung in einer Gemeindeversammlung des Bezirkes wurde die Kirchengemeinde mit dem Namen „Vogelheim“ zum 01. April 1928 selbständig. Den Namen „Kirchengemeinde Essen-Bergeborbeck“ erhielt die Gemeinde gegen den Willen des Konsistoriums der Rheinprovinz zum 01. Januar 1934; der zu den „Deutschen Christen'“ gehörende Pfarrer Viebahn hatte den zeitweiligen „Bischof des Gaues Köln-Aachen“, Oberheid, zu einer Intervention veranlassen können.

Abbildung der Evangelischen Kirche Essen-Bergeborbeck. Aus Bestand: 1OB008(Ortsakten), Nr. 3910
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Ein Archivbesuch in der Literatur: „Ich spürte einen Anflug von Feierlichkeit, ein gespanntes Kribbeln“

Ich habe gerade den Roman „Machandel“ von Regina Scheer gelesen. Dieses im Jahr 2014 erschienene Buch erzählt eine Familiengeschichte in der DDR in Ost-Berlin und dem kleinen Dorf Machandel in Mecklenburg. Aus der Sicht von fünf Personen wird in 25 Kapiteln diese Familiengeschichte mehrerer Jahrzehnte für die Lesenden zusammengefügt. Eine dieser Personen ist Herbert, ein Jugendfreund des Bruders der Hauptprotagonistin Clara. Herbert ist Historiker und arbeitet nach der Wende in den 1990er Jahren an dem Thema der Verstaatlichung der preußischen Eisenbahnen. In diesem Zusammenhang fand ich auf Seite 423 des Romas den folgenden Abschnitt über seine Besuche im Archiv:

„Eine Stunde später war ich im Archiv, froh, dass ich dort sitzen konnte, um mich herum das Rascheln von Papier und das leise Klappern der Tastaturen. Ich berührte die Akte vor mir mitsamt ihren Stempeln und Kürzeln aus vergangenen Jahrhunderten, spürte wie immer in solchen Momenten einen Anflug von Feierlichkeit, ein gespanntes Kribbeln, eine Neugier. Was würde mir diesmal entgegenkommen, wenn ich das vergilbte Papier umblätterte? Es war jedes Mal ein Gang in Unbekanntes, Dunkles: in Räume, die sich überraschend öffneten, oder durch Gänge, die ins Nichts führten, man musste aufpassen, dass man nicht ausrutschte, es gab keinen vorgezeichneten Weg. Immer wieder erfuhr ich, wie scheinbar Vergangenes in die Gegenwart führt, wie es immer um dasselbe geht – um Menschen und ihre Träume, um Macht und Ohnmacht. Und die Dinge sind selten so, wie sie scheinen.“

Regina Scheer, Machandel, 2014, S. 423

In diesem Sinne würden wir uns freuen, Sie in unserem Archiv begrüßen zu dürfen!

Der Fürst von Nassau als Spiel- und Spaßverderber?

Bereits mit Datum vom 29. April 1768 hatte Carl, Fürst zu Nassau, Graf zu Saarbrücken und Saarwerden, Herr zu Lahr, Wißbaden und Idstein etc. verordnet, in welchem beschränkten Rahmen seine Untertanen Hochzeiten, Kindstaufen und Begräbnisse begehen dürfen:

Verordnung von Carl, Fürst zu Nassau, vom 29.04.1768, Titelblatt. AEKR Düsseldorf 1OB 022 Nr. 648

Zur Hochzeit, bei der „durchaus Zucht und Ehrbarkeit beobachtet“ werden solle, dürften „nicht mehr als „höchstens 12 Gäste, ausschließlich der im Hochzeit-Hauß befindlichen Familie“ geladen werden. „Kein Ueberfluß in Essen und Trincken“; „es mag Music und ehrbarer Tanz […] Abends um Zehen Uhr völlig aufgehoben und geendet werden“; „Auch soll von den Gästen […] kein Geschenk […] angenommen werden. Bei Taufen seien weder ein Frühstück vor dem Kirchgang noch eine Mahlzeit in dem „Kindbetter-Haus“ nach der Taufe erlaubt. Leichen dürften nicht in kostbarer Einkleidung, sondern nur im Totenhemd begraben werden, Särge nur aus Tannenholz hergestellt, ohne kostbare Beschläge. „Alle Trost-Weine und Leichen-Schmäuße sind hiermit, bey Zehen Gulden Strafe verbotten.“ Auch das Trauern wurde geregelt, genau genommen geht es um die Frage, wie lange und welche Trauerkleidung getragen werden dürfe.

Verordnung von Carl, Fürst zu Nassau, vom 29.04.1768, S. 3. AEKR Düsseldorf 1OB 022 Nr. 648
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Pfarrer Johannes Rudolf aus Rosbach hatte vier Pfarrer als Schwiegersöhne

Es ist in der Geschichte des evangelischen Pfarrhauses bekannt, dass Pfarrerstöchter nicht selten Theologen geheiratet haben. Mir ist in der Pfarrerhistorie unserer Landeskirche nun eine etwas ungewöhnliche Konstellation aufgefallen, über die ich hier berichten möchte: Ein Pfarrer mit vier Schwiegersöhnen, die ebenfalls Pfarrer waren.

Johannes Rudolf, Pfarrer in Rosbach 1878-1913. Aufnahme aus „400 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Rosbach“

Pfarrer Johannes Rudolf wurde am 25.09.1844 in Wülfrath als Sohn eines Pfarrers geboren und starb am 05.11.1915 in Neuwied. Nach seinem Theologiestudium in Halle, Berlin und Bonn wurde er 1878 in die Pfarrstelle der Evangelischen Kirchengemeinde Rosbach an der Sieg gewählt. Politisch ist Rosbach heute Teil der Gemeinde Windeck im Rhein-Sieg-Kreis, die Kirchengemeinde gehört zum Kirchenkreis An der Agger.

Rudolf heiratete 1879 die aus Gevelsberg stammende Adelheid Bröking, die acht Jahre jünger war als er (geboren 11.02.1853). Das Paar bekam zwischen Dezember 1879 und August 1897 zehn Kinder, einen Sohn und neun Töchter! Der Sohn und Zwillinge starben im ersten Lebensjahr, eine weitere Tochter im siebenten Lebensjahr. Es verblieben also sechs Töchter, von denen vier die Ehe mit Pfarrern eingingen!

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Von Velbert bis Düsseldorf: Tagungsorte der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland

In dieser Woche tagt die 77. Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland in Düsseldorf, dem Sitz der Kirchenleitung und des Landeskirchenamtes. Das klingt logisch, hierhin haben ja auch viele Synodale einen sehr kurzen Anfahrtsweg. Dafür ist es aus dem Saarland und dem Südrhein recht weit bis hier in den Norden der Landeskirche. Der eine oder die andere an der Kirche Interessierte wird sich an den langjährigen Tagungsort Bad Neuenahr erinnern, der tatsächlich fast genau in der Mitte liegt: 2:15 Stunden mit dem Auto von Emmerich, 2:25 Stunden von Saarbrücken. In der 75jährigen Geschichte der Landessynode der EKiR gab es bislang neun verschiedene Tagungsorte!

Erster Tagungsort nach dem Zweiten Weltkrieg war für die Provinzialsynoden 1946 und 1948 – diese konstituierte sich am 09.11.1948 als erste Landessynode – die Stadt Velbert im Städtedreieck Düsseldorf, Essen, Wuppertal. Velbert hatte nicht so umfangreiche Kriegsschäden und neben dem Bürgerhaus genügend kleinere Versammlungsräume. Hier versammelte sich auch die zweite ordentliche Landessynode 1950. Für die Beratung der neuen Kirchenordnung 1951 plante die Kirchenleitung zunächst eine Landessynodale Arbeitstagung in Rengsdorf im Westerwald. Man entschied sich aber für die Abhaltung einer außerordentlichen Landessynode in Rengsdorf in „vereinfachter Form“ und ohne „repräsentativen Charakter“ (28. Sitzung der Kirchenleitung, 20.07.1951, Punkt 8). Eine zweite Tagung dort im Gemeindehaus folgte 1952, ebenso die ordentlichen Landessynoden der Jahre 1953 bis 1958.

Landessynode 1958, Tagung in Rengsdorf, Gemeindehaus. Foto: Hans Lachmann, Bestand: AEKR Düsseldorf 8 SL 046 (Bildarchiv), 0200_0013
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