Trauerbeflaggung aller öffentlichen Gebäude zum Tod von Papst Pius XII. 1958 – auch von evangelischen Schulen?

Papst Pius XII

Am 9. Oktober 1958 starb in Castel Gandolfo Papst Pius XII. im Alter von 82 Jahren als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche und als Staatsoberhaupt der Vatikanstadt. Auf Grund „einer grundsätzlichen Entscheidung des Herrn Ministerpräsidenten [Franz Meyers, CDU] nicht auf einer Anordnung des Herrn Bundesministers des Innern beruhende Beflaggungsanordnung anläßlich des Ablebens von Papst Pius XII.“ wurde eine Trauerbeflaggung aller öffentlichen Gebäude in Nordrhein-Westfalen für die Dauer von drei Tagen angeordnet (Bestand 1OB 017 I Nr. 215, Schreiben des Innenminsters NRW vom 27. Januar 1959). In anderen Bundesländern scheint es ähnliche Anordnungen gegeben zu haben.

„Nach altem Recht [steht diese Art der Beflaggung] ausländischen Souveränen“ [zu]. Auch sämtliche Schulen waren darin inbegriffen. Als in einzelnen Orten im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland auch evangelische Bekenntnisschulen zu einer solchen Trauerbeflaggung veranlasst wurden, erhielt die Kirchenleitung Anfragen von Schulleitern, wie sie sich zu verhalten hätten. Wo solche Schule bereits geflaggt hatten, kamen aus den Kirchengemeinden, zumal in Gegenden mit überwiegend evangelischer Bevölkerung, Proteste, die auch in Beschlüssen zweier Kreissynoden wiederholt wurden.

Die Kirchenleitung hatte sich unterdessen mit dem Innenminsterium des Landes Nordrhein-Westfalen in Verbindung gesetzt, um zu erreichen, dass jedenfalls evangelische Bekenntnisschulen nicht zum Flaggen gezwungen werden sollten. Es war daraufhin zugesichert worden, daß die Regierungspräsidenten entsprechende Anweisungen erteilen sollten. Trotzdem ist es an einzelnen Orten zu Schwierigkeiten gekommen. Städtische Dienststellen und Kreisbehörden haben auf die Beflaggung aller Schulen gedrungen.“

ebd., Schreiben an die Innenminister vom 16. Dezember 1958

Bereits am Tag nach dem Tod des Papstes, 10.10.1958, berichtete Präses Joachim Beckmann bei der Sitzung der Kirchenleitung der EKiR:

Verhandlungsniederschrift über die 20. Sitzung der Kirchenleitung am 10.10.1958 in Düsseldorf; S. 1, Absatz „Halbmastbeflaggung“. Aus Bestand: AEKR 1OB 033(Protokolle der Kirchenleitung)

Am 13. Oktober 1958 beschäftigte sich die Synode des Kirchenkreises Simmern (Rheinland-Pfalz) mit der angeordneten Trauerbeflaggung auch für evangelische Bekenntnisschulen und „sieht darin, zumal bei der ungewöhnlichen Länge solcher Beflaggung, einen Verstoß gegen die vom Staat gebotene konfessionelle Neutralität.“ (ebd., Schreiben des Superintendenten vom 24.10.1958).

Aus die Kreissynode Kleve nahm in ihrer Tagung am 27.10.1958 zu der Angelegenheit Stellung (ebd., Schreiben des Superintendenten vom 03.11.1958). Die Texte der beiden Synoden sind in der Stellungnahme des Präses auf der Landessynode 1959 wiedergegeben, siehe unten.

Noch am 18.10. teilte Pfarrer Kenntner aus Brühl telefonisch mit, dass der Leiter der dortigen evangelischen Volksschule die Anweisung erhalten habe, am Folgetag zu flaggen. Dem Oberstadtdirektor habe bei einer Rückfrage keine Anweisung vorgelegen, dass die Beflaggung für evangelische Schulen nicht gelte. (ebd., Aktenvermerk vom 18.10.1958).

In dem von Präses Beckmann gezeichneten Schreiben an die Innenminister vom 16.12.1958 (s. o.) weist die Landeskirche auf die auch von evangelischen Personen und Kirchen gewürdigten Verdienste des Papstes Pius hin, es sei für Protestanten „aus ihrer Glaubensüberzeugung und aus theologischen Gründen jedoch unmöglich, den Papst als ‚Vater der Christenheit‘ anzusehen.“ Es bestehe auch ein Unterschied zwischen seiner Stellung als Souverän des Vatikanstaates und als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Die Ministerien mögen dafür „Sorge tragen, dass in Zukunft eine Beunruhigung des evangelischen Bevölkerungsteils vermieden wird.“

In der evangelischen regionalen Presse des Rheinlandes wird in der Kirchenzeitung „DER WEG“ (Nr. 46, 16.11.1958, S. 2) einzig der Vorstand des Evangelischen Bundes, Landesverband Pfalz, zitiert, der die „durch verschiedene staatliche Instanzen – besonders in Rheinland-Pfalz – […] erlassenen Anordnungen“ kritisiert, die „weit über das Maß dessen hinausgegangen [sind], was in einem solchen Falle von Andersgläubigen billigerweise gefordert werden könne.“ In Ausgabe 42 dieses Sonntagsblattes vom 19.10.1958 waren in einem redaktionellen Beitrag die Verdienste von Pius gewürdigt worden.

Glaube und Heimat, Evangelisches Sonntagsblatt, Nr. 42, 1958. Aus: AEKR; Archivbibliothek; Sig. ZK17

Die in den evangelischen Gebieten des Hunsrücks verbreitete Sonntagszeitung „Glaube und Heimat“ veröffentlichte den folgenden kurzen Beitrag. Über die Kritik der Kreissynode Simmern (s. o.), die diese Region repräsentiert, wird mit keinem Wort berichtet. Also viel „heiße Luft“?

Aber die Angelegenheit war doch so wichtig, dass Präses Joachim Beckmann über ein halbes Jahr später in seinem Bericht auf der Landessynode der EKiR vom 10. bis 15. Mai 1959 ausführlich berichtete und die Entschlüsse der Kreissynoden Simmern und Kleve wörtlich wiedergab:

Text der Landessynode 1959, S. 30-31, Nr. 2. Bestand: AEKR; Archivbibliothek; Landesynode 1959; Sig. S II b 2

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