Neuzugang in Boppard: Das Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Winningen

Die Evangelische Archivstelle Boppard kann einen bedeutenden Neuzugang vermelden: Das im vergangenen Jahr übernommene Archiv der Kirchengemeinde Winningen steht nach seiner Überarbeitung jetzt für Benutzerinnen und Benutzer zur Verfügung. Die zwei Teilbestände Winningen I (Laufzeit 1400-1957) und II (Laufzeit 1957-1992) wurden in einem neuen Findbuch zusammengefasst und um bislang unverzeichnetes Schriftgut ergänzt. Das Archiv dokumentiert die religiöse, soziale, kulturelle und politische Entwicklung der Moselgemeinde über fast sechs Jahrhunderte.

Johann, Pfalzgraf bei Rhein, und Philipp, Markgraf von Baden, sprechen die Bürgerschaft des Fleckens Winningen von der Leibeigenschaft frei (1579); aus Bestand: AEKR 4KG 144B (Winningen), Urk. 2

Bis weit in vorreformatorische Zeit reicht darin ein kleiner Bestand an Urkunden zurück. Sie behandeln vor allem Besitz- und Nutzungsrechte, darunter Waldnutzungsrechte zwischen Winningen und Lay (1400, 1402), die Befreiung der Bürger von der Leibeigenschaft (1579) und finanzielle Regelungen wie Darlehen zur Bezahlung von Garnisonen (1620, 1622). Auch testamentarische Verfügungen (1664, 1685) und Rechtsstreitigkeiten, unter anderem mit dem Kloster Mariaroth über Holzrechte im Winninger Wald (1727), sind erhalten.

Verhörprotokoll aus einem Hexenprozess (1646); aus Bestand: AEKR 4KG 144B (Winningen), Nr. 8

Winningen wurde durch die Einführung der Reformation 1557 zu einer protestantischen Enklave inmitten des Kurfürstentums Trier. Diese Sonderstellung als Vorposten des Luthertums „mitten under den papisten“, wie es in einem Visitationsbericht von 1575 heißt, brachte nicht nur Vorteile mit sich – etwa eine besondere Förderung vor allem des Schulwesens seitens der protestantischen Landesherrschaft –, sondern selbstredend auch große Belastungen durch religiöse und politische Konflikte mit den katholischen Nachbarn. Innerhalb der Gemeinde manifestierte sich die konfessionelle Abgrenzung außerdem in strengen moralischen Normen und einer rigiden kirchlichen Disziplinierung, die zu einer starken sozialen Kontrolle führten. Dies äußerte sich unter anderem in den Hexenverfolgungen der Jahre 1631 bis 1659, die besonders durch innerdörfliche Feindschaften und gegenseitige Anklagen geprägt waren. Gleichzeitig entwickelte sich eine starke protestantisch-bürgerliche Identität der für ihre Gelehrsamkeit und Bibeltreue bekannten Winninger, die sich bis weit ins 19. Jahrhundert hielt.

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Tag der Archive – Ein Jahr später: Planung für den Tag der Archive 2026 im Stadtarchiv Düsseldorf

Vor gut einem Jahr fand der letzte Tag der Archive statt, der zahlreichen Interessierten die faszinierende Welt der Archive und eine Vielzahl historischer Quellen näherbrachte. Diese Veranstaltung bot eine einmalige Gelegenheit, das wertvolle Kulturgut, das in den Archiven schlummert, zu entdecken und die spannende Arbeit der Archivare kennenzulernen.

Nun, ein Jahr später, trafen sich die teilnehmenden Archive erneut im Stadtarchiv Düsseldorf, um die Planungen für den Archivtag 2026 zu starten. Seit Jahren spielt dieser Tag eine zentrale Rolle dabei, das Bewusstsein für die Bedeutung von Archiven in unserer Gesellschaft zu schärfen, und wird auch 2026 wieder einen festen Platz im kulturellen Kalender einnehmen. Archive sind weit mehr als bloße Aufbewahrungsorte für Dokumente – sie sind das Gedächtnis der Gesellschaft. Sie bewahren Geschichte, Identität und kulturelles Erbe eines Landes. Der Archivtag soll das Verständnis fördern, wie essenziell die Arbeit der Archive ist. Besonders im Fokus steht dabei der regionale Bezug zu Düsseldorf. Ziel ist es, die Bedeutung der Archive als Orte der Erinnerung und Geschichte zu stärken und gleichzeitig der Öffentlichkeit ihre Relevanz im digitalen Zeitalter zu verdeutlichen.

Bei unserem Auftakttreffen wurden daher zunächst die wichtigsten Eckpunkte festgelegt, allen voran das Datum. Wie in den vergangenen Jahren wird es in Düsseldorf wieder eine „Woche der Archive“ geben, um allen Interessierten die Möglichkeit zu bieten, mehrere Archive und Veranstaltungen zu besuchen. Diese findet in der Woche ab dem 9. März 2026 statt. Merken Sie sich das Datum also gerne schon jetzt in Ihrem Kalender vor!

In den kommenden Monaten geht es dann in die inhaltliche Planung, um auch im nächsten Jahr wieder ein abwechslungsreiches Programm auf die Beine zu stellen. Alle Informationen dazu finden Sie wie gewohnt auf dem Blog zum Tag der Archive.

Gotteshaus für kleines Geld: Die Schinkelsche Normalkirche in Grumbach

In der kleinen Gemeinde Grumbach, im Nordpfälzer Bergland in einem Seitental des Glans gelegen, wuchsen im frühen 19. Jahrhundert Bestrebungen zum Bau einer eigenen Kirche. Von den 660 Seelen der evangelischen Pfarrgemeinde konnte der bisherige Betsaal lediglich ein Sechstel fassen, überdies war die Hitze darin im Sommer mitunter so groß, dass den Gottesdienstbesuchern gesundheitliche Schäden drohten. Da die kommunalen Kassen klamm waren, rief Bürgermeister Glaser 1831 die Einwohner zur finanziellen Beteiligung auf und es wurden Spenden in Grumbach und Merzweiler gesammelt. Endgültig Fahrt nahm die Initiative jedoch erst mit dem Übergang an Preußen 1834 auf – nicht zuletzt durch die Unterstützung der Wild- und Rheingräfin Luise Charlotte, die den preußischen König Friedrich Wilhelm III. auf das Anliegen der evangelischen Gemeinde aufmerksam machte.

Die Evangelische Kirche auf dem Schlossberg in Grumbach, 2020; Foto: Peter62x – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org (Ausschnitt).

Die preußische Regierung forderte eine detaillierte Kostenkalkulation, die 1835 vom beauftragten „Bauconducteur“ Leonhard aus Saarbrücken erstellt wurde. Die Baukosten wurden zunächst mit 6693 Talern veranschlagt. Aufgrund der angespannten finanziellen Lage der Gemeinde setzte die Regierung jedoch eine Obergrenze von 5000 Talern fest. Zur Finanzierung wurde neben einer Kollekte auch ein sogenanntes Gnadengeschenk des Königs in Höhe von 3000 Talern bewilligt.

Baumeister Leonhard entwarf die Grumbacher Kirche nach den Vorgaben der sogenannten „Schinkelschen Normalkirche“, einem Kirchenbautyp, den der preußische Architekt Karl Friedrich Schinkel kurz zuvor entwickelt und König Friedrich Wilhelm III. 1827 mit einem „Normalkirchenerlass“ verfügt hatte. Nach den Napoleonischen Kriegen bestand in Preußen ein hoher Bedarf an neuen Kirchen, während gleichzeitig die finanziellen Mittel vieler Gemeinden begrenzt waren. Schinkel entwickelte daher standardisierte Kirchenmodelle, die kostengünstig, funktional und dennoch ästhetisch ansprechend waren. Diese Bauten wurden insbesondere in ländlichen Regionen und kleineren Städten errichtet.

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Begegnungen mit Margarete Schneider

Paul Schneider gehört in der Erinnerungskultur der Evangelischen Kirche im Rheinland zu den großen Namen. Über sein Leben, Wirken und Nachwirken gibt es zahlreiche Veröffentlichungen. Auch hier im Blog wurde schon oft darüber geschrieben.

Paul und Margarete Schneider, Verlobung?, 22.10.1922, aus: AEKR, 8SL 046

Mittlerweile gerät auch seine Frau Margarete Schneider stärker in den Fokus und erhält die Würdigung für ihre eigenen Verdienste. Auch über sie liegt mittlerweile eine ausführliche Biografie und zahlreiche kleinere Veröffentlichungen vor. Besonders hervorgehoben werden darin die Tapferkeit und Standhaftigkeit, mit der sie ihrem Mann bedingungslos zur Seite stand.

Nach dessen Tod machte sie es sich zur Aufgabe das Gedenken an ihn und die Auseinandersetzung mit den Gräueln der NS-Diktatur wachzuhalten. Dafür wurde sie im Jahr 2000 sogar mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.

Auch damals schon machte die Haltung Margarete Schneiders Eindruck auf die jungen Mitglieder der Bekennenden Kirche.

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Ein Kassenbuch erinnert an die Zeit der Währung „Französischer Franc“ im Saarland

Es macht schon was her, dieses Kassenbuch im Format 46 x 34 cm. Auf dem Buchdeckel klebt ein Schild, das in sauberer Schrift den Titel „- Saarland – Einnahme= / Ausgabe= Tagebuch. Angefangen: 1. Oktober 1948. Beendet: 25. April 1951.“ zeigt. Oberhalb des Wortes „Saarland“ prangt noch der Stempelaufdruck „Konsistorialkasse.“

Deckel des Einnahme- und Ausgabe-Tagebuchs der Konsistorialkasse Saarland mit Einträgen vom 01.10.1948-25.04.1951. Aus Bestand: 1OB 021M(Rechnungswesen der Synodalkassen/ Landeskirchenkassen), Nr. 74

Dieses Kassenbuch repräsentiert eine kaum schätzbare Zahl gleichartiger Verzeichnisse des Zahlungswesens aus der Zeit vor der automatischen (später: elektronischen) Datenverarbeitung. Dabei hat dieses Exemplar, das in der Buchbinderei Hub. Bommers, Düsseldorf, Jägerhofstraße 5, hergestellt wurde, nur 100 Blatt; da gab es ganz andere Kaliber. Jede Doppelseite ist in 21 Spalten und 30 Zeilen aufgeteilt. Übrigens stammt das Buch noch aus der Reichsmark-Zeit, wie die Abkürzungen „RM“ und „Rpf“ belegen. Auf den ersten 18 Seiten wurde mit Stempel „ffrcs“ für „französische Francs“ darüber gestempelt, dann aber unterlassen. Das Buch wurde offensichtlich für Zwecke der kirchlichen Kassenverwaltung hergestellt, denn die Spalten 10 bis 14 tragen die Überschrift „Kirchenregimentliche Verwaltung.“

Seite 53 des Einnahme- und Ausgabe-Tagebuchs der Konsistorialkasse Saarland mit Einträgen vom 01.10.1948-25.04.1951. Aus Bestand: 1OB 021M(Rechnungswesen der Synodalkassen/ Landeskirchenkassen), Nr. 74

Die Doppelseiten bis 47 enthalten die Einnahmen, ab Seite 51 folgen die Ausgaben. Die abgebildete Doppelseite beeindruckt durch die saubere Buchführung. Auffallend sind die hohen Beträge, mit denen hier gerechnet wurde. Z. B. wurden in Zeile 73 Reisekosten für Pfarrer Seynsche in Höhe von 4160 ffrcs. abgerechnet, in Zeile 78 Kollekten der Kreisgemeinde (des Kirchenkreises) Völklingen in Höhe von 65.679 ffrcs. an die Konsistorialkasse Düsseldorf gezahlt. Der Franc hatte 1949 einen Wechselkurs zum US-Dollar von 350:1 (Wikipedia).

Ausschnitt aus dem Einnahme- und Ausgabe-Tagebuchs der Konsistorialkasse Saarland mit Einträgen vom 01.10.1948-25.04.1951. Aus Bestand: 1OB 021M(Rechnungswesen der Synodalkassen/ Landeskirchenkassen), Nr. 74

Die Ausgaben des Monats November 1948 addieren sich auf „Elfmillionensiebenhundertsechsundzwanzigtausendachthundertachtundvierzig Francs“, wie Amtmann Richard Möge für die Konsistorialkasse Düsseldorf feststellt. Nebenbei bemerkt: Möge diente dem Konsistorium der Rheinprovinz und dem nachfolgenden Landeskirchenamt für beeindruckende fast 35 Jahre (1922 bis 1957, Personalakte im Archivbestand 1OB 022).

Dieses Kassenbuch wurde 2022 bei Aufräumarbeiten in einem Keller der früheren Landeskirchenkasse, jetzt Finanzbuchhaltung, gefunden und dem Archiv zur Übernahme angeboten. Es ergänzt jetzt den Bestand 1OB 021M – Rechnungswesen der Synodalkassen/ Landeskirchenkassen – mit Rechnungsbüchern, Belegen und Listen aus den Jahren 1896 bis 1964. Dieser Bestand ist bis jetzt noch nicht auf unserer Webseite aufgeführt – die Zahlenwerke sind halt doch eine recht trockene Materie. Diese kann aber auch interessante Details enthalten, wie ich dazustellen versucht habe.

Kirchengeschichte on Tour, oder: Forschung und Archiv im Diskurs

Am 24. Januar besuchte das kirchengeschichtliche Forschungskolloquium der Evangelisch-Theologischen Fakultät Bonn unter Leitung der Professoren Martin Keßler und Wolfram Kinzig das Archiv der EKiR. Ein anschaulicher Bericht zur Exkursion ist nun im Blog der ETF Bonn abrufbar.

Friedrich Wilhelm Raiffeisen reformierte auch das Schulwesen in Schöneberg

Titelseite der Akte; aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 146B (Schöneberg)

Im Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Schöneberg findet sich ein Dokument des bekannten Sozialreformers Friedrich Wilhelm Raiffeisen, das dessen Engagement für das Schulwesen während seiner Zeit als Bürgermeister der Bürgermeisterei Flammersfeld in den Jahren 1848 bis 1852 beleuchtet. Es handelt sich um die Dienst- und Einkommensanweisungen für den Kirchspielslehrer in Schöneberg aus dem Jahr 1852. Die hoch auf dem Westerwald gelegene Kirchengemeinde zählte damals etwa 700 Einwohner, größtenteils ärmere Ackerbauern. Raiffeisen war ein bürgernaher und engagierter Gemeindevorsteher, der stets ein offenes Ohr für die Probleme und Bedürfnisse der Bevölkerung hatte und aktiv daran arbeitete, die Lebensverhältnisse zu verbessern. Seine Erfahrungen als Kommunalbeamter prägten nicht nur seine Sozialreformen, sondern legten auch die Grundlage für seinen späteren Einsatz in der Genossenschaftsbewegung.

In Flammersfeld übernahm er sein Amt in einer schwierigen Zeit, die von Armut und wirtschaftlicher Not geprägt war. Er setzte sich nicht nur für die allgemeine Verbesserung der Lebensbedingungen ein, sondern legte einen besonderen Schwerpunkt auf das Schulwesen. Von ihm ist das Zitat überliefert: „Der beste Kampf gegen die Armut ist eine gute Schulbildung.“ Da viele Schulen in einem desolaten baulichen Zustand waren, veranlasste Raiffeisen an verschiedenen Orten den Bau neuer Schulgebäude. Sein Ziel war es, die Bildungssituation der ländlichen Bevölkerung zu verbessern, wo der Analphabetismus weit verbreitet war. Er beschränkte sich aber nicht nur auf den Bau von Schulen, sondern engagierte sich auch für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Dorfschullehrer, deren Ansehen und Einkommen oft dürftig war.

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