Über Michael Hofferberth

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Alles hat seine Zeit…

Blankenheim / Eifel, Ort mit Kirche und Burg Sammlung Hans Lachmann, Schachtel Nr. 1: Aachen und Umgebung

Meine Zeit als Archivar der Evangelischen Kirche im Rheinland neigt sich nach über 33 Jahren dem Ende zu. Der Ruhestand ereilt mich mit gemischten Gefühlen. Zurückbleiben meine Mitarbeiter*innen, mit denen ich so manche interessante Herausforderung – die Ordnung und Verzeichnung von Archivbeständen bis hin zu Publikationen, Ausstellungen, Webseiten u.v.m. – gemeistert habe. Aus der nicht allzu fernen Eifel, von meinem Wohnsitz in Blankenheim aus, werde ich verfolgen, was es Neues gibt und wie sich das Archiv wandelt. Neugierig bin ich auf die Aufgaben, Kontakte und Überraschungen, die der neue Lebensabschnitt für mich bereithält.

An dieser Stelle geht mein Dank an die Mitarbeiter*innen des Archivs für die kollegiale Zusammenarbeit und Unterstützung und an die Archivbenutzer*innen für viele anregende Gespräche rund um ihre historischen Untersuchungen.

Ihr Michael Hofferberth

Ein Bild von einer Diakonisse

Vorsteherin Diakonisse Elisabeth Jäger
Foto: Hans Lachmann

Das Klischee wird aufrecht erhalten. In den Handakten des rheinischen Oberkirchenrat Hans-Ulrich Stephan (Signatur: 6HA033, Nr. 86) findet sich unter der Überschrift „Amt und Lebensform der Diakonisse“ ein Statement aus dem Jahr 1984: „Die Diakonisse weiß sich von Gott in ein geistliches Amt in der Kirche berufen. Sie lebt den Weg der Nachfolge in der Glaubensgemeinschaft einer Schwesternschaft, der sie verantwortlich und verpflichtet ist. Aus dem gemeinsamen Leben erfährt die Diakonisse Kraft und Zurüstung für die geistlichen und beruflichen Anforderungen des Amtes… Die Diakonisse lebt ehelos und trägt die Tracht ihres Mutterhauses. Einen Teil ihrer finanziellen Einkünfte stellt sie dem Mutterhaus für gemeinnützige, diakonische Aufgaben zur Verfügung. Nach Abschluss der biblisch-diakonischen und beruflichen Ausbildung findet die Aufnahme in die Schwesternschaft und die Einsegnung zum Amt der Diakonisse statt…“ Die Unterzeichner dieses Schreibens sind das II. Rheinisches Diakonissen-Mutterhaus, Diakoniewerk Kaiserwerk, Niederrheinisches Diakonissenmutterhaus, Diakonissenmutterhaus des Erziehungsvereins Neukirchen Vluyn, Tannenhof Schwesternschaft, Königsberger Diakonissen-Mutterhaus Altenberg und Bergische Diakonie Aprath. Sie „erhoffen sich von der Kirchenleitung, dass das hier beschriebene Selbstverständnis der Diakonisse bedacht wird.“ Oberkirchenrat Stephan notiert am Rand: „Berufsbild der Diakonisse: das gibt es nicht. Nur Arbeitstitel…“ Und er kann nicht nachvollziehen, dass es sich hier um ein „geistliches Amt“ handelt.

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Lila Tage – Stuttgarter Kirchentag zu Zeiten der Studentenbewegung 1969

Deutscher Evangelischer Kirchentag (DEKT), Eröffnungsgottesdienst
Stuttgart, 16. Juli 1969
Hans Lachmann, Schachtel Nr. 293: DEKT Stuttgart 1969

Action. Dass der Stuttgarter Kirchentag 1969 ein anderer als der letzte in Hannover 1967 werden würde, zeigte sich bereits vor seinem Beginn. In der illustren Fernsehrunde von Werner Höfers „Internationalem Frühschoppen“ huschten die „Kirchenmäuse“ des Freiburger Pfarrers Martin Schneider über die Mattscheibe und kommentierten das bevorstehende protestantische Großereignis: „In Stuttgart sind die lila Zeiten angebrochen… Und wenn heute dieser Jesus wiederkäme – was fingen wir mit ihm an?“

Für jeden etwas dabei. Das Spektrum der Arbeitsgruppen des Stuttgarter Kirchentags vom 16. bis 20. Juli 1969 war kaum zu überbieten: Gottesfrage, Streit um Jesus, Kirche, Der Einzelne und die Anderen, Demokratie, Gerechtigkeit in einer revolutionären Welt, Tribunal zur Ermittlung des Glücks sowie Christen und Juden. Entsprechend die Prominenten: die Politiker Rainer Barzel, Helmut Schmidt, Wolfgang Mischnik, Hildegard Hamm-Brücher, Horst Ehmke und Erhard Eppler, die Soziologen und Politikwissenschaftler Eugen Kogon und Ralf Dahrendorf, die Psychoanalytiker Alexander und Margarete Mitscherlich, Schriftsteller Günter Grass, Präsident des Bundes der Steuerzahler Volkmar Muthesius, die Journalisten Thilo Koch, Leo Brawand und Gerhard Mauz und der Präsident des Deutschen Sportbundes Willi Daume. Generalsekretär Hans Hermann Walz versicherte: „Es wird auch Gottesdienst und Seelsorge geboten.“

Deutscher Evangelischer Kirchentag (DEKT), Lesung und Diskussion mit dem Schriftsteller Günter Grass, Stuttgart 16.–20. Juli 1969
Hans Lachmann, Schachtel Nr. 293: DEKT Stuttgart 1969

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Deutscher Ev. Kirchentag in Dortmund 1963 – „Alltags-Kirchentag“ oder „Glaubensparade“?

Präeses Ernst Wilm
Hans Lachmann, Schachtel Nr. 278: DEKT Dortmund

Der westfälische Präses Ernst Wilm forderte in einem vorab geführten Interview des Magazins „Der Spiegel“: „Es soll ein Alltags-Kirchentag werden mitten im Alltag der Welt.“ Der Alltag in Dortmund werde bestimmt von Zechen und Gruben, metallverarbeiten Fabriken, und auch Verwaltungen, Banken und Versicherungen. Die Interviewer wiesen darauf hin, dass nicht alltägliche 21 Sonderzüge, 5000 Posaunen, 600 Versammlungen mit Kundgebungen und Aufmärschen und prominente Entertainer das Stadtbild bestimmen werden. Wilm entgegnete: „Es ist doch so, dass der Christ sonntags in den Gottesdienst geht und montags auf dem Bildschirm den Frankenfeld sieht.“ Peter Frankenfeld moderierte sehr erfolgreich Spielshows im Fernsehen. Das evangelische Sonntagsblatt „Der Weg“ kommentierte: „Auch Quizmaster und Schlagersänger können gute Christen sein, dass sie sich mit Freuden einer evangelischen Großveranstaltung zur Verfügung stellten und sie zu einem Erfolg ohnegleichen führten.“ Weiterlesen

April Challenge #Archive30 – Tag 24: Something Fun

Mehrhoff, Hans, Pastor, Superintendent Barmen, auf seinem Lutz-Motoroller 1953,
© Foto aus dem Besitz von Wolfgang Engels
2002 (vg. A. und W. Engels, Hans Mehrhoff, Düsseldorf 2002, Archivbibliothek, Signatur: R 31, S. 192)

Ende 1950 begann für Pfarrer Hans Mehrhoff das Vergnügen. Er kaufte einen roten Motorroller der Firma Lutz, einem Braunschweiger Unternehmen, das motorisierte Zweiräder produzierte. Selbstverständlich erwarb er ihn, um seine Gemarker Gemeindeglieder in Wuppertal zu besuchen. In seinen Lebenserinnerungen hält er fest: „Der hat manchen freundlichen Dienst getan, bloß das Biest sprang oft nicht an, und bei der Vorführfahrt nach Alstaden ließ er mich im Stich: Er brachte mich zwar hin, aber zurücktransportiert wurde er durch ein Tengelmannauto.“

Im April 1953 tauschte Mehrhoff den Lutz-Motorroller gegen eine italienische Lambretta ein. Sie hatte nicht nur einen Sitz für den Fahrer, sondern einen zweiten Sattel. Ihm und seiner Frau Annemarie ermöglichte das schöne, neue „Gefährt“ so manche „Vergnügungsfahrt“, zunächst zu den Verwandten im näheren Umkreis, dann über Bamberg, Besuch der Mutter, nach Rubi bei Oberstdorf. Die Fahrt dauerte zwei Tage. Dort trafen sie sich mit Freunden und durchwanderten die Allgäuer Alpen. Nicht nur die Berge, sondern auch die Nordsee, etwa das niederländische Seebad Noordwijk, hatten es ihnen angetan. Nachdem Mehrhoff den Führerschein erworben hatte, kaufte die Familie 1958 für 3.000 Mark einen gebrauchten DKW. Der Radius vergrößerte sich: Sie bereisten das Salzburger Land und Osttirol. Die Fahrt über dem Groß-Glockner bekam dem DKW nicht. Die Bremsen erhitzten zu stark. Im Freilauf ging es hinunter ins Tal.

Mehrhof resümiert: „Nun bestand das Leben ja nicht nur aus Reisen und Ferien.“ Nur: Diese blieben – trotz so mancher Widrigkeiten – gut im Gedächtnis verankert.

April Challenge #Archive30 – Tag 18: Love

Scherffig, Wolfgang, mit Braut (Hochzeit), Hilfsprediger, Uniform der Wehrmacht, 2. Weltkrieg, Foto: Album Ludwig Quaas, angelegt Ostern 1941, Bestand: AEKR 8SL 046 (Bildarchiv), 80003

Dass die Hochzeit ein herausragender Tag im Leben eines Ehepaars ist und entsprechend zelebriert wird, versteht sich, zeigt er doch die gegenseitige Liebe in aller Öffentlichkeit an. Zugleich bringt er umfangreiche rechtliche, soziale und ökonomische Änderungen mit sich. Die Hochzeitsgesellschaft feiert dies nicht nur, sondern bezeugt den Beginn der Ehe. In entbehrungsreichen, unsicheren Zeiten gewinnt der formale Aspekt durchaus an Bedeutung. Im Zweiten Weltkrieg etwa war eine Ferntrauung zwischen dem abwesenden Soldaten an der Front und der Braut im heimatlichen Standesamt nicht selten.

Dort die Kriegsfront, hier die Heimatfront. Im Zweiten Weltkrieg waren es sicherlich der Wunsch nach Geborgenheit in einer unwägbaren, lebensbedrohenden Umgebung, und das Verlangen, in Zeiten gefahrvoller Trennungen die Distanz zu überbrücken und Nähe herzustellen, die zum Schreiben animierte. Das Kriegsgeschehen selbst wird in den Briefen und Postkarten allenfalls beiläufig geschildert, die Orte vage etwa mit „Im Osten“ umschrieben. Es sind zumeist Briefe und Postkarten voller Sehnsucht, Zärtlichkeit und ängstlicher Zweifel hinsichtlicht der Zukunft. Sie finden sich – sorgsam aufbewahrt und auch später oft gelesen – in vielen Nachlässen. Das Hochzeitsfoto und die Portäts von dem Ehepartner und den Kindern in der Brieftasche und auf dem Sideboard vermitteln das Gefühl, diese Zeiten nicht alleine durchstehen zu müssen, sondern gemeinsam bewältigen zu können.

Hochzeitskarte „Glück läßt springen, jubeln und singen!“ zur Heirat von Johannes und Annemarie Mehrhoff am 17.2.1939, © Plischke-Verlag, Bestand: AEKR 7NL 120 (Nachlass Johannes Mehrhoff), Nr. 161

Heute sind es Emojis, die das Gefühlsleben ausdrücken und per Email oder Kurznachricht in Echtzeit von Einem zum Anderen transportieren, früher waren es Postkarten, die der Adressat Tage oder, etwa in Kriegszeiten, Wochen später im Briefkasten vorfand. Beiden ist gemeinsam, dass die zeichnerische Darstellung die Empfindungen nuancierter als viele Adjektive beschreibt.

April Challenge #Archive30 – Tag 11: Drawing

Zeichnung Präses Joachim Beckmann im Dienstfahrzeug, Fotoalbum F03, aus Bestand: 7NL 113 (Nachlass Präses Joachim Beckmann), F03

Vor allem Politiker betonen gelegentlich, dass Sie mehr Zeit mit ihrem Chauffeur verbringen als mit ihrem Ehepartner, und dass die Fahrer die Wünsche ihres Dienstgebers kennen, bevor sie sie aussprechen. Dies dürfte auch für den Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Joachim Beckmann, und seinem Fahrer Hermann Wendenburg zutreffen. Bedingt durch die zahlreichen weiteren Ämter reiste der erste Repräsentant der zweitgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland viel mit der Limousine umher. Er war u.a. Mitglied des Rats der Ev. Kirche in Deutschland, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche der Union, stellvertretender Vorsitzender der Arnoldshainer Konferenz, Ordinarius der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal und Professor der Theologischen Fakultät der Universität Bonn.

1971 ging Präses Joachim Beckmann in den Ruhestand. Seine Reaktion auf die Zeichnung, die ihm sein langjähriger Fahrer zum Abschied schenkte, ist nicht überliefert. Trotz der kleinen Anzüglichkeit  hat er sie jedenfalls aufgehoben. Sie findet sich in dem stattlichen Fotoalbum (Signatur: 7NL113, F03), das ihm die Mitarbeiter des rheinischen Landeskirchenamts zum Abschied schenkten.