Soldatenporträts des Ersten Weltkriegs im Archiv der Kirchengemeinde Baumholder

Listen mit Namen von gefallenen Weltkriegssoldaten sind trauriger Bestandteil vieler Gemeindearchive. Auch im Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Baumholder finden sich mehrere Tafeln mit den Namen von 117 Gefallenen des Ersten Weltkriegs, deren Todesdatum, -ort und -ursache sowie des Datums der jeweiligen Gedächtnisfeier. Ungewöhnlich hingegen ist ein großformatiges, aufwändig mit geprägtem Ledereinband, verzierter Schließe und Goldschnitt gestaltetes Fotoalbum mit den Porträts von 63 Soldaten der Jahre 1914-1918 aus Baumholder und den Dörfern der Umgebung, das den Kriegsteilnehmern ein Gesicht gibt.

aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 139B (Baumholder)

Die fast ausschließlich in Ateliers entstandenen Porträts folgen dem traditionellen Schema der Soldatenfotografie: Die Männer unterschiedlichen Alters, zum Teil fast noch jungenhaft, in Uniform werden überwiegend in Dreiviertelfigur dargestellt, sie stehen stramm aufrecht, die rechte Hand ist meist auf ein Tischchen oder einen Stuhl gelegt. Abhängig von Rang und Status trägt der Soldat in der anderen Hand Handschuhe oder hat einen Offizierssäbel umgeschnallt. Das Gewehr, sofern vorhanden, wird senkrecht an der rechten Körperseite gehalten. Ganz individuell hingegen sind die Gesichtsausdrücke der Männer: Einige geben sich selbstbewusst und entschlossen, die meisten aber wirken ernst, einige können ihren Unwillen kaum verbergen und manchen steht sogar die Angst vor dem Bevorstehenden unübersehbar ins Gesicht geschrieben.

aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 139B (Baumholder)

Es ist zu vermuten, dass die Bilder von Pfarrer Ludwig Finscher im Überschwang nationalprotestantischer Kriegsbegeisterung gesammelt wurden. Denn wie so viele seiner Amtsbrüder stimmte auch er euphorisch in die Kriegsrhetorik ein und verteidigte den Feldzug als gerechte Sache. In einem Brief an seine „liebenswerte[n] Krieger“ verstieg er sich dazu, dass „der liebe Gott […] in diesem Kriege seinen Zweck“ verfolge: „Der große Gottesplan ist der, dass aller Knie sich im Namen Jesu beugen und aller Zungen bekennen sollen, dass Christus der HERR sei zur Ehre Gottes des Vaters. Diesem großen Endziel dient auch der gewaltige Weltkrieg, den Ihr zu führen habt und wir mit Euch. Der Krieg bringt andere Gedanken unter die Menschen, Vorurteile verschwinden, Völker werden einander genähert, die es vorher nicht gedacht, kurz, der Krieg bringt so viel Neuerungen mit sich, dass dadurch Gott auch neue Wege findet, sein Reich zu bauen und alle Welt zum Frieden zu führen. Ihr Soldaten führt also des HERRN Krieg. Ihr seid berufen, Gott die Wege zu ebnen.“

aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 139B (Baumholder)

Finschers Siegesgewissheit wurde bald von der Realität eingeholt. In seinem Album mussten immer mehr Namen mit einem Kreuz versehen werden. Knapp die Hälfte der Männer auf den Fotos überlebte den Krieg nicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert