90. Deutscher Archivtag in Bielefeld

Plenum 4 „Erschließung als Kommunikation“ 28.9. – Dr. Jochen Rath (Bielefeld) und Vanessa Charlotte Heitland (Bielefeld): Kollaborative Erschließung – Erfahrungen des Stadtarchivs Bielefeld mit dem Bildarchiv Hermann Albrecht Insinger.

2023 wurde in Bielefeld endlich nachgeholt, was 2020 coronabedingt leider hat abgesagt werden müssen, nämlich der 90. Deutsche Archivtag. Nach dreijähriger Kongresspause fand schließlich vom 26. bis 28. September in der Stadthalle Bielefeld (praktischerweise direkt am Bahnhof)
der, vom Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. ausgerichtete, größte nationale Archivkongress Europas statt. Erwartet wurden ca. 600 Besucherinnen und Besucher, die sich ganz dem diesjährigen Thema „Miteinander arbeiten und miteinander reden – Kommunikation rund um das Archiv“ widmeten.

Das Archiv der EKiR wurde an zwei Tagen, Mittwoch und Donnerstag, von zwei Mitarbeitenden auf dem Kongress vertreten. Mittwoch früh ging es gleich los mit dem Thema des ersten Plenums „Über Regeln reden – Archive und die Entwicklung von Gesetzen und Normen“. Dr. Ulrich Helbach, Direktor des Historischen Archivs des Erzbistums Köln, referierte über die Entwicklung der Kirchlichen Archivordnung (KAO) für katholische Archive. Die von ihm zitierte Aussage eines Generalvikars aus den 1980er, der Zweifel daran äußerte, Archivgut Archivarinnen und Archivaren zu überlassen, da diese nicht über deren Archivwürdigkeit entscheiden könnten, ließ schmunzeln. Gleichzeitig wurde die Notwendigkeit des ständigen Austausches deutlich, um Vorurteile abbauen zu können, v.a. wenn es um Gesetzgebungsverfahren geht, die die archivarische Arbeit direkt betreffen. Für mehr Partizipation an der Gestaltung und Ausarbeitung von Gesetzen und Normen plädierte auch Andreas Nestl aus München. Es gilt fortlaufend Kontakt zu Behörden und Gremien zu halten, über die Arbeit in einem Archiv zu informieren und für Bedürfnisse von Archiven zu sensibilisieren. Anhand zweier Beispiele, nämlich dem Bayerischen Datenschutzgesetz (BayDSG) vom 15.5.2018 und dem Geologiedatengesetz (GeoIDG) vom 30.6.2020, zeigte der Referierende auf, welche Auswirkungen, respektive Ergebnisse, der (Nicht-)Einbezug von Archivmitarbeitenden bei Gesetzgebungsverfahren haben kann.

Wie essenziell Kommunikation der Archive mit abgebenden Stellen und Archivträgern ist, wurde auf dem zweiten Plenum diskutiert. Der stetige Austausch mit Kollegen aus der Behördenverwaltung darf nicht unterschätzt werden, will man nicht Gefahr laufen, Überlieferungsverluste hinnehmen zu müssen. Archive müssen sich in der Verantwortung sehen, Wissen hinsichtlich der Aktenführung, des Aktenaufbaus, der Aktenrelevanz oder Fragen zur Anbietungspflicht von Unterlagen oder Kassation zu vermitteln. Vor allem mit Blick auf das papierlose Büro (Stichwort E-Akte) müssen Archive sich stärker einbringen. Denn die Arbeitsweise viele Behörden verlagert sich zunehmend ins „Digitale“, Verwaltungshandeln wird verstärkt digital dokumentiert. Das CCRM (Competence Center Records Management) des Bundeslandes Hessen bietet z.B. frühzeitig Hilfestellung bei allen Fragen der analogen und digitalen Aktenführung etwa durch Beratung, Schulungen, Handreichungen oder Vorträgen.

Archivistica – Archion


Reden ist Gold! Kommunikation mit verschiedenen Zielgruppen“ war das vorgebende Thema des dritten Plenums am Mittwoch. Mit den „Magdeburger Spuren“ stellte Dr. Christoph Volkmar ein fruchtbares Mitmach-Projekt zur Rekonstruktion Magdeburger Quellen vor, die auf die Mitarbeit interessierter Benutzer setzt. Dr. Claudia Zenker-Oertel hingegen führte vor, wie der Austausch mit abgebenden Stellen, in diesem Fall mit den Bundesgerichten, sich konstruktiv auf Überlieferungsbildung auswirken kann. Dr. Stefan Schröder warf schließlich ein Schlaglicht auf die interne Archivkommunikation, v.a. auf die archivfachliche Wissensvermittlung. Seine Powerpointpräsentation ist netterweise auf dem Blog des LWL-Archivamtes online abrufbar.

Archivistica – Transkribus

Ein besonderes Highlight war der Empfang der Fachgruppe 3 (Kirchenarchive) am Abend im Bielefelder Hof. Bei Speis und Trank und in gemütlicher Atmosphäre hatten die Mitarbeitenden kirchlicher Archive Gelegenheit zum Kennenlernen, Wiedersehen und gegenseitigen Austausch. Ausgerichtet wurde dieser Empfang von der Ev. Kirche in Westfalen und vom Erzbistum Paderborn.

Der Donnerstag startete mit den Veranstaltungen in den jeweiligen Fachgruppen. In der Fachgruppe 3: Kirchliche Archive sprach Frau Osterfinke des Landeskirchlichen Archivs der EKvW über Strategieentwicklungen im Archiv. Aufgaben und Ziele müssen klar formuliert werden, um als Archiv ergebnisorientiert arbeiten zu können. Der Überblick über Personal, Ressourcen, Kosten, Herausforderungen muss klar benannt werden. Das Zusammentragen dieser Faktoren kann helfen, ein Leitbild für die Arbeit im Archiv zu erstellen. Regelmäßig durchgeführte Evaluationen helfen festzuhalten, ob gesetzte Ziele tatsächlich erreicht werden. Wesentlich für die Strategieentwicklung ist dabei der kontinuierliche Austausch mit den Kollegen. Kathrin Schwarz des ABBW besprach die Idee eines Marketingkonzepts in Archiven für eine nachhaltige Kommunikation des internen und externen Miteinanders. Diese könnte helfen, mit Klischees über Archive aufzuräumen, Unwissenheit zu bereinigen und für die Unverzichtbarkeit der Archive und ihrer Arbeit zu sensibilisieren.

Die Fachtagungen haben deutlich gezeigt, wie wichtig Kommunikation für Archive ist, sowohl mit den Kolleginnen und Kollegen, mit Mitarbeitenden abgebender Stellen, Gesetzgebern, Archivnutzerinnen und Archivnutzern oder sonstigen Interessierten. Wer mehr über die Veranstaltungen, resp. das Programm, nachlesen möchte, kann das gerne auf der Seite des VdAs tun. Weitere Eindrücke zum Archivtag in Bielefeld finden sich auf Twitter unter #archivtag. Wir kehrten auf jeden Fall mit vielen Eindrücken und gedanklichen Anregungen auch für unser Archiv zurück nach Düsseldorf.

Archivistica – Schempp

Zwischen den Fachtagungen nahmen wir uns natürlich ausgiebig Zeit, die Stände auf der Fachmesse Archivistica, der größten europäischen Fachmesse für das Archivwesen, zu besuchen. Hier findet man die aktuellsten Produkte und Dienstleistungen rund um das Archiv, kann sich ausgiebig beraten lassen, neue Kontakte knüpfen oder alte auffrischen. Die Fachmesse für Archivtechnik ist übrigens öffentlich zugänglich. Wer also nächsten Jahr in der Nähe des Deutschen Archivtags ist, sollte unbedingt vorbeischauen!

2 Gedanken zu „90. Deutscher Archivtag in Bielefeld

  1. Es ist nicht der LWL, auf dessen Blog die ppt-Folien von Dr. Schröder liegen, sondern der Blog des LWL-Archivamts. Es wäre super, wenn man das noch ändern könnte. Danke und Grüße

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