„Männlich gestorben“: Evangelische Militärseelsorge am Standort Aachen 1939-1944

Im Zweiten Weltkrieg bestand neben der hauptamtlichen Wehrmachtsseelsorge beider Konfessionen ein Netzwerk nebenamtlich tätiger Geistlicher. Für Aachen haben sich die Handakten der beiden dort eingesetzten evangelischen Standortpfarrer erhalten. Sie illustrieren die bis Kriegsende blühende Bürokratie im NS-System und enthalten erschütternde Dokumente zum Umgang mit den Opfern der Militärjustiz.  

Reichsbischof Ludwig Müller in Aachen: v.l.n.r.: Zehn – Bruch – Müller – Staudte – Grünagel. ca. 1933/1934

Zunächst nahm der Aachener Superintendent Paul Staudte (1881-1971) die Militärseelsorge wahr. Politisch stand er dem NS-Staat loyal gegenüber, kirchlich distanzierte er sich teilweise von den Deutschen Christen und versuchte einen neutralen Kurs zu fahren. Das Foto zeigt ihn nichtsdestoweniger in inniger Gesellschaft mit dem DC-Reichsbischof Ludwig Müller und dem Aachener DC-Pfarrer Dr. Friedrich Grünagel. Zu Staudtes Amtspflichten am Standort gehörte regelmäßig die seelsorgerliche Begleitung von Soldaten, die wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt wurden und nicht zuletzt die persönliche Teilnahme an deren Hinrichtung.

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Ein Kloster wird evangelisch

Im aktuellen Beitrag seiner Reihe Archivale des Monats stellt das Archiv des Ev. Kirchenverbandes Köln und Region die wechselvolle Geschichte seines Standortes vor. Die Dienstanschrift des Verbandes lautet Kartäusergasse 9-11. Dort erstreckte sich vom 14. Jahrhundert an bis zur Auflösung 1794 das Gelände des Kölner Kartäuserklosters, des Ordens der schweigenden Mönche.

Eindrückliche Fotos dokumentieren die Nutzungen der ehemaligen Klostergebäude inkl. Kirche im 19. Jahrhundert: Der preußische Militärfiskus nutzte das Areal als Lazarett, Artilleriedepot und Pferdestall. 1921 wurde der Komplex an die evangelische Gemeinde Köln abgegeben. Nach schwersten Kriegszerstörungen 1945 erfolgte bis 1953 der teilweise Wiederaufbau der alten Klostergebäude.

Finissage der Otto-Bartning-Ausstellung am Reformationstag

Über die Ausstellung zum Wirken des Architekten Otto Bartning im LVR-Freilichtmuseum Kommern hatten wir bereits berichtet. Kommenden Sonntag, am 31. Oktober, findet nun die Finissage der Ausstellung statt.

Das umfängliche Programm umfasst eine Festandacht, eine Kuratorinnenführung durch die Ausstellung sowie einen Vortrag zum Notkirchenprogramm. Die Veranstaltungen sind kostenfrei, teilweise ist eine Anmeldung erforderlich. Alle Infos und den PDF-Flyer zum Tag finden Sie hier.

Feldpost und sonstige Kriegskorrespondenz im Archiv der EKiR

„Was sollen wir sagen, was sollen wir selbst tun, wenn es heißt unter Berufung auf das Erstechen und Massakrieren zurückgebliebener Verwundeter durch die Russen: Gefangene werden nicht gemacht!, wenn für einen vermissten Soldaten 300 Juden an die Wand gestellt werden?“

Dieses Zitat aus einem Brief des im Oktober 1941 gefallenen Hilfspredigers Friedrich Wilhelm Hesse bildet eine seltene Ausnahme. Die regulären Feldpostbriefe unterlagen in allen Kriegen einer rigiden Zensur mit ggf. scharfen Verfolgungsmaßnahmen, zumal 1939-1945 unter den Bedingungen des nationalsozialistischen Staates. Es ist daher gänzlich unrealistisch, hier kritische Äußerungen über die militärische Lage oder gar das politische System als solches zu erwarten. Wenn überhaupt, finden sich diese in privater Kriegskorrespondenz, die etwa von Fronturlaubern mitgenommen worden war.

Feldpostbrief, Deutschland, 1944

Eine dritte Kategorie bildet der organisierte Postverkehr zwischen kirchlichen Dienststellen und ihren zum Militär eingezogenen Vikaren und Hilfspredigern. Im Rheinland unternahmen sowohl das NS-affine Konsistorium wie auch der Bruderrat der Bekennenden Kirche große Anstrengungen, den Kontakt zu ihrem kirchlichen Nachwuchs zu halten. Hierzu gibt es bereits eine wissenschaftliche Auswertung, ebenso auch zu den Diakonen der Kreuznacher Brüderschaft Paulinum. Einzelne rheinische Pfarrer hielten seit 1943/44 über Briefe die Verbindung zu ihren ausgebombten und evakuierten Gemeindegliedern in Süddeutschland und Thüringen aufrecht. Schließlich ist noch an Post aus Kriegsgefangenenlagern zu denken.

Dennoch finden sich in allen Briefkategorien mannigfache Untertöne, die Aufschlüsse über den Alltag im Krieg, die Zustände an der sog. Heimatfront sowie die Mentalität  der jungen Kriegsteilnehmer vermitteln.

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„Finsternis bedecket das Erdreich und Dunkel die Völker“: Aus den Adventspredigten von Heinrich Held vor 80 Jahren

Heinrich Held, Pfarrer in Essen – Rüttenscheid. Hier mit Hilfsprediger Werner Reitz (l) und Vikar Wolfgang Disselhoff (r) im Pfarrgarten, Essen, Reginenstraße 47, 1940. Aus Bestand: AEKR Düsseldorf 8SL046 (Bildarchiv), 80017_053

Heinrich Held (1897-1957), Pfarrer in Essen-Rüttenscheid und 1948 zum ersten Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland gewählt, durfte nach dem Redeverbot, das die Gestapo 1938 gegen ihn verhängt hatte, nur noch in seiner Heimatgemeinde predigen. In der Online-Ausstellung „Evangelischer Widerstand“ und auf unserer Flickr-Präsenz finden Sie zahlreiche Bilddokumente zu seiner Biografie.

Seine im Nachlass überlieferten Adventspredigten aus dem Dezember 1940 enthalten zahlreiche verdeckte Spitzen gegen das NS-Regime. Helds persönlicher Mut ist umso höher zu bewerten, als Hitler damals, ein halbes Jahr nach dem Sieg im Westfeldzug, auf dem Höhepunkt seiner Popularität stand.

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So setzte Held am Ersten Advent unter dem Titelzitat aus Jesaja 60, 2 fort: „ Es wird Menschen geben, die das mit Entrüstung ablehnen, dass Dunkel über den Völkern liegt. Sie werden sagen: Die großen Tage unseres Volkes, die steigen nun mächtig herauf; und die deutsche Sonne, die wird einst über der Welt leuchten. Wir sind keine politischen Propheten, und wir wissen nicht, ob das wahr ist. Aber selbst wenn das so wäre, dann würde der Prophet doch recht behalten… Die Finsternis, die kommt nämlich daher, dass niemand die Bosheit und die Sünde austreiben kann. Mit Kanonen und mit dem Schwerte kann man nicht gegen die Sünde kämpfen.“

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Bartning. Bartning. Bartning. Architekt der Moderne

Vor einem Jahr berichteten wir hier über die Ausstellung zu dem bedeutenden Architekten Otto Bartning (1883-1959), die damals unter diesem Titel im LVR Freilichtmuseum Kommern eröffnet wurde. Bartning zählt zu den bedeutenden Architekten von Kirchenbauten, der gerade im Rheinland seine Spuren hinterlassen hat.

Die Ausstellung wird nun bis zum 31.10.2021 verlängert und jetzt ist auch die Begleitdokumentation erschienen: 184 Seiten stark, reich bebildert, spannt sie den Bogen vom nicht realisierten expressionistischen Entwurf der Sternkirche 1922 über die Kölner Stahlkirche 1928 hin zum bekannten Notkirchenprogramm in der Nachkriegszeit. Auch Beispiele seriellen Bauens zur Behebung der Wohnungsnot werden vorgestellt. Der Band ist über das Museum zu beziehen.

Coronabedingt ist Kommern gerade geschlossen. Jederzeit online anschauen kann man sich aber verschiedene Videos zu Otto Bartning und seinen Kirchbauten. Zeitzeugen berichten etwa über ihre ganz individuellen Erfahrungen in und mit der 1951 errichteten Diasporakapelle in Overath, die nun in Freilichtmuseum steht. Deren Konzeption und Bauweise wird im offiziellen LVR-Video anschaulich erläutert.

„Verschleierte Bilder“- Wenn der Krieg noch nicht zu Ende ist

Verschleierte Bilder – 7NL 135 Sup. Werner Krause Nr. 4

Früher führte ich ein Tagebuch. Dann kam ich in sowjetische Gefangenschaft. Da waren Tagebücher unmöglich. Da war alles so unmöglich, dass ich zu mir selbst sagte: Ich will dies alles nicht registrieren. Es wird genügen, wenn Du nachher aufzeichnest, was an Bildern noch lebendig ist...“.

Mit diesen Worten beginnen die Aufzeichnungen der Erlebnisse eines Kriegsgefangenen in Sowjetrussland. Niedergeschrieben wurden sie vom späteren Superintendenten Werner Krause (7NL 135 Nr.4).

Krause, der mit 23 Jahren am 1. Sept. 1940 in die Wehrmacht einberufen worden war, ging am 10. Mai 1945 als Nachrichtenoffizier und Führer der Stabsbatterie eines Artillerieregiments mit dieser Truppe in Mähren in sowjetische Kriegsgefangenschaft.

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