„Läuterungszeit“ vor 100 Jahren: Eine Passionspredigt in der Jerusalemer Erlöserkirche 1917

Der junge rheinische Theologe Carl Sachsse (1889-1966) hatte im Oktober 1913 sein erstes Examen bestanden. 1915 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger. Bewandert in der türkischen Sprache, legte er 1916 am orientalischen Seminar in Berlin die Dolmetscherprüfung ab und wurde im September dieses Jahres mit dem neugebildeten deutschen Asien-Korps an die Sinaifront verlegt. Dort brachte er es in der Armee-Kraftwagenkolonne 708 bis zum Vizefeldwebel.

In Absprache mit seinen militärischen Vorgesetzten und dem evangelischen Propst zu Jerusalem hielt er aber auch regelmäßig Feldgottesdienste sowie Truppengottesdienste in der 1898 von Wilhelm II. eingeweihten Erlöserkirche in Jerusalem.

Im Archiv der EKiR hat sich ein kleiner Fundus von acht seiner Kriegspredigten 1917-18 erhalten (8SL 045, Nr. 472). Sie sind ein seltenes Zeugnis für die geistliche Truppenbetreuung an diesem wenig erforschten Frontabschnitt des Ersten Weltkrieges. Sachsses Predigt aus der Passionszeit 1917 sei hierfür näher untersucht. Weiterlesen

Rheinische Pfarrer gegen die Hungersnot im „Jahr ohne Sommer“ 1816

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Wikipedia: Steckrübe/Kohlrübe aufgeschnitten, CC BY-SA 3.0

Frühe Amtsblätter sind bekanntlich eine Fundgrube für die Regionalgeschichte. So forderte genau heute vor 200 Jahren die königlich-preußische Regierung zu Düsseldorf in ihrem Amtsblatt dazu auf, wohltätige Vereine gegen die „Fruchttheuerung“ in der Provinz zu gründen. Hintergrund waren die verbreiteten Missernten in Westeuropa 1816, bedingt durch den Ascheregen, der im Vorjahr bei der Explosion des indonesischen Vulkans Tambora entstanden war. Der preußische General Carl von Clausewitz notierte hierzu anlässlich einer Inspektionsreise durch das Rheinland: „Verfallene Gestalten, Menschen kaum ähnlich“ hätten auf Äckern „halb verfaulte Kartoffeln“ gesucht.

Ausdrücklich sprach die Düsseldorfer Regierung die Geistlichen an, „die wir auffordern, dass sie durch die Kraft ihrer Lehre den Sinn der Wohlthätigkeit und des Mitleides stets lebendig erhalten und auf diese Art die Bemühungen der Vereine unterstützen.“ Einige evangelische Pfarrer engagierten sich hierbei stark. Weiterlesen

Zwei Deutsche auf dem Bahnhof von Aleppo 1915

Kapitänleutnant Hellmuth von Mücke, dahinter Konsul Walter Rößler; aus Bestand: AEKR Düsseldorf 7 NL002 (Nachlass OKR Helmut Rößler), 14 - Album 7

Kapitänleutnant Hellmuth von Mücke, dahinter Konsul Walter Rößler; aus Bestand: AEKR Düsseldorf 7 NL002 (Nachlass OKR Helmut Rößler), 14 – Album 7

Dieser aktuelle Fund aus unseren historischen Fotobeständen zeigt einen Herrn mit zeittypischem Panama-Hut und einen Offizier in türkischer Uniform, der sich mit Blumen im Arm zur Weiterfahrt anschickt. Ersterer ist der deutsche Konsul Walter Rößler (1871-1929), Vater des späteren rheinischen Oberkirchenrates Helmut Rößler. Aus seinen Fotoalben stammt die Aufnahme. Wer aber war jener in der Bildunterschrift genannte „v. Mücke“, den er damals in der mittlerweile vom Bürgerkrieg so schwer heimgesuchten nordsyrischen Stadt verabschiedete? Weiterlesen

Zwangsenteignung der Kirchenglocken für die Kriegsrüstung

Bereits im Mittelalter, als der Großteil der Bevölkerung keine Uhr besaß, war die Kirchturmuhr die einzige Möglichkeit die Uhrzeit zu erfahren. Neben dem Stundenschlag wurde auch zu Alarmfällen und Bränden geläutet (weltliches Geläut). Traditionell läuten Kirchenglocken zum Gottesdienst, Gebet sowie Anlässen wie Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen (sakrales Geläut). Wer heute in seiner Kirchengemeinde noch im Besitz einer Kirchenglocke aus dem Mittelalter ist, der weiß sie hoffentlich sehr zu schätzen.

Denn oftmals wurden Kirchenglocken zwecks kriegerischer Auseinandersetzungen einer „Verwandlung“ unterzogen. So wie die Glocken der Marienkirche zu Berlin, die auf Befehl des Kurfürsten Friedrich I. von Brandenburg  (reg. 1417-1440) zu „püchsen“ (=Büchse/Handfeuerwaffe) verarbeitet wurden.

Auch in den beiden Weltkriegen wurden Bronzeglocken im Interesse der Kriegswirtschaft durch die Militärbehörden in Beschlag genommen und für Rüstungszwecke eingeschmolzen. (Kirchliches Amtsblatt, Nr. 6 1917)

Wikipedia: Glockenfriedhof im Innsbrucker Stadtteil Wilten im Ersten Weltkrieg, um 1917 Glockenmuseum Grassmayr

Unter dem Gesichtspunkt der Denkmalwürdigkeit wurde im Ersten Weltkrieg eine Klassierung nach wissenschaftlichem und kunsthistorischem Wert durchgeführt:

  • Gruppe A: nach 1860 gegossen, zur Abgabe bestimmt
  • Gruppe B: vor 1860 gegossen, vorläufig schützenswert
  • Gruppe C: vor 1860 gegossen + dauernd schützenswert

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Heinrich Held zieht in den Ersten Weltkrieg

Heinrich Held (links) und das Telegrafenbataillon 1915

1915 meldete sich der erst siebzehnjährige Heinrich Held (1897-1957), später erster Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (1949-1957), freiwillig zum Heeresdienst. Da schwang sicherlich Patriotismus mit. Das Ausschlag gebende Moment war allerdings, dass er als Kriegsfreiwilliger den Truppenteil selbst auswählen konnte. Da er das wehrmündige Alter von achtzehn Jahren noch nicht erreicht hatte, bedurfte es der Einwilligung seines Vaters, der mit seiner Zustimmung zunächst zögerte, dann aber sich diesem Argument nicht verschloss. Seine Wahl fiel auf das Telegrafenbataillon, einer Heereseinheit, die technisches Verständnis abverlangte. Sollte er die vage Hoffnung gehegt haben, dass ihn dies vor den schlimmsten Gräueln des Ersten Weltkriegs bewahren könnte, so erlag er, wie sich herausstellen sollte, einem Irrtum.

Seine militärische Grundausbildung erhielt Heinrich Held von September bis November 1915 in Köln. Zur speziellen Ausbildung als Telegrafist wurde er anschließend nach Frankfurt/Oder abkommandiert. Im Februar 1916 rückte sein Einheit auf den Balkan nach Serbien und Mazedonien aus.

Heinrich Held schildert in zahlreichen Briefen an seine Freundin und spätere Verlobte Martha Kortenhaus minutiös seine Zeit als Rekrut. Im Folgenden möchte ich Ihnen beispielhaft Passagen aus einigen Briefen vorstellen. Sie finden sich im Bestand mit der Signatur 7NL008, Nachlass Heinrich Held, Nr. 36 und 37 des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland. Sein Sohn, Heinz Joachim Held, hat seine Briefe transkribiert und kommentiert: 7NL 008, Nr. 170.

>> Findbuch PDF 595 KB

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Kriegsbeute von 1917 in der Archivbibliothek

Histoire ancienne des Égyptiens, des Carthaginois, des Assyriens, des Babyloniens, des Mèdes et des Perses, des Macédoniens, des Grecs/ par Rollin, Charles; Paris : Huet [u.a.], 18XX, AEKR Archivbibliothek: Aa 2 012

Histoire ancienne des Égyptiens, des Carthaginois, des Assyriens, des Babyloniens, des Mèdes et des Perses, des Macédoniens, des Grecs/ par Rollin, Charles; Paris : Huet [u.a.], 1805, AEKR Archivbibliothek: Aa 2 012

In der Bibliothek des Archivs befindet sich ein Buch mit einem recht gut erhaltenen braunen Ledereinband (Signatur Aa 2 012), das „es in sich hat“. Es handelt sich um Band 11 des Werkes „Histoire ancienne des Égyptiens …“ von Charles Rollin, verlegt in Pars im Jahr XIII des französischen Revolutionskalenders (1805). Auf die erste Innenseite ist ein Blatt geklebt, auf das handschriftlich notiert ist: „Dieses Buch stammt aus der Bibliothek des Schlosses von Lizy bei Laon, das im Herbst 1917 während der Kämpfe am Chemin des Dames zerstört wurde und von seinen Bewohnern verlassen war. Karl Harraeus, Leutnant“.

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Neue Biografie zu Konsul Walter Rößler erschienen

Biografie Walter Rößler von Kai SeyffarthWalter Rößler (1871-1929) war von 1910 bis 1918 deutscher Konsul im syrischen Aleppo. Als im Frühjahr 1915 die Regierung des Osmanischen Reiches den Völkermord an der armenischen Minderheit einleitet, ist Rößler einer der wenigen Diplomaten, die sich aktiv für die Rettung der Verfolgten einsetzen. Zu ihm ist nun erstmals eine wissenschaftliche Biografie erschienen, die auch Unterlagen unseres Archivs verwertet hat. Weiterlesen