Oberkirchenrat Dr. Nikolaus Becker – Herr über die Finanzen der rheinischen Kirche

Bei der Bearbeitung der Akten, die im Landeskirchenamt über das frühere Film Funk Fernseh Zentrum (FFFZ) in Düsseldorf geführt wurden, fielen mir drei Fotos einer Polaroid-Sofortbildkamera in die Hände. Diese zeigen Oberkirchenrat Dr. h.c. (H) Nikolaus Becker vermutlich im Jahr 1990 bei der Unterzeichnung des Vertrages über den Bau des FFFZ. Auf dem Poster an der Wand über Becker sind Ansichten des geplanten Gebäudes abgebildet.

Oberkirchenrat Nikolaus Becker bei der Vertragsunterzeichnung des FFFZ Neubaus, 1990 Fotograf: unbekannt Ort: Düsseldorf Signatur: AEKR 8SL046 (Bildarchiv), 011_0170OKRNikolausBecker

Über theologisches Leitungspersonal unserer Landeskirche haben wir schon oft in diesem Blog berichtet, über einen Juristen aus der Kirchenleitung noch nicht. Wer war also Oberkirchenrat Dr. Nikolaus Becker? Er wurde am 18.11.1929 in Stettin als Sohn des Versicherungsdirektors Arthur Becker und seiner Frau Hildegard geboren. Der Vater fiel bereits am 21. Januar 1940 als Offizier der Kriegsmarine. Mit 15 Jahren wurde Becker im Februar 1945 zu einer Panzerabwehreinheit der Hitlerjugend eingezogen, machte deren Rückzug durch Pommern mit und konnte vor dem Einmarsch der Russen von Rügen aus nach Dänemark übersetzen. Dort war er eineinhalb Jahre in englischer Kriegsgefangenschaft. Nach dem Abitur in Hamburg nahm er 1948 das Studium der Theologie auf.

Seinen weiteren Werdegang schildert die Mitgliederzeitschrift „Evangelisch“ der EKiR nach seiner Wiederwahl als Oberkirchenrat in Heft 1/1989 wie folgt:

Dr. Nikolaus Becker, in Stettin (Pommern) geboren; studierte Theologie und Rechtswissenschaften in Mainz und Bonn; 1955 erstes theologisches Examen, 1957 erste juristische, 1962 zweite juristische Staatsprüfung; seit 1962 als Jurist in der rheinischen Kirche tätig; seit 1964 Landeskirchenrat, 1977 Wahl zum Oberkirchenrat; juristischer Dezernent für Finanzen, Ökumene, Mission, Entwicklungshilfe, Pfarrerfortbildung usw.; seit 1981 Geschäftsführung des Landeskirchenamtes als juristischer Dirigent; 1987 theologischer Ehrendoktor.

Besuch von Oberkirchenrat Nikolaus Becker (links) und Präses Peter Beier (Mitte) um 1992 in Israel, hier an der Stadtmauer von Jerusalem. Foto: Hans Lachmann, AEKR 8SL046 (Bildarchiv) Schachtel Nr. 85

Schon sehr früh engagierte sich Becker für ein neues Verhältnis von Christen und Juden und war an der Gründung des Deutschen Nes-Ammim-Vereins beteiligt, der zusammen mit den Vereinen in den Niederlanden und der Schweiz die christliche Siedlung Nes Ammim in Nord-Israel gründete und unterhält. In seinem Aufsatz in dem Band „Bewahren und erneuern. Die christliche Siedlung Nes Ammim in Israel“ (Neukirchen-Vluyn 1993, S. 23 ff.) schildert er die spannende Gründungsphase ab 1959, in der ein Urlaub des Velberter Pfarrers Erich David in Scheveningen in Holland und die Tatsache, dass Becker Presbyter der Kirchengemeinde Velbert war, ein wichtige Rolle spielen. Becker war Mitbegründer des Vereins und gehörte dem Vorstand über 30 Jahre an. Ebenso war er Mitbegründer und erster Schatzmeister der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Kirchenjuristisch interessant und mir bislang nicht bekannt ist die Wahl Beckers zum Oberkirchenrat 1977: Der juristische Oberkirchenrat Dr. Heinrich Haferkamp ging in den Ruhestand und Becker wurde nach dem damaligen Artikel 202 der Kirchenordung von der Kirchenleitung zu dessen Nachfolger gewählt. Die Landessynode 1978 hat diese Berufung bestätigt. 1979 wurde dieser Artikel aufgehoben. Becker schreibt dazu in seinem Kommentar „Die Kirchenordnung der EKiR mit Erläuterungen“ (Loseblattausgabe Neuwied 1978 ff.): „Dieser aufgehobene Art. sah vor, daß die KL nach Ausscheiden eines ihrer Mitglieder ein neues Mitglied mit Wirkung bis zur nächsten Tagung der Landessynode berufen konnte, die dann eine ordnungsgemäße Wahl vollziehen konnte (so in der Vergangenheit in 2 Fällen bei hauptamtl. Mitgliedern der KL geschehen, 1962 und 1977 […]. Diese Regelung brachte die LS jedoch in eine gewisse Vorabbindung, deshalb ist dieser Art. ersatzlos weggefallen, damit die LS künftig in ihrer Wahlentscheidung volle Freiheit hat […].“

Publikationen von Nikolaus Becker

Obwohl Becker nach der Geschäftsverteilung gar nicht für die Bereiche Kirchenordnung, Staat und Kirche, Verfassungsrecht zuständig war, sondern sein Kollege, Oberkirchenrat Erhard Krause, ist er als Herausgeber des o. g. Kommentars zur Kirchenordnung sowie der Sammlung „Evangelisches Kirchenrecht im Rheinland. Die Kirchenordnung und andere Organisationsgesetze. Handbuch der wichtigsten Rechtsquellen für Pfarrer, Kirchmeister und Presbyter“ (Neuwied 1988 ff.) hervorgetreten. Mitverantwortlich war er für den Band „Kirche und Staat. Rechtstexte für Studium und Praxis“ (Neuwied 1984)für die vier Bundesländer im Gebiet der EKiR.

Als mir die Idee zu diesem Beitrag kam, hatte ich sofort ein Foto mit Nikolaus Becker vor Augen, dass zu Beginn der 1990er Jahre veröffentlicht worden sein musste. Ohne dieses Bild wollte ich diesen Beitrag nicht veröffentlichen – aber ich fand die Publikation nicht. Also kein Text über Becker? Doch – ein zweiter Suchanlauf einen Tag später war erfolgreich.

OKR Nikolaus Becker, in: Pro & Contra Kirchensteuer. Argumentationshilfe für Haupt- und Ehrenamtliche in der Kirche. Düsseldorf o.J. [1994], S. 23; Archivbibliothek J III e 016

Zu sehen ist also der Finanzdernent der EKiR mit leeren Hosentaschen, das Futter nach außen gestülpt! Ein bekanntes Motiv, das sicher in manchem Film oder Comic vorgekommen ist. Hier wurde es 1994 verbreitet in einer offiziellen Broschüre der EKiR mit dem Titel „Pro & Contra Kirchensteuer. Argumentationshilfe für Haupt- und Ehrenamtliche in der Kirche.“ (Düsseldorf o. J. [1994], S. 23).

Aufschlussreich für das Wirken Beckers als Finanzdezernent ist das Interview, dass Kurt A. Holz mit ihm 1991 geführt hat (Diakonie im Rheinland, Heft 4/1991, S. 12-17). Unter der Überschrift „Kirche hat keine Veranlassung, über die Finanzen den Schleier des Geheimnisses zu legen“ gibt er hier einen Einblick in das finanzielle Handeln der EKiR. Bereits hier (erstmals?) kommt zum Ausdruck, dass in der Zukunft gespart werden müsse, und zwar am Personal und an Sachaufgaben in Arbeitsbereichen, die andere Träger auch erledigen können. Hausbank der EKiR ist die 1953 gegründete Genossenschaftsbank „BKD – Bank für Kirche und Diakonie eG“ (damaliger Sitz in Duisburg, heute KD-Bank, Dortmund). Becker war Mitglied des Aufsichtsrats (1978-1980) und des Vorstands (1980-2000), dessen Vorsitzender er von 1985 bis Oktober 1999 war..

Zu seinem 60. Geburtstag wurde Nikolaus Becker mit einer Festschrift geehrt „Kirche im Übergang“ (Neuwied 1989). Bereits 1987 hatte ihm die Kirchliche Hochschule Budapest den Ehrendoktor der Theologie verliehen. 1997 trat Becker im Alter von 67 Jahren in den Ruhestand. Er verstarb nach schwerer Krankheit am 19. Juli 2002. Der Nes-Ammim-Verein würdigte Beckers Verdienste mit einem Sonderheft 4/2002 der Zeitschrift „Nes Ammim International.“

Das Landeskirchliche Archiv verfügt über einen Archivbestand der Handakten Nikolaus Beckers, 6HA 032.

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