„Bei Ausuebung meines Amtes an hießiger Gemeinde, vor beiläufig anderthalb Jahren, fand ich unter andrem ein Paar vor, das in ehebrecherischer Verbindung lebte. Maria Christine Dörner, verehelichte Schmalt, 36 Jahre alt, lebte von ihrem Ehemann getrennt, und in unerlaubter Verbindung mit Wilhelm Vogelsang in der Gemeinde Mettmann, gleichfalls 36jährigen Alters. Auf dem Wege liebreicher und ernster Ermahnung sorgte ich sie zur freiwilligen Trennung zu bewegen, und eindringliches Zureden vermochte sie nach einiger Zeit zu diesem Entschlusse, so daß die Frau Schmalt auf Mai 1825 in Hilden eine Wohnung miethete, der Vogelsang aber hier zurückbleiben wollte“ (s.o. 1 OB 020 Nr. 782, S. 1).
Mit diesen Zeilen beginnt der kummervolle Bericht des Pfarrers Karl Keller (1798-1872) an die Königliche hochlöbliche Regierung zu Düsseldorf vom 8 Juni 1826. Keller trat 1825 seine erste Pfarrstelle in Erkrath an und sah sich zugleich mit einem frivolen Problem konfrontiert, dem Ehebruch. Zweifellos hatte sich der Pfarrer der „Gefallenen“ anzunehmen. Um jegliche Art der Wiedervereinigung zu verhüten, mussten beide getrennt werden. Zunächst schien sein Bemühen erfolgreich. Doch der Umzug der Frau Schmalt nach Hilden scheiterte unglücklicherweise am Benrather Bürgermeister, sodass sie weiterhin in der Nähe verblieb. Zum Entsetzen des Pfarrers wohnte sie nach einem Jahr sogar im selben Haus wie Wolfgang Vogelsang.
Die Fruchtlosigkeit seiner Anstrengungen veranlasste Pfarrer Keller sich letztendlich an die Polizei zu wenden, die sollte nämlich einschreiten und die Trennung der Verdächtigen bewerkstelligen. Dies müsste umso schneller geschehen, als Frau Schmalt Mutter zweier Mädchen von 14 und 10 Jahren sei. „Was soll aus diesen bedauernswerten Kindern werden, wenn sie Zeugen ferner bleiben müssen eines solchen Lebenswandels der Mutter“ (ebd. S. 3). Richtig kriminell wird es weiter in der Schilderung um ein uneheliches Kind der Verdächtigen. Hierzu führte der Seelsorger aus: „Weiterhin hat die Frau Schmalt vor beiläufig drei Jahren aus dieser ehebrecherischen Verbindung ein Mädchen geboren, vorher aber sich eines Kindermords dringend verdächtig gemacht“ (ebd.). Es wäre höchste Zeit diesem Treiben der Ehebrecher ein Ende zu setzen.
Doch die Mühlen der Justiz mahlen bekanntlich eher langsam und der Geistliche musste sich in Geduld üben. Knapp 20 Monate wartete er – trotz mehrmaliger Erinnerungen! – auf eine Antwort, um dann in einem Schreiben vom 21. Feb. 1828 zu seinem großen Verdruss zu erfahren, dass den polizeilichen Behörden die Hände gebunden wären. Die Verdachtsmomente gegen Wilhelm Vogelsang hätten sich nicht erhärtet, er könne des Ehebruchs nicht überführt werden und man würde hier ferner nicht einschreiten, solange der Pfarrer keine stichfesteren Beweisen vorlegte (vgl. ebd. S.6).
Abermals fasste der Pfarrer seine Sorgen in einem Brief zusammen. Auch führte er mögliche Zeugen, etwa die Schwestern des Wilhelms oder den Onkel der Schmalt, an. Leider wären diese zu offiziellen Aussagen nicht bereit. Ebenso verhielt es sich mit dem Ehemann der Schmalt. Die Folgen einer Scheidung und die Aussicht auf Zuchthaus für seine Gattin wollte Herr Schmalt anscheinend nicht tragen (vgl. ebd. S. 7-9). Der Pastor blieb weiterhin hartnäckig und wandte sich daraufhin an Superintendenten Bährens mit der Bitte, sein Anliegen dem Minister des Inneren vorzulegen. Bährens hingegen leitete die Angelegenheit an das Konsistorium in Koblenz weiter. Doch auch hier sah man sich nicht veranlasst einzuschreiten, man schloss sich der Schlussfolgerung der Behörden in Düsseldorf an. Vielmehr riet man Pfarrer Keller seine seelsorgerischen Kompetenzen stärker zu bemühen.
Ob die Bemühungen des Erkrather Pfarrers schließlich von Erfolg gekrönt waren, lässt sich nicht weiter rekonstruieren, da die obige Akte an dieser Stelle endet. Interessant ist sie aber allemal, da sie Einblick in das Leben der Menschen zu Beginn des langen 19. Jahrhunderts gewährt. Wer einen Blick in diese und noch weitere Akten des Provinzialkirchenarchivs werfen möchte, kann dies nun tun. Denn die Quellen des zweiten Teils des Provinzialkirchenarchivs sind online! Nach der Reformierten Kirche werden nun die schriftlichen Überlieferungen zu den Lutherischen Kirchen von Jülich, Kleve, Berg, Mark und Ravensberg, die Zeit beider Kirchen unter französischer Herrschaft sowie der Zeitabschnitt ab 1816 für Recherchen zur Verfügung gestellt. Damit ist nun der ganze Bestand online und kann ganz bequem von zu Hause aus durchstöbert werden.
Das Provinzialkirchenarchiv bildete den (vorerst) letzten Upload eines Quellenpakets von ca. 75,2 GB auf der Homepage des Archivs der EKiR. Seit Oktober letzten Jahres wurden peu à peu die Rheinischen Provinzialsynoden, das Kirchliche Amtsblatt der Rheinprovinz von 1860 bis 1948, die Protokolle der Kreissynoden, Amtsbücher aus dem EKiR-Sprengel und nun auch das Provinzialkirchenarchiv bereit gestellt. Genug Lesestoff für die kommenden kalten Wintertage 🙂