Schwindel an der Pfarrhaustür

Betrugswelle in den 50er Jahren

Im Oktober habe ich den spannenden „Fall K.“ hier vorgestellt. Die Wirren der Nachkriegszeit hatte der ungelernte Gelegenheitsarbeiter aus dem Memelgebiet genutzt, um sich in den Kirchen der jungen Bundesrepublik als Pfarrer auszugeben, in ihren Gemeinden zu predigen und Unterkunft und Versorgung in Anspruch zu nehmen.

Betrugswarnung im Kirchlichen Amtsblatt Nr. 11/12, 1954, 20.8.1954

Dieser Fall ist sicherlich einer der dreisteren Versuche, die kirchliche Solidarität auszunutzen. Ein Einzelfall ist er indes nicht. Vier Aktenbände (Az. 11-8-7)  füllen die Meldungen und Warnungen, die kirchliche Verwaltungsstellen einander zukommen ließen, um vor Betrügern jeglicher Art zu warnen. Häufig erschwindelten sich diese Betrüger unter Vorspiegelung falscher Tatsachen kleinere Geldbeträge, 20 oder 30 DM, zur Überbrückung einer vermeintlichen Notsituation, meist als „Darlehen“, und gerade so gering, dass die meisten Gemeinden von einer Anzeige absehen würden, wenn sie den Betrug bemerkten. Zurückgezahlt wurde das Geld natürlich nie. Stattdessen zogen die Betrüger weiter, um an der nächsten Pfarrhaustür anzuklopfen.  Viele der Warnungen wurden auch im Kirchlichen Amtsblatt veröffentlicht, um einen möglichst großen Kreis zu erreichen.

In den frühen 1950er Jahren häuften sich diese Fälle trotzdem so sehr, dass OKR Helmut Rössler 1954 ein Merkblatt mit der Überschrift „Vom rechten Helfen an der Pfarrhaustür“ für die verunsicherte Pfarrerschaft verfasste.

Merkblatt „Vom rechten Helfen an der Pfarrhaustür“ (Entwurf von OKR Helmut Rössler), 1954; in: 1OB 017I (Landeskirchenamt: Sachakten), Nr. 389

Ob die beschriebenen Handlungsweisen wirklich zu einer Reduzierung der erfolgreichen Betrugsversuche führten, lässt sich kaum überprüfen. Die Warnmeldungen reduzierten sich in den folgenden Jahren jedenfalls nicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert