Wie aus einem Gelegenheitsarbeiter ein Pfarrer wurde

Manche Akten, die einem bei der Arbeit in die Hände fallen, sind einfach spannend, als würde man ein Boulevard-Magazin lesen…

Urteil gegen Friedrich K. wegen Amtsanmaßung, 1950 (erste Seite); in: 1OB 017I, Nr.336, Az. 11-6-5, Bd. 1

So zum Beispiel die Akte 1OB 017I, Nr.336 aus dem Bestand der Sachakten des Landeskirchenamtes. Darin sind Präzendenzurteile gesammelt, die für die Wahrung kirchlicher Interessen in der staatlichen Gesetzgebung von Bedeutung waren. Eines dieser Urteile betrifft die Strafsache des ehemaligen Gelegenheitsarbeiters Friedrich K. vor dem Schöffengericht in Bad Kreuznach 1950. Er hatte sich während und nach dem Krieg als Pfarrer ausgegeben.

Insgesamt sieben eng beschriebene Seiten umfasst die Urteilsbegründung, die in der Einleitung auch den Werdegang K.s nachzeichnet, der seine Kindheit und Jugend in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts im damals noch deutschen Memelland verbrachte.

Von prekären Familienverhältnissen (eins von drei unehelichen Kindern) und  Schulversagen ist dort die Rede und von vielen Gelegenheitsberufstationen, z.B. als Hütejunge, Knecht und Pförtner. 1934 ergatterte K. eine Stelle als Sekretär beim Jungmännerverein, wo er im Laufe der Zeit auch die Andachten bei Versammlungen und Sitzungen gestaltete. Das scheint ihm als „Ausbildung“ ausgereicht zu haben, um sich in den Wirren des Krieges in einem Lazarett 1942 zum ersten Mal als Pfarrer auszugeben. Dort bat er den anwesenden Lazarettpfarrer, auch einmal Gottesdienste in dessen Gemeinde halten zu dürfen. Der hielt die Predigten zwar für „einfach und leicht verständlich“, bemerkte aber sonst nichts von der Hochstapelei. Nach dem Krieg geriet K. in Gefangenschaft in Italien und betätigte sich dort weiter als Lagerpfarrer. Auch sein Entlassungsschein gab diesen Beruf an. Bewaffnet mit diesem offiziellen Dokument irrte K., der ja nicht mehr in seine alte Heimat im Memelland zurückkehren konnte, durch die Lande und kam mal hier und mal da bei einem alten Kriegskameraden unter, behielt die Maskerade als Pfarrer aber bei und predigte dort, wo es ihm der ansäßige Pfarrer gestattete. Als der Pfarrer in Frohnhausen Verdacht schöpfte, floh K. in den Westerwald, um sich wiederum als Pfarrer auszugeben. Mittlerweile besaß er auch einen Personalausweis, der ihn als Pfarrer auswies. Als er auch dort aufzufliegen drohte, gab er zunächst auf, verdingte sich als Gärtner und heiratete eine Frau, die er über eine Zeitungsannonce kennengelernt hatte. Dann, Anfang des Jahres 1949 aber bemühte er sich um Aufnahme in die rheinische Landeskirche und bewarb sich dort als sog. Ostpfarrer. In dieser Zeit hielt er auch wieder Gottesdienste im Kreuznacher Raum und führte sogar Taufen durch.

Damit war er nun aber endgültig zu weit gegangen. Kurz darauf wurde er verhaftet und vor Gericht gestellt. Insgesamt erhielt K. eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten.

Das Gericht erkannte interessanterweise den Vorwurf der Amtsanmaßung als unzutreffend, da der entprechende §132 StGB sich lediglich auf staatlich hergeleitete Ämter beziehe. Das Strafmaß berücksichtigte lediglich das unbefugte Tragen der Amtstracht in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung. Prof. Smend vom Institut für evangelisches Kirchenrecht empfand diesen Aspekt zwar als „unbefriedigend“, bemerkte aber auch, es sei ja nicht so, „dass das Predigen ohne Talar straffrei, dagegen das im Talar strafbar wäre.“ Er riet daher davon ab auf eine Änderung des §132 hinzuwirken.

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