Vom Osterbrot zum Nachtmahl: Beller Kirchenrechnungen aus vor- und frühreformatorischer Zeit

Das Rechnungsbuch im klassischen Schmalfolio-Format; aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 026B Bell I Nr. 23

Im älteren Archiv der Kirchengemeinde Bell, dessen Findbuch jetzt auch online verfügbar ist, finden sich Kirchenrechnungen, die bis 1531, also in die vorreformatorische Zeit zurückreichen. Die darin notierten Ausgaben spiegeln den Verlauf und die Auswirkungen der 1557 in der Hinteren Grafschaft Sponheim eingeführten Reformation wider. In der Zeit davor wurden erwartungsgemäß jährlich Ausgaben für Kerzenwachs, Chrisam und „vor die Kirchen Kleidern zu weschen“ angesetzt. Von großer Bedeutung war offenbar auch das Osterbrot, dessen Austeilung besondere Stiftungen sicherten. Bemerkenswert hingegen sind die jährlichen Ausgaben für Wein, den man zu Ostern, Weihnachten und dem Kirchweihfest am St. Johannistag „in der Kirchen gebraucht“ hat. In Bell wurde also möglicherweise bereits lange vor Einführung der Reformation das Abendmahl unter beiderlei Gestalt ausgeteilt. 1557 ging „das Kirspels [Kirchspiels] Volk“ dann erstmals auch offiziell zum „Nachtmahl“, wie die Einträge in dem Rechnungsbuch belegen. In diesem Übergangsjahr wurde zum letzten Mal das Osterbrot ausgeteilt, finden sich in den (allerdings lückenhaften) Jahrgängen letztmalig Ausgaben für die Reinigung liturgischer Gewänder und die Anschaffung von Chrisam und Wachs. „Schlicht ist Pflicht“ betitelte einst ein Vortrag die einschneidenden Veränderungen im Zuge der Reformation, und das galt jetzt auch für Bell. Die Beller Kirchenrechnungen sind ein schönes Beispiel, wie wertvoll eine nüchterne serielle Quelle für die Forschung sein kann.

1557 ging es erstmals „zum Nachtmahl“; aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 026B Bell I Nr. 23

Ein Gedanke zu „Vom Osterbrot zum Nachtmahl: Beller Kirchenrechnungen aus vor- und frühreformatorischer Zeit

  1. Liebe Frau Rönz, vielen Dank für den Hinweis auf die Beller Kirchenrechnungen. Diese Literaturgattung kann tatsächlich sehr nützlich für die Forschung sein, vor allem wenn sie bis in die vorreformatorische Zeit zurückreicht.
    Der damalige Pfarrer von Bell war Antonius („Thönges“) Göbel aus Lützig (auch: „Antonius Lutz“). Bei der hintersponheimischen Visitation von 1560 musste er nicht ins Examen. Er war bereits 21 Jahre Pfarrer in Bell und man zweifelte weder an seiner Unterrichtung noch an seiner Lehre. Offenbar war er bereits seit längerer Zeit Lutheraner. Dazu würde passen, dass er das Abendmahl schon vor 1557 unter beiderlei Gestalt austeilte, also vor der offiziellen Einführung der Reformation 1557.
    Damit gehörte er zu den wenigen Hunsrücker Geistlichen, die schon vor 1556/57 evangelisch waren.

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