Grundsteinlegung in Baumholder, 1748

Abschrift der Inschriftentafel, mit der die Zeitkapsel des Grundsteins verschlossen wurde; aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 139B (Baumholder), Schriftverkehr der Inspektoren des Oberamts Lichtenberg 1714-1761, fol. 168a

Großes Spektakel am 14. Mai 1748 in Baumholder: Man schritt zur Grundsteinlegung der neuen Kirche. Der Neubau des Kirchenschiffs war unvermeidlich geworden, da das Gebäude trotz umfangreicher Reparaturen in den Jahrzehnten zuvor „außer dem Chor ganz baufällig“ und „das gehöltz am Dachwerck und gebälk […] theils gänzlich faul [ist], da hero mann in der furcht stehen muß, daß solche durch starcke windt, welche ohne dem daselbsten heftig wehen, endlich gar zusammen gerißen werden dörfte“, wie 1740 der Kirchenschaffner berichtete. Auch wurde die Zahl der Gottesdienstbesucher immer geringer, da man in dem alten, ruinösen Bau „sein Leben wagen und befürchten muss“. Dennoch dauerte es bis zum Baubeginn noch acht Jahre. Einer der Hauptgründe dafür waren Interessenkonflikte betreffend das Simultaneum, denn die Baumholderer Kirche nutzten mit Reformierten, Lutheranern und Katholiken gleich drei Konfessionen. Wie schwierig deren Nebeneinander trotz streng reglementierter Gottesdienststunden war, zeigt eine geplante Scheidemauer im Neubau der Kirche, die den protestantischen vom katholischen Bereich trennen sollte. Die Reformierten sprachen sich vehement gegen diese Baumaßnahme aus, da sie befürchteten, andernfalls ihren Anspruch auf die gesamte Kirche zu verlieren. Doch nun also endlich die Grundsteinlegung! Im Archiv der Kirchengemeinde ist dazu ein ausführlicher Bericht überliefert:

An besagtem Tag begaben sich morgens um neun Uhr die beiden reformierten Pfarrer nebst Kirchenältesten, weiteren Honoratioren und Ehrengästen zum Gasthaus „Zum güldenen Engel“, wo als Regierungsvertreter der Hochfürstliche Regierungsrat des Oberamts Lichtenberg und „Comissarius“ Baron von Gunderode sowie Baudirektor Friedrich Hartmann Koch, Kirchenschaffner zu Kusel, abgestiegen waren. Anschließend zog man in einer Prozession unter Glockengeläut zum Kirchplatz. Vorneweg schritten die reformierten Kirchenältesten mit den in die Zeitkapsel des Grundsteins einzulegenden Gegenständen:

  1. Ein zu Schaffhaußen, Teutsch mit kupfernen ao 1745 in 4to gedruckt und in schwarz leder mit blau gesprengtem Schnitt eingebundene Bibel.
  2. Das zu Zweybrücken, ao 1746, in 8vo gedruckt und in Carduan mit vergüldetem Schnitt eingebundenen Evangelisch Reformirte gesangbuch, worin das porträt Snni nostri Christian IV. inseriret war, wie es dann auch unter höchstdeßen Schutz und Privilegio gedruckt worden.
  3. Ein Heydelbergischer großer Sprüch-Catechismus, nebst einem Kleinen zu Zweybrücken gedrucktem Catechismo. Beyde sind in braun Leder eingebunden.
  4. Zwey boutellen mit roth und weisen wein angefüllet.
  5. Fünf Schächtelgen, worinnen fünfferley früchten jede besonders waren als: Korn, Habern, Gerst, Speltz und Erbsen.
  6. Die in eine bleyerne 26. Pfund schwere platt eingestochene Inscription.

Es folgten Bürgermeister, Ratsverwandte, Gerichtsschultheiß und -schöffen, dahinter die beiden reformierten Pfarrer, denen sich auch der lutherische zugesellt hatte, und zum Schluss Baron von Gunderode und Kirchenschaffner Koch. Auf dem Kirchhof waren für die Zeremonie zwei Holzhütten aufgebaut worden. In der einen nahmen die Regierungsvertreter Platz, in der anderen wurden auf dem mit einem schwarzen Tuch bedeckten Kirchentisch die einzumauernden „Denkmahle“ platziert. Nach Ansprache, Anrufung Gottes und dem Absingen von Psalmen durch den reformierten Pfarrer Johann Philipp Nikolaus Müller wurde

„dem Herrn Commissario ein blau Taffeten Maurer schürtzlein praesentiert, und von dem Maurermeister umgegürtet. Worauff Hochderselbe sich in die Krufft, wohin der Eckstein vorher eingesencket war, mit dem Herrn Bau-Direktor, in gefolg der Pfarrer und Eltesten begeben, und mit eigener gnädiger Hand, die Denckmahle […] in die darzu aptirte Cavitaet deß Ecksteins gethan und solche mit der Inscriptions Platt zu gedecket, so fort die hoch Ihme praesentiert wordene neue mit blauem Band am Griff gezierte Kelle und Maurerhammer ergriffen und mit der Kelle Kalck schöpfend, den grundstein […] bestrichen und auff den darauff gelegten Stein, mit dem Hammer, auff deßen vier Seiten, etlich mahl schlagend den Eckstein fest und wohl gelegt haben. Wobey sonderlich als der erste Hammerschlag geschehen, das Baumholderer schwere Geschütz […] etliche Böller loßgeschossen. Als hierauff der Kirchen Bau-Direktor Herr Koch nebst den Pfarrern und Eltesten auch, jeder etlich mahl, auf den Eckstein geklopffet hatten, […] wurde vom Pfr. Müller durch Aussprechung des Segens der Beschluß gemacht.“

Wie zu erwarten, blieben auch bei einem solchen Anlass konfessionelle Positionskämpfe nicht aus, denn während „der Römisch Catholische Pastor allhier, Herr Weitzel, […] einen bescheidenen Spectateur bei diesem Actu abgegeben habe“, hätte sich der lutherische Pfarrer Hartmuth in der Gruft vorgedrängelt, „gleich nach dem Pfarrer Müller, mit Zurücksetzung des Pfarrer Matthias, zum Hammer gegriffen, und unterm Schlagen auf den Grundstein, mit lauter Stimmer diese Worte ausgesprochen: Zur Ehre des Dreyeinigen Gottes, deß großen Baumeisters Himmels und der Erden, auf Befehl Ihro Hochfürstliche Durchlacht, meines gnädigsten Fürsten und Herren und im Namen meiner und der mit anvertrauten Evangelischen Gemeinde!“ Pfarrer Müller jedoch blieb unbeeindruckt und wies ihn noch vor Ort und Stelle zurecht, dass was „der Luth. Herr Pfarrer hier gethan und außgerichtet, wäre gar nicht nöthig geweßen, und es werde den Reformirten an ihrem alleinigen recht zu dießer Kirch nichts praejudiciren können.“ Das Oberamt Lichtenberg sah sich aufgrund des Gezänks genötigt, es den drei Konfessionen strengstens zu untersagen, eigenmächtig den ersten Gottesdienst in der neuen Kirche zu halten. Nach langen Überlegungen sprach man schließlich den Reformierten den Einweihungsgottesdienst der neuen Kirche zu, der am 18. November 1750 gehalten wurde.

Anordnung der Simultankirche mit reformiertem (Nr. 1) und katholischem Altar (Nr. 2), Pfarrstuhl (Nr. 3) und Kanzelplatz (Nr. 4); aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 139B (Baumholder), Akte zum Kirchbau 1746-1748, fol. 203

Die umfangreiche Überlieferung zum Kirchenbau findet sich im Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Baumholder, das Ende 2023 von der Evangelischen Archivstelle Boppard zur Aufbewahrung übernommen wurde und derzeit verzeichnet wird.

Literatur zu diesem Beitrag: Böhmer, Klaus, Dokumente, Texte, Bilder und Karten zur Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Baumholder von der Reformation bis zu Gegenwart. Ein Beitrag zum Kirchenbaujubiläum im Jahr 2000, Baumholder 2000, S. 40-45.

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