Konfirmationsscheine sind die Nachfolger der frühneuzeitlichen Kirchenzeugnisse. Rein rechtlich bescheinigen sie den Vollzug der Konfirmation, vor allem dienten sie aber auch als Erinnerungsgabe. Seit ca. 1860 reicherten spezialisierte Kunstverlage sie zunehmend im Mehrfarbdruck mit einem Bildmotiv an. Eingerahmt konnten sie so als Wandschmuck dienen.
Sie bilden im Wortsinn das jeweilige Zeitkolorit ab und stellen somit eine aussagekräftige Quellengattung dar. Oft begegnen markige Lutherdarstellungen, gern auch in schwarz-weiß-roter und damit deutschnationaler Farbakzentuierung. Einen ausgezeichneten quellenkundlichen Überblick über die Konfirmationsscheine und ihre Interpretationsmöglichkeiten bietet der Karlsruher Kollege Heinrich Löber auf LEO-BW. Auch das Archiv der EKiR verfügt über eine entsprechende Sammlung.
Ein Neuzugang aus dem Jahr 1931 zeigt nun ein eher untypisches Motiv: Ernst blickt der deutsche „Dichterfürst“ Johann Wolfgang von Goethe auf den armen Konfirmanden oder die bemitleidenswerte Konfirmandin herab. Es handelt sich um ein Werk des bekannten Malers Karl Bauer, der uns bereits bei einem Portrait Martin Luthers begegnet ist.
Man kann nur vermuten, dass die Motivauswahl des Verlages im Marketing-Hype des anstehenden Goethejahres 1932 (100. Todestag) erfolgte. Inhaltlich passt hier gar nichts zusammen: Goethe stand bekanntlich dem Christentum zumindest in seiner institutionalisierten Ausprägung zeit seines Lebens recht fremd gegenüber. Er ist selbst zwar noch 1763 in der Frankfurter Katharinenkirche konfirmiert worden, aber der Blick auf diese Produktion hätte ihn sicherlich bass erstaunt.