Spendenfärsen aus den USA: Aus der Arbeit des Evangelischen Hilfswerks

Können Sie spontan etwas mit dem Begriff Spendenfärsen anfangen? Eine Färse (englisch: Heifer) ist bekanntlich ein junges weibliches Rind, das noch nicht gekalbt hat. Weshalb sollte sich das Blog eines kirchlichen Archivs mit diesen Tieren beschäftigen?

Nicht weniger als fünf dicke Aktenhefter im Bestand 5WV 052 (Ev. Hilfswerk) führen den Aktentitel „Spendenfärsen“. Es gab also in den 1950er Jahren offensichtlich intensiven Schriftverkehr um diese gespendeten Kühe. Ausgangspunkt ist die 1944 gegründete und heute noch bestehende amerikanische Organisation Heifer International.

Informationsschreiben der Färsen Projekt Vereinigung(ca. 1955). Aus Bestand: AEKR 5WV 052 (Diakonisches Werk, Bestand Hilfswerk), Nr. 202

Gemäß deren Auflagen mussten die Empfänger bedürftige Flüchtlinge sein und nachweisen, dass sie bereits in ihrer früheren Heimat als Landwirt tätig gewesen waren. In Deutschland betraf dies in der Regel Vertriebenenfamilien aus den ehemaligen Ostgebieten. Sie verpflichteten sich, das erstgeborene weibliche Kalb einem anderen bedürftigen Flüchtlingsbauern abzugeben

Das Hilfswerk und auf katholischer Seite die Caritas sorgten im Zusammenspiel mit staatlichen Stellen für die Bearbeitung der zahlreichen Anträge, die oft zunächst von den Ortspfarrern gesammelt und weitergeleitet worden waren. Das Procedere bei einer Übergabe von Tieren in Düsseldorf 1957 veranschaulicht ein Informationsblatt des Hilfswerks:

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Der frühe Tod des Hundsbacher Pfarrers Johann Adam Lucae 1626

Das Leben eines Landpfarrers war bekanntlich noch bis in die jüngere Zeit oft hart und entbehrungsreich. Für Gottesdienste und Amtshandlungen in abgelegenen Orten mit weit verstreuten Gehöften waren stundenlange Fußmärsche über schlechte Wege an der Tagesordnung und so mancher Geistliche hat sich damit seine Gesundheit ruiniert. Der junge Hundsbacher Pfarrer Johann Adam Lucae bezahlte seinen Dienst im rauhen Pfälzer Bergland an der Grenze zum Hunsrück 1626 sogar mit dem Leben. Aus einem noch nach dem julianischen Kalender auf den 18. Februar des Jahres datierten Bericht der Amtsleute von Meisenheim an Pfalzgraf Johann II. erfahren wir die genauen Todesumstände: Am 16. Februar (julianisch) 1626 war Lucae, Anfang 30 und erst seit zwei Jahren Pfarrer in Hundsbach, „von einem seiner Pfarrkinder, Simon Ginzweillern, zu Jeckenbach […] erfordert worden, ein Kindt zu tauffen.“ Der Pfarrer machte sich also über tief verschneite Wege in den gut fünf Kilometer entfernten Nachbarort auf und verrichtete sein Amt. Nach der Taufe blieb man im Haus der Familie mit den Nachbarn noch zusammen, da der Vater des Kindes „ein Drunck zum besten“ gab. Kredenzt wurde Birnenwein der letztjährigen Ernte und auch „feiner Wein“, jedoch „mehr nit als ein einzig Maß“, wie der Hausherr bei der Untersuchung des Unglücksfalls später betonte. Bei seinem Aufbruch „ein Stundt vor der Nacht“ wäre der Pfarrer jedenfalls „bei ziemblichen guten Verstandt gewesen“. Das bestätigte auch ein Hirte, mit dem der junge Geistliche unterwegs noch sprach. Lucae hatte es jedoch eilig, denn er war besorgt, „es möchte ihm etwas durch das Kriegsvolck“ – es ist die Zeit des 30-jährigen Krieges – , „so den selbigen Tags uffbrechen sollen, in seiner Haushaltung Schaden zugefugt werden.“

aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 134B, Nr. 61
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Trauerbeflaggung aller öffentlichen Gebäude zum Tod von Papst Pius XII. 1958 – auch von evangelischen Schulen?

Papst Pius XII

Am 9. Oktober 1958 starb in Castel Gandolfo Papst Pius XII. im Alter von 82 Jahren als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche und als Staatsoberhaupt der Vatikanstadt. Auf Grund „einer grundsätzlichen Entscheidung des Herrn Ministerpräsidenten [Franz Meyers, CDU] nicht auf einer Anordnung des Herrn Bundesministers des Innern beruhende Beflaggungsanordnung anläßlich des Ablebens von Papst Pius XII.“ wurde eine Trauerbeflaggung aller öffentlichen Gebäude in Nordrhein-Westfalen für die Dauer von drei Tagen angeordnet (Bestand 1OB 017 I Nr. 215, Schreiben des Innenminsters NRW vom 27. Januar 1959). In anderen Bundesländern scheint es ähnliche Anordnungen gegeben zu haben.

„Nach altem Recht [steht diese Art der Beflaggung] ausländischen Souveränen“ [zu]. Auch sämtliche Schulen waren darin inbegriffen. Als in einzelnen Orten im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland auch evangelische Bekenntnisschulen zu einer solchen Trauerbeflaggung veranlasst wurden, erhielt die Kirchenleitung Anfragen von Schulleitern, wie sie sich zu verhalten hätten. Wo solche Schule bereits geflaggt hatten, kamen aus den Kirchengemeinden, zumal in Gegenden mit überwiegend evangelischer Bevölkerung, Proteste, die auch in Beschlüssen zweier Kreissynoden wiederholt wurden.

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Findbuch der Evangelischen Kirchegemeinden Seibersbach und Dörrebach ist online

4KG 137B (Seibersbach), 68 Kirchturn Dörrebach

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90. Deutscher Archivtag in Bielefeld

Plenum 4 „Erschließung als Kommunikation“ 28.9. – Dr. Jochen Rath (Bielefeld) und Vanessa Charlotte Heitland (Bielefeld): Kollaborative Erschließung – Erfahrungen des Stadtarchivs Bielefeld mit dem Bildarchiv Hermann Albrecht Insinger.

2023 wurde in Bielefeld endlich nachgeholt, was 2020 coronabedingt leider hat abgesagt werden müssen, nämlich der 90. Deutsche Archivtag. Nach dreijähriger Kongresspause fand schließlich vom 26. bis 28. September in der Stadthalle Bielefeld (praktischerweise direkt am Bahnhof)
der, vom Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. ausgerichtete, größte nationale Archivkongress Europas statt. Erwartet wurden ca. 600 Besucherinnen und Besucher, die sich ganz dem diesjährigen Thema „Miteinander arbeiten und miteinander reden – Kommunikation rund um das Archiv“ widmeten.

Das Archiv der EKiR wurde an zwei Tagen, Mittwoch und Donnerstag, von zwei Mitarbeitenden auf dem Kongress vertreten. Mittwoch früh ging es gleich los mit dem Thema des ersten Plenums „Über Regeln reden – Archive und die Entwicklung von Gesetzen und Normen“. Dr. Ulrich Helbach, Direktor des Historischen Archivs des Erzbistums Köln, referierte über die Entwicklung der Kirchlichen Archivordnung (KAO) für katholische Archive. Die von ihm zitierte Aussage eines Generalvikars aus den 1980er, der Zweifel daran äußerte, Archivgut Archivarinnen und Archivaren zu überlassen, da diese nicht über deren Archivwürdigkeit entscheiden könnten, ließ schmunzeln. Gleichzeitig wurde die Notwendigkeit des ständigen Austausches deutlich, um Vorurteile abbauen zu können, v.a. wenn es um Gesetzgebungsverfahren geht, die die archivarische Arbeit direkt betreffen. Für mehr Partizipation an der Gestaltung und Ausarbeitung von Gesetzen und Normen plädierte auch Andreas Nestl aus München. Es gilt fortlaufend Kontakt zu Behörden und Gremien zu halten, über die Arbeit in einem Archiv zu informieren und für Bedürfnisse von Archiven zu sensibilisieren. Anhand zweier Beispiele, nämlich dem Bayerischen Datenschutzgesetz (BayDSG) vom 15.5.2018 und dem Geologiedatengesetz (GeoIDG) vom 30.6.2020, zeigte der Referierende auf, welche Auswirkungen, respektive Ergebnisse, der (Nicht-)Einbezug von Archivmitarbeitenden bei Gesetzgebungsverfahren haben kann.

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Segenswünsche der Evangelischen Kirche im Rheinland aus Anlass von Ehejubiläen

Im Bestand unserer Archivbibliothek befindet sich ein Heft „Das Vaterunser“ mit der Gestaltung des Textes und Originalscherenschnitten von Elisabeth Weigle aus dem Verlag Franz Boccarius in Göppingen und Stuttgart, ohne Jahr [1947]. Interessant wird das Heft durch die auf das Vorsatzblatt hanschriftlich geschriebene Widmung:

„Die Evangelische Kirche im Rheinland grüßt das Ehepaar August Götzinger und Emma geb. Kramm zum Tage der diamantenen Hochzeit 30. September 1950 mit herzlichen Segenswünschen.“

Es folgen die Verse 14 -15 aus Psalm 92 und die Unterschrift von Oberkirchenrat Johannes Schlingensiepen.

Das Vaterunser; Text und Originalscherenschnitte von Elisabeth Weigle

Ein glücklicher Zufall hat dafür gesorgt, dass dieses den Eheleuten Götzinger gewidmete Heft irgendwann in die frühere Landeskirchliche Bibliothek und bei deren Auflösung in den Bestand unseres Archivs gelangt ist. Aber es stellt sich die Frage, wie kam die Landeskirche an die Daten von Ehejubilaren und -jubilarinnen? Erfreulicherweise findet sich im Bestand der Sachakten des Landeskirchenamtes (Bestand 1OB 017 Teil I) ein Archivale Nr. 3849 „Gedenkblätter für diamantene Hochezeiten“ (1951-1969). Bei den Archivalien zu den Gedenkblättern zu Goldenden Hochzeiten (Nr. 3848) und Eisernen Hochzeiten (Nr. 3846 und 3847) heißt der Aktentitel „Kirchliche Ehrungen …“. Das scheint bei den Diamantenen Hochzeiten beim archivischen Umbetten der Akte in einen neuen Hefter „eingespart“ worden zu sein.

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Ein „sauberer Anzeigenteil“ für die kirchliche Presse

Die 1946 gegründete Zeitung DER WEG (Evangelisches Kirchenblatt für das Rheinland) erschien in den ersten Jahren ohne jegliche kommerzielle Werbung. In der Ausgabe vom 12. April 1953 erfährt die Leserschaft die Hintergründe für dieses Manko sowie die neuen Planungen der Redaktion:

Auszug: Der Weg, Evangelisches Kirchenblatt für das Rheinland, Nr. 8, 1953

Der intendierte „saubere Anzeigenteil“ im moralisch-ethischen Sinne fand in den kommenden Ausgaben auf originelle Weise eine wortwörtliche Umsetzung:

Auszug: Der Weg, Evangelisches Kirchenblatt für das Rheinland, Nr. 9, 1953

Bei beiden Produkten handelte es sich um Erzeugnisse regionaler Anbieter aus Solingen bzw. Wuppertal. Ein Beispiel für den im WEG-Artikel benannten „früher so geschätzten Anzeigenteil“ des Barmer Sonntagsblattes bietet die Ausgabe vom 21. Januar 1923:

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