Das Archiv der Ev. Kirchengemeinde Ottweiler: Eine Fundgrube für die Kirchen- und Sozialgeschichte des Saarraumes vor der Französischen Revolution

Das Evangelische Zentralarchiv Saar (EZAS) hat die Erschließung seines historisch bedeutendsten Bestandes abgeschlossen: Das Findbuch mit einem Umfang von 141 Seiten und 541 Verzeichnungseinheiten liegt online vor und präsentiert eine kleine lutherische Landeskirche des 17.-18. Jahrhunderts in all ihren Facetten.

In Ottweiler residierten von 1640 bis zu ihrem Aussterben 1728 die Grafen von Nassau-Ottweiler in ihrem im Dreißigjährigen Krieg schwer beschädigten Renaissanceschloss aus dem 16. Jahrhundert. Dem korrespondierte kirchlicherseits, dass Ottweiler Sitz einer lutherischen Inspektion war. Diese entspricht einem heutigen Kirchenkreis.

Einblicke in das alltägliche Gemeindeleben auf dem Sprengel der gesamten Grafschaft Ottweiler ermöglichen die Visitationsberichte mitsamt ihrer umfänglichen Begleitkorrespondenz. Bauskizzen nicht mehr existierender mittelalterlicher Ortskirchen sowie Aufschriften längst zerstörter Glocken werfen Schlaglichter zurück auf das Spätmittelalter.

Abschriften der Glockeninschrift. Aus Bestand: EZAS Best. 02,49 Ottweiler I Nr. 183

Die Stuhlordnung für die Stadtkirche Ottweiler illustriert eindrücklich die subtilen sozialen Unterschiede in der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Alter und Familienstatus bilden die Hauptkriterien der Platzierung, freilich werden auch Honoratioren wie der gräfliche Oberjäger mit reservierten Stühlen bedacht.

Stuhlordnung der Stadtkirche Ottweiler. Aus Bestand: EZAS Best. 02,49 Ottweiler I Nr. 184

Ein großer Fundus an Predigtmanuskripten ist sicherlich aussagekräftig zu den theologischen Positionen der Pfarrerschaft. Der Bestand enthält auch die Akten der 1728 gegründeten Nassau-Saarbrückischen Pfarrwitwen- und Waisenkasse. Eine weitere frühe soziale Einrichtung war das 1714 gestiftete Spital zur Armen- und Krankenfürsorge in Ottweiler. Ältestes Dokument überhaupt ist ein Schreiben an Graf Albrecht von Nassau-Saarbrücken aus dem Jahr 1581.

Durch die kontinuierliche Erschließung der rheinischen Gemeindearchive seit ca. 1950 kommt es (erfreulicherweise) nur noch im Ausnahmefall vor, dass man auf völlig unbekannte Quellenbestände der frühen Neuzeit stößt. Auch im Ottweiler Fall hatte der verdienstvolle Kirchenarchivrat Walter Schmidt, mein Vorvorgänger im Amt und selbst Saarländer aus dem nahen Sulzbach, bereits 1957 ein kursorisches Findmittel erstellt. Aber erst mit der jetzt vorgelegten detaillierten Neuerfassung durch Joachim Conrad steht für die regionale Geschichtsforschung ein zuverlässiger Wegweiser zur Verfügung.

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