„Thüringer DC-Clique“ agierte in Limbach

Die rassistische und antisemitische Kirchenbewegung Deutsche Christen (KDC), auch Thüringer DC genannt, suchte nach 1933 reichsweit an Einfluss zu gewinnen. Als führende Gestalt der KDC im Rheinland galt der Bad Kreuznacher Pfarrer Carl Wippermann, der ab 1934 als Leiter der Gaugemeinde Saar-Pfalz unermüdlich propagandistisch agierte und mitunter sogar in fremden Gemeinden ohne Wissen des dortigen Ortspfarrers auftrat. So auch in Limbach, Filiale der Evangelischen Kirchengemeinde Hundsbach, wo seine Agitation bei einigen Anhängern des Nationalsozialismus, darunter Mitglieder der SA, auf fruchtbaren Boden fiel.

Pfarrer Adolf Röhrig an seinem Schreibtisch in Hundsbach, 1928; aus Bestand: 7NL 008, Nr. 210. 6.55

Den Hundsbacher Pfarrer Adolf Röhrig erreichte am 9. November 1935 der Brief eines Limbacher Landwirts, der als „Leiter der Gemeinde Limbach der Kirchenbewegung ,Deutsche Christen‘ (nationalkirchliche Bewegung)“, die Erlaubnis verlangte, „in der hiesigen evangel. Kirche durch auswärtige Pfarrer der Landeskirche Minderheitsgottesdienste abzuhalten. […] Da alle Glieder unserer Gemeinde regelmäßig Kirchensteuer zahlen, bitten wir, von der Erhebung einer Gebühr für Reinigung, Heizung oder Beleuchtung der Kirche abzusehen.“ Pfarrer Röhrig, der zunächst noch mit der weniger radikalen Reichsbewegung Deutsche Christen sympathisiert, diese aber bereits Anfang 1934 aus Gewissengründen wieder verlassen hatte und 1936 der Bekennenden Kirche beitrat, entgegnete kühl, das ihm „von dem Bestehen einer ,Gemeinde‘ der KDC in Limbach mit einem ,Leiter‘ nicht bekannt ist. […] Sie wollen mir daher bitte mitteilen, wie groß denn ihre Gemeinde ist, deren Mitglieder ja nach wie vor Glieder unserer Kirchengemeinde sind.“

Da diese Auskunft verweigert wurde, lehnte das Presbyterium Anfang Dezember 1935 den Antrag auf Nutzung der Kirche ab, auch, um aufgrund der zweifelhaften Stellung der KDC zur Kirchenverfassung „den Frieden der Kirchengemeinde [nicht] zu stören, die bisher kirchenpolitisch nicht gespalten ist.“ Der Limbacher KDC-Leiter reagierte empört: „Wir sind keine Berliner Deutsche Christen und ebenso wenig Angehörige der Bekenntnispartei. Bei diesen beiden Richtungen kann man allerdings mit Recht behaupten, dass sie mit der Verfassung der deutschen evangelischen Kirche Schindluder getrieben haben. […] Wir stehen fest zur Verfassung [und] werden den Reichsminister Kerrl […] auf seinem bisherigen Wege unbedingt unterstützen.“ Dennoch kehrte daraufhin für einige Monate Ruhe ein.

Anfang September 1936 setzte sich „Wippermanns unerfreuliches Wirken in Limbach“, wie die Akte im Archiv der Kirchengemeinde Hundsbach betitelt ist, jedoch fort. Der einzige Sohn des Limbacher KDC-Leiters war bei einem Unfall gestorben und sowohl der Vater als auch Wippermann verlangten von Pfarrer Röhrig einen Entlassungsschein, damit Wippermann die Beerdigung durchführen konnte. Röhrig mochte dies „angesichts der erschütternden Lage, in der sich die schwergeprüfte Familie befindet, nicht abschlagen“, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass Wippermann „nach dem, was in Limbach durch Ihre Werbung für die vom R.K.A. [Reichskirchenausschuss] eindeutig abgelehnte Thüringer Richtung der D.C. vorgefallen ist“, über den Rahmen der üblichen Wortverkündigung hinaus bei der Beerdigung alles unterlassen müsse, „was geeignet ist, den Frieden und die Lehre der Kirchengemeinde irgendwie zu stören.“ Nur wenige Wochen später indes hatte der Pfarrer den nächsten Antrag auf Entlassung auf dem Tisch: „Ich möchte Ihnen hierdurch mitteilen“, schrieb ihm ein weiterer Limbacher, der sein Kind eigentlich schon bei Röhrig zur Taufe angemeldet hatte, „daß ich bei der gestrigen Rücksprache mit meinem S.A.-Pfarrer Pg. [Parteigenosse] Dr. Wippermann aus Kreuznach zu dem Entschluß gekommen bin, mein Kind nicht mehr von einem Pfarrer der Bekenntnis-Front taufen zu lassen. Vielmehr wird am Sonntag in acht Tagen Herr Pfarrer Dr. Wippermann bei der in Limbach stattfindenden Feierstunde mein Kind zu gleicher Zeit taufen.“ Dies verweigerte Röhrig und wandte sich an Superintendent Reindell mit der Bitte, „dahin wirken zu wollen, daß dem Verhalten des Herrn Dr. Wippermann, der nur verwirrend auf die Gemeinde (die im übrigen empört ist) und wankelmütige Gemüter wirkt, einen weiteren Riegel vorzuschieben.“

Kanzelerklärung Pfarrer Röhrigs vom 26.3.1973; aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 134B, Nr. 52

Daraufhin denunzierte im Februar 1937 der Limbacher KDC-Leiter Pfarrer Röhrig bei dem bereits erwähnten Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten Hanns Kerrl: Die „Hetzereien in den Gottesdiensten (wenn man sie so nennen kann) dieses BK-Pfaffen“ könne man nicht länger ertragen. „Anstatt zu predigen, wird geschimpft über DC, GB und Weltanschauungen.“ Auch nach der Beerdigung des Sohnes „konnte er’s nicht unterlassen, uns mit seinem bodenlosen Haß zu überschütten. […] Er sagte [im Gottesdienst am nächsten Tag]: ,Es werden heute so viele Altäre errichtet, auf diesen wird den Götzen geopfert´ – wahrscheinlich ist der Altar des Vaterlandes gemeint. […] Früher verbreitete er sich einmal über den Mißbrauch des Wortes ,Heil´ beim Heilgruß. So könnte man die Liste ins unzählige erweitern.“ Röhrig sah sich dadurch zu einer Kanzelerklärung genötigt, die er an Karfreitag 1937 verlas (siehe Abbildung oben) und verfasste als Antwort auf die Beschwerde einen ausführlichen „Bericht über die kirchliche Lage in Limbach“, die sich ebenfalls im Archiv der Kirchengemeinde befindet. Das Presbyterium lehnte auch alle weiteren Anträge der „Thüringer DC-Clique in Limbach“, worunter der Vorgang im Archiv abgelegt wurde, auf Nutzung der Kirche, einmütig ab, denn – so in einem Beschluss vom 9. Februar 1938 – es „weiß sich in dieser Haltung nach wie vor mit dem weitaus größten Teil der Kirchengemeinde einig und glaubt feststellen zu dürfen, dass sich die Anhängerschaft auf Seiten der Deutschen Christen kaum vergrößert hat, seitdem der letzte Antrag gestellt wurde.“ Die Auseinandersetzungen endeten mit dem Tod des Limbacher KDC-Leiters im selben Jahr. Das Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Hundsbach wurde im März 2023 von der Evangelischen Archivstelle Boppard übernommen.

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