„Bitte fröhlich mitarbeiten!!“ Die „Universität für Erwerbslose“ in Essen während der Weltwirtschaftskrise

In Essen-Altstadt amtierte seit 1929 der charismatische Theologe Wilhelm Busch (1897-1966) als Jugendpfarrer. Sein Arbeitsplatz war das 1912 errichtete und nach seinem Amtsvorgänger benannte Weigle-Haus.

Dort wurde Busch unmittelbar konfrontiert mit der um sich greifenden Verzweiflung unter den jüngeren Arbeitslosen. Diesen wollte er ein praxisorientiertes Fortbildungs- und Qualifizierungsangebot unterbreiten. Mit den räumlichen Ressourcen des Weigle-Hauses und der Hilfe ehrenamtlicher Dozenten aus Essen begann im Oktober 1930 die Arbeit der UfE, der Universität für Erwerbslose. Der ursprünglich geplante Name UfA (Universität für Arbeitslose) fiel einer Klageandrohung der gleichnamigen Filmgesellschaft zum Opfer.

Die bis zu 500 Erwerbslosen an der UfE  wurden nun von Montag bis Samstag nach einem vielfältigen Lehrangebot unterrichtet. Dazu konnte auch „Farmwesen“ zählen, das sich an Auswanderer nach Australien und Kanada richtete. Busch selbst bot eine „Weltanschauungsstunde“ an, in der er eingangs zehn Minuten über die Botschaft der Bibel sprach, was anschließend in eine freie Diskussion mündete. Nicht zu unterschätzen war bei diesen Teilnehmerzahlen auch die Verpflegungsfrage, die Busch mit Hilfe täglicher Lieferungen von Kaffee und Wurstbroten durch Sponsoren löste. Den Beitrag der UfE zum sozialen Zusammenhalt bringt er später so auf den Punkt:

„Man hatte wieder einen Lebensinhalt. Man musste früh aufstehen, um rechtzeitig in den „Kollegs“ zu sein. Man fand neue Freunde. Man lernte, andere Standpunkte zu verstehen. Man hatte Hausaufgaben zu machen.“

In einer Akte mit dem eher unauffälligen Titel „Zuschüsse zur Jugendpflege“ fand sich nun der letzte bekannte Arbeitsplan der UfE vom 30. Oktober 1934.

Arbeitsplan der Ufe (Universität für Erwerbslose) des evangelischen Jugendpfarramtes. Weiglehaus, Essen, 1934, aus Bestand: AEKR Düsseldorf 4KG 076 (Essen-Altstadt), Nr. 384

Bislang war die Forschung davon ausgegangen, dass die Kurse wegen des wachsenden Drucks des NS-Regimes auf die kirchliche Jugend- und Bildungsarbeit bereits im Frühjahr 1934 eingestellt wurden. In einem Brief an den Vorstand des Vereins Jugendhaus vom 24.11.1934 nennt Wilhelm Busch die Zahl von immerhin noch 150 jungen Erwerbslosen, die derzeit die UfE besuchten.

Arbeitsplan der Ufe (Universität für Erwerbslose) des evangelischen Jugendpfarramtes. Weiglehaus, Essen, 1934, aus Bestand: AEKR Düsseldorf 4KG 076 (Essen-Altstadt), Nr. 384

Beim Vergleich mit einem älteren Wochenplan von Frühjahr 1931 zeigen sich die ideologisch bedingten Akzentverlagerungen: Neben den zu erwartenden Pflichtkursus zum Nationalsozialismus, der die frühere Staatsbürgerkunde ersetzt, treten weitere eher praxisferne „deutsche“ Themen wie die Lebensbilder großer Männer, deutsche Stadt und deutsches Land oder die großen deutschen Dichter. Jiu Jitsu und Luftschutz kommen neu hinzu. Weggefallen sind hingegen die meisten berufsvorbereitenden Fächer sowie die besonderen Veranstaltungen donnerstags, bei denen neben Filmvorführungen auch unter anderem die sexuelle Frage oder die neuesten Entwicklungen in Russland thematisiert worden waren.

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