Weihnachtsbräuche, vergessen oder noch aktuell? Teil 3: Sylvester/Neujahr.

An einem Silvesterabend von der gegenüberliegenden Rheinseite bei Nacht abgelichtet. Fotograf: Hans Lachmann Ort: Düsseldorf Signatur: AEKR 8SL046 (Bildarchiv), 200_194 Schachtel: 358

In wenigen Tagen neigt sich das alte (und leider immer noch stark durch die Corona-Pandemie gebeutelte) Jahr 2021 zu Ende. Das bedeutet auch, dass die Reihe über Bräuche zu ihrem Abschluss kommt. Ähnlich der Advents- oder Weihnachtszeit ist der – wenn auch kurze – Zeitraum um den 31.12./ 1.1. voller Bräuche und Traditionen, die bis heute teilweise Bestand haben und zelebriert werden. Andere hingegen sind in Vergessenheit geraten.

Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass das Silvester – resp. Neujahrsfest kein christlicher Feiertag ist, auch wenn der 31. Dezember seinen Namen einem Bischof zu verdanken hat. Die Rede ist von Sylvester I., der von 314 bis zum seinem Ableben 335 in Rom als Bischof amtierte. Er bekehrte Kaiser Konstantin I., was zur Folge hatte, dass die Christenverfolgung ein Ende nahm und das Christentum im Römischen Reich neue Staatsreligion wurde. 1582 wurde der gregorianische Kalender reformiert. Der letzte Tag im Jahr wurde vom 24. Dezember auf den 31. Dezember verlegt, dem Todestag von Sylvester I. Fortan assoziierte man den 31. mit eben diesem Namen.

Ein bis heute noch in Zügen erhaltener und nach wie vor beliebter Brauch ist das Knallen von Böllern. Über die heutigen Diskussionen um ein Böllerverbot und über den Unmut mancher darüber lassen sich tatsächlich Parallelen zur Vergangenheit ziehen. Vom 19. Jahrhundert an bis zum 1. Weltkrieg hin ließen junge Burschen tollkühne Eigenkreationen von Böllern hochgehen. So füllten sie Karbid in alte Milchkannen und zündeten diese an. Genauso populär war das Schießen mit Pistolen in die Luft. Ungefährlich war das nicht. Denn das Explosionsverhalten einer solchen Milchkanne war nicht unbedingt vorhersehbar und in die Luft abgeschossene Kugeln unterlagen nun mal der Schwerkraft und fielen wieder runter. Dies führte nicht nur zu Verletzungen, sondern auch mancherorts zu Verboten. Man argumentierte aber, dass das alte Jahr „totgeschossen“ und das neue „begrüßt“ werden musste. Hintergrund dieses „Neujahrsschießen“ mögen heidnische Bräuche gewesen sein. Mit viel Lärm und Getöse sollten wohl böse Geister und Dämonen vertrieben werden. Wie es scheint spielte die Geisteraustreibung in der vorchristlichen Zeit in den dunklen Wintermonaten eine zentrale Rolle und hat sich, vielleicht nicht bewusst in den Köpfen der Menschen, doch sicherlich unbewusst in dem einen oder anderen Brauch erhalten.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert war es am Niederrhein Brauch, dass junge Männer von Hof zu Hof liefen, mit einem „Braihoot“ (einem langen Holz an dessen Spitze der Breitopf befestigt wurde) an die Pforte schlugen und „Jlökselich Nöijoar“ riefen. In Nettetal-Leuth oder in Krefeld-Uerdingen wiederum spielten sie mit Karten in den örtlichen Bäckereien um Bretzeln und machten die Nacht durch. Diejenigen Burschen, die ein Auge auf ein Mädel geworfen hatten, stellten sich um Mitternacht vor das Haus der Angebeteten und feuerten den ersten Neujahrsschuss ab. Diese wiederum hatte dann ihrem Verehrer mit Bretzeln, Neujahrsküchelchen und Schnaps entgegen zu kommen. Wer von den jungen Damen keinen Verehrer hatte, konnte das Orakel befragen, ob sich das denn nicht im neuen Jahr ändern würde. Dazu stellte man sich mit dem Rücken zur Tür und warf einen Pantoffel hinter sich. Zeigte die Pantoffelspitze zur Tür, dann wurde das als Zeichen für eine Hochzeit im kommenden Jahr gedeutet. Auch das Bleigießen war schon damals ein beliebter Spaß, um einen Blick in die Zukunft zu werfen.

Im Gegensatz zum mittlerweile verbotenen, jedoch nicht vergessenen, Bleigießen hat sich die Tradition des Neujahrbriefes nicht erhalten können. Um die Jahrhundertwende bis teilweise in die 1930er hinein war es Brauch, dass Kinder ihren Eltern oder Verwandten auf einem ausgeschmückten Briefbogen Glückwünsche, Segenssprüche oder gute Vorsätze niederschrieben. Wenn die Eltern dann am Neujahrstag in der Frühe aus der Messe nach Hause zurück kehrten, warteten die Kinder in der Stube versteckt auf sie. Beim Eintreten sprangen die Kinder zu ihnen und riefen „Jlökselich Nöijoar“. Darauf erwiderten die Eltern „Noch ee dernoe“. Ein anderer Neujahrswunsch am Niederrhein lautete: „Joe Rötsch op deä alde Blötsch!“, was so viel wie „guten Rutsch auf dem alten Holzschuh“ bedeutet, denn mit Holzschuhen lies sich besonders gut auf Eis schlittern.

Man glaubte auch, dass es einem Glück brachte, wenn man seinen Eltern, Verwandten oder auch den Nachbarn als erster seinen Neujahrsgruß überbrachte. Daraus ist ein regelrechter Wettstreit entstanden. Der Sieger trug auf jeden Fall eine Bretzel als Geschenk davon. Gerne trank man auch ein „Joarschdröpken“, also einen Neujahrstropfen, dazu. Die neuen Wünsche zum neuen Jahr hatten einen hohen Stellenwert. Bedacht wurden nicht nur die liebe Verwandtschaft, sondern etwa auch die Müllmänner oder die Postboten, die gerne auch ein Trinkgeld für ihre guten Dienste während des letzten Jahres erhielten. Eine Kleinigkeit konnten sich auch Kinder abstauben. Beim Gabensammeln zogen sie von Nachbar zu Nachbar, überbrachten Glückwünsche, sagten kleine Verse auf und wurden mit einem Geldstück oder Gebäck belohnt. Ein oft aufgesagter Vers lautete:


„Jlökselich Nöijoahr!
Der Kop fol Hoar!
Der Mongk fol Täng
On der Wängel (de Kraak) en de Häng!“

Die erhaltenen Pfennige wurden stets als gutes Omen gewertet, da man an dem Gedanken festhielt, das ganze Jahr Geld zu haben, wenn man welches an Neujahr hat. Am Neujahrstag waren aber nicht nur die Kinder unterwegs. Vor dem Hintergrund des Brauches des „Verosche“ oder „Vroosche“ zogen auch die Erwachsenen los. Aus dem Niederländischen stammt das Wort „Verasse“ und heißt: überraschen und darum ging es auch. Man überraschte die Nachbarn, Freunde, Verwandten mit einem Besuch am Neujahrsmorgen, um Glückwünsche zu überbringen und den besagten „Joarschdröpken“ zu trinken. Dieser Brauch hat heute noch Bestand, doch kündigt man sich mittlerweile natürlich an. Übrigens war der „Verosche“- Brauch am 2. Januar noch lange nicht vorbei. Mancherorts zog er sich bis zum Dreikönigsfest oder bis zum Antoniustag (17. Januar). Daher galt es, den Rum für die Männer oder den Likör für die Damen noch einige Tage bereit zu halten.

Zum guten Brauch gehörte an Neujahr schließlich noch das richtige Gebäck. Ganz klassisch wurden „Wängl“ (Bretzeln), „Nöijäarkes“ (Doppelschnecken) oder der „Neujahrsplatz“ gereicht. Sie symbolisieren Glück. Zubereitet wurden auch gerne „Joarschkökskes“, kleine Hefepfannküchlein mit Rosinen.

Die Advents-, Weihnachts- und Neujahrszeit sind voller Bräuche und Traditionen. Vielleicht haben Sie beim Lesen den einen oder anderen Brauch wiedererkannt oder pflegen diese selber noch. Wer mehr über Bräuche (auch über die Wintermonate hinaus) erfahren möchte, kann gerne einen Blick u.a. bei Dietz-Rüdiger Moser, Willi Everding oder Herbert Vinçon werfen.

Christlicher Verein Junger Menschen (CVJM)/Westbund Feier mit Gitarren und Gesang Silvester 1954/1955 Hans Lachmann, Schachtel Nr. 257: CVJM

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