Es stach sicherlich nicht nur dem Pfarrer Ernst Seynsche, zugleich Landessynodaler und nebenamtliches Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland, ins Auge: Beim offiziellem Empfang zum 80. Geburtstag von Bundeskanzler Konrad Adenauer am 5. Januar 1956 trug Präses Heinrich Held unübersehbar ein Kreuz.
Präses Held musste sich rechtfertigen. Das Protokoll der Sitzung der Kirchenleitung vom 18. Mai 1956, Punkt 13, hielt fest: „Er hat das Kreuz weder bei einem kirchlichen Anlass, noch auf dem Talar getragen, sondern wie einen Orden bei einer profanen Gelegenheit und somit seine der Landessynode bekundete Haltung zum Tragen eines Amtskreuzes nicht preisgegeben.“ Das besagte Kreuz hatte ihm der russische Metropolit Nikolai anlässlich seiner Moskaureise 1955 geschenkt. Es in die Nähe eines Karnevalsordens zu rücken, mindert nicht nur den Wert des Reiseandenkens, sondern die Bedeutung des ökumenischen Brückenschlags zur russisch-orthodoxen Kirche. Bevor Heinrich Held diese Reise unternahm, hatte er sich zuvor des Rückhalts des Bundeskanzlers versichert. Die Westintegration der Bundesrepublik befand sich in einem fort geschrittenem Stadium, so dass Adenauer nichts gegen die Reise einzuwenden hatte.
Die Frage nach einem Amtskreuz für den Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und für seinen Stellvertreter spaltete die Landessynoden seit 1950 in zwei Fraktionen. Die Gegner führten zwei wesentliche Argumente an. Zum einen stände die Rheinische Kirche in der Tradition der Kirche unter dem Kreuz, und der Präses als Vertreter des synodalen Elements habe nie ein Kreuz getragen. Zum anderen sei das Amtskreuz das Zeichen für den Inhaber eines bischöflichen Amtes. Diesen Anschein gilt es in der Rheinischen Kirche zu vermeiden. Diejenigen, die die Einführung eines Amtskreuzes befürworteten, argumentierten, dass es sich hier nicht um eine Glaubens-, sondern ausschließlich um eine Ermessensfrage handelt. Sie wiesen darauf hin, dass auch Vertreter reformierter Kirchen für ihre leitenden Personen das Amtskreuz eingeführt hatten.
In der Öffentlichkeit zeige es lediglich an, dass sein Träger nicht als eine Privatperson handelt, „sondern dass er in der Verantwortung seiner Kirche steht.“ Die Gegner hatten eine leichte Mehrheit.
Nach zweimaliger Beratung in den Ausschüssen der Landessynode 1951 beendete Präses Held dieses Hin und Her. Er bat darum, „von einer Entscheidung, ob der Präses ein Amtskreuz tragen soll oder nicht, für den Zeitraum abzusehen, während dessen ich die Freude und die Last zu tragen habe, in diesem Amt meiner Rheinischen Kirche dienen zu dürfen.“ War es schiere Provokation, dass er sich anlässlich des Geburtstagsempfangs des Bundeskanzlers fünf Jahre später ein Kreuz umhängte?