Kirchliche Gemeindemanager um 1900

Pfarrer als Gemeindemanager um 1900, aus Bestand: AEKR Boppard

Pfarrer als Gemeindemanager um 1900, aus Bestand: AEKR Boppard

Zu viel Bürokratie, zu wenig Seelsorge – unter dieser Last stöhnen heute zahlreiche Pfarrerinnen und Pfarrer. Gerne wird dann die „gute alte Zeit“ vor fünfzig oder gar hundert Jahren beschworen, als sich der Gemeindepfarrer, frei von bürokratischen Schikanen vorgesetzter Behörden, noch mit voller Hingabe seinem eigentlichen Geschäft der Verkündigung und der Seelsorge widmen und die wenigen Verwaltungsaufgaben gleichsam en passant erledigen konnte. Doch bei dieser Vorstellung handelt es sich – wieigentlich immer, wenn die Erinnerung an eine angeblich unbeschwerte Vergangenheit gegen die schnöde Gegenwart ins Feld geführt wird – um ein idealtypisches Klischee, das mit der Realität nur wenig zu tun hat. Auf beeindruckende Weise macht das ein Fund deutlich, der jetzt bei Ordnungsarbeiten am Archivbestand des ehemaligen Kirchenkreises Trarbach auftauchte.

 

Der Wolfer Pfarrer Wilhelm Berenbruch, der seit 1898 das Amt des Superintendenten des Kirchenkreises Trarbach bekleidete, sah sich in den Jahren um die Jahrhundertwende veranlasst, den Amtsbrüdern seiner Synode einen gedruckten „Termin-Kalender für Pfarrer“ zu übermitteln. Auf übersichtliche Weise hatte er dort sämtliche Termine eines jeden Jahres zusammengestellt, an denen die diversen Berichte, Tabellen, Nachweisungen, Gesuche, Geldbeträge und sonstigen Mitteilungen an ihn einzureichen seien. Stolze 17 über das gesamte Jahr verteilte Termine kamen zusammen, und man kann nur erahnen, welchen Aufwand die fristgerechte Abarbeitung dieser Liste für die Geistlichen und Presbyter bedeutete, zumal in einem ländlich strukturierten Kirchenkreis, in dem sich kaum eine Gemeinde eine eigene Verwaltungskraft leisten konnte.

Hier waren echte Managerqualitäten gefragt, und in der Tat würde man wohl viele der Pfarrer aus der Zeit um 1900 im heutigen Jargon als Multi-Tasker bezeichnen. Der in der Fußnote des Terminkalenders erwähnte Irmenacher Pfarrer Heinrich Rodewald etwa hatte sich nicht nur bereit erklärt, als zentrale Annahmestelle für die Geldzahlungen sämtlicher Gemeinden des Kirchenkreises zu fungieren – was allein schon einen enormen Zusatzaufwand neben dem Pfarrdienst und der Verwaltung der eigenen Gemeinde bedeutete –, sondern betätigte sich darüber hinaus auch als tief in die Quellen einsteigender Historiker und erforschte die regionale Kirchengeschichte der Hinteren Grafschaft Sponheim in einer höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Weise. 1928 wurde er erster hauptamtlicher Leiter des Archivs der Rheinischen Provinzialkirche.

Inwieweit der von Superintendent Berenbruch entworfene Terminkalender befolgt wurde, ist den Quellen nicht zu entnehmen. Die jährlich veröffentlichten Protokolle der Kreissynode allerdings, die jeweils einen umfangreichen statistischen Anhang enthielten, der ohne die von den Pfarrern eingereichten Berichte und Nachweisungen nicht hätte geschrieben werden können, lassen aber den Schluss zu, dass das Instrument des „Termin-Kalenders für Pfarrer“ seinen Zweck durchaus erfüllte.

Ein Gedanke zu „Kirchliche Gemeindemanager um 1900

  1. Das ist ja sehr interessant, zumal (wie ich vermute) meine Vorfahren im 3o-jährigen Krieg wieder? über die Schweiz nach Österrreich gekommen sind.Suche jetzt nach einer Verbindung von Vlreich Prager (ca. 1450), der als Söldner bei Kaiser Friedrich angeheuert hat, zu Bartholomeus Prager, der um 1620 aus der Schweiz in Gaunersdorf wieder auftaucht, zur Zeit der Schweden in unserer Gegend. Muss jetzt einmal deinen Blogg durcharbeiten! LG Silvia

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