Heinrich Held zieht in den Ersten Weltkrieg

Heinrich Held (links) und das Telegrafenbataillon 1915

1915 meldete sich der erst siebzehnjährige Heinrich Held (1897-1957), später erster Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (1949-1957), freiwillig zum Heeresdienst. Da schwang sicherlich Patriotismus mit. Das Ausschlag gebende Moment war allerdings, dass er als Kriegsfreiwilliger den Truppenteil selbst auswählen konnte. Da er das wehrmündige Alter von achtzehn Jahren noch nicht erreicht hatte, bedurfte es der Einwilligung seines Vaters, der mit seiner Zustimmung zunächst zögerte, dann aber sich diesem Argument nicht verschloss. Seine Wahl fiel auf das Telegrafenbataillon, einer Heereseinheit, die technisches Verständnis abverlangte. Sollte er die vage Hoffnung gehegt haben, dass ihn dies vor den schlimmsten Gräueln des Ersten Weltkriegs bewahren könnte, so erlag er, wie sich herausstellen sollte, einem Irrtum.

Seine militärische Grundausbildung erhielt Heinrich Held von September bis November 1915 in Köln. Zur speziellen Ausbildung als Telegrafist wurde er anschließend nach Frankfurt/Oder abkommandiert. Im Februar 1916 rückte sein Einheit auf den Balkan nach Serbien und Mazedonien aus.

Heinrich Held schildert in zahlreichen Briefen an seine Freundin und spätere Verlobte Martha Kortenhaus minutiös seine Zeit als Rekrut. Im Folgenden möchte ich Ihnen beispielhaft Passagen aus einigen Briefen vorstellen. Sie finden sich im Bestand mit der Signatur 7NL008, Nachlass Heinrich Held, Nr. 36 und 37 des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland. Sein Sohn, Heinz Joachim Held, hat seine Briefe transkribiert und kommentiert: 7NL 008, Nr. 170.

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Die Grundausbildung begann im „Eden-Garten“, einem ehemaligen Ballhaus in der Nähe des Kölner Friesenplatzes. Heinrich Held schildert seinen ersten Tag (12. September 1915): „… und 5 vor 8 Uhr war ich an Ort Stelle. Alles schwarz von jungen Leuten mit Lederkoffern, Pappschachteln und Päckchen, umwickelt mit Zeitungspapier. Punkt 8 Uhr erscheint der bissige Wachtmeister mit dem Befehlsbuch, verliest die Namen, lässt in zwei Gliedern antreten und mit ‚Gruppen rechts schwenkt, marsch‘ geht’s nach dem Edengarten zur Untersuchung. Ich bin jetzt genau über meinem äußeren Adam unterrichtet, 1,83 m groß, 59 ½ Kilo schwer, Brustumfang 82-91 cm. Nach der Untersuchung bei der es im Adamsanzug elend kalt war, sofort zur Einkleidung nach der Kammer. Der Kammerunteroffizier hatte einen Heidenspaß: ‚Als Zivilisten kommt ihr rein, als Militär geht ihr raus‘.“

Die Eisenbahnfahrt nach Frankfurt/Oder dauerte drei Tage. „Endlich am Ziel, sagten wir uns, und der schönsten Hoffnungen waren wir voll. Bis zuletzt, in Köln, hatten wir doch im ‚Edengarten‘ nur Notquartier gehabt, und hier war eine Kaserne. Ja, mit großen wasserbestandenen Übungsplätzen. Wir wurden angemeldet und untergebracht. Aber wo?… 4 Bänke, 4 staubschmutzige Lampen und etwa 50 leere Strohsäcke, d.h. ohne Bettzeug, ohne Kopfkissen, und mit spärlichem Stroh, keine Spinde für die Kleider, keine Nägel an den Wänden. Das ist unser Quartier.“ (5. Dezember 1915)

„Ich will Dir ganz genau den Dienst der Woche berichten. Im Anfang war der Wachtdienst, wo ich nicht geschlafen habe. Am Tage darauf das Verladen von 24 Zentner Koks. Nachmittags Bau [sc. Bau von Telegrafenanlagen und -leitungen]. Donnerstags hieß es bei der Parole: Freitag und Samstag für die Ersatz-Kompagnie große Bauübung. Die Fahrzeuge mussten beladen werden, Proviant und Mäntel empfangen u.s.w. Freitagmorgen 4 ¾ Uhr raus und Abmarsch 7 ½. Um 10 Uhr beginnt der Bau vom Dorfe Lossow aus. Immer einen schrägen Eisenbahndamm entlang, der mit großen und kleinen dornigen Akazien bepflanzt ist. Der Boden war gefroren, und infolge der schiefen Ebene war ein Fortkommen mit Arbeiten recht mühsam. Man fiel hin, rutschte herunter bis an das Wasser [Fluss Oder]…, die Geräte mit, und du steigst wieder herauf. Dann über eine Eisenbahnbrücke der 320 m breiten Oder. Noch 5-6 km, in Grundschäferei die Endstation. Der ganze Weg wurde noch einmal abgelaufen und die Leitung nachgesehen.“ (19. Dezember 1915)

„Weihnacht 1915 werde ich nie vergessen, so elend war das hier. Die Weihnachtsfeier der Kompagnie schlug jedem Weihnachtsempfinden ins Gesicht. Es war eine Karnevalssitzung. Bier tranken die Kerle, bis sie nicht mehr konnten.“ (29. Dezember 1915)

Die Kleidung, insbesondere das Schuhwerk waren nicht wintertauglich. Heinrich Held erkrankte und wurde in ein Lazarett eingewiesen. „Du schriebst, nach Köln dürften keine Urlauber herein wegen ansteckender Krankheiten. Mit Frankfurt [sc. an der Oder] verhält es sich genauso. Hier wütet Diphtherie. Die Häuser, in denen Kranke liegen, sind durch ausgehängte Tafeln mit gelbem ‚D‘ kenntlich gemacht… Hier im Lazarett sind ebenfalls Kranke festgestellt worden und die betreffenden Stuben sind gesperrt worden, jetzt das ganze Lazarett. In unserer Stube 50 war nun auch ein Diphtherieverdächtiger, ohne dass wir es wussten. Als bei ihm Bazillen festgestellt waren, wurde der arme Grenadier in das Garnisonslazarett überführt und unsere Stube, mit dreizehn Mann belegt, gesperrt. Der Grenadier war mein Bettnachbar…“ (10. Januar 1916)

„Manchmal da vergeht mir die Vernunft, und ich frage, warum, wozu dies alles. Dann eile ich, allein zu sein, um wieder ruhig zu werden und mir zu sagen, du selbst hast es ja gewollt, wolltest helfen im Kampfe gegen das Böse. Doch was ist bis jetzt daraus geworden? Hier sitze ich und tue Dienst, ohne zu wissen, für welches große Ziel.“ (13. Februar 1916).

Telegramm an seine Freundin Martha Kortenhaus am 15. Februar 1916: „ruecke morgen ins feld aus = dein heinz“

Heinrich Held, Soldat 1917

Sollten Sie über (Feldpost-) Briefe, Fotos und andere Dokumente von Pfarrern, Kirchmeistern, Presbytern usw. verfügen, die am Ersten Weltkrieg teilnahmen, würden wir uns freuen, wenn Sie sie unserem Archiv überlassen würden.

 

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