Interview mit Prof. Spohnholz zur Faktizität des sogenannten Weseler Konvents 1568

Gleich nach dem soliden Boden von Emden 1571 betreten wir wieder die schwankenden Planken jenes Positionspapiers, das Petrus Dathenus im November 1568 in Wesel verfasst hatte und von seinen Mitstreitern in den kommenden Monaten unterzeichnen ließ. Nachdem das Dokument 50 Jahre lang in einem Londoner Archivschrank geruht hatte, mutierte es in der reformierten Traditionsbildung seit dem 17. Jh. zum Protokoll einer vermeintlichen Synode oder zumindest eines Konvents. Wir haben im Blog erstmals 2017 über die wegweisende Studie des amerikanischen Historikers Jesse Spohnholz berichtet.

Gerade im Rheinland gibt es noch vereinzelte Rückzugsgefechte, um das vermeintlich „älteste rheinische Zeugnis reformierter, presbyterial-synodaler Identitätsfindung“ zu retten, „ein(en) Grundpfeiler rheinischer Kirchengeschichte wie deutscher Kirchenordnungsentwicklung“, wie es 1997 in einem Nachruf auf den Bonner Kirchengeschichtler Gerhard Goeters hieß. Noch 2020 heißt es in einem Abriss zur rheinischen Kirchengeschichte zu dieser Frage: „Auch wenn dies durch neuere Forschungen bezweifelt wird, fand in Wesel 1568 wohl doch ein Konvent niederländischer Gemeinden statt, der die Grundsätze einer reformierten Kirchenordnung beriet.“ Man kommt bei dieser Formulierung nicht umhin, einen gewissen Voluntarismus zu diagnostizieren.

Was hat sich seit 2017 getan? Mehrere positive Rezensionen sind im In- und Ausland erschienen. Mittlerweile ist die Studie von Spohnholz auch als Taschenbuch erschienen. Anfang Januar führte jetzt der Autor ein Interview mit Jana Byars, das als Podcast abrufbar ist. Wer sich nicht von der Dauer (48 min.) und der englischen Sprache abschrecken lässt, erfährt zum einen viel über die historischen Hintergründe des damaligen Geschehens in Wesel und London, zum anderen aber auch über die Wege und Irrwege historischer Traditionsbildung.

Once again: Der Weseler Konvent 1568 als Erfindung der Historiker

Auf den Tag genau vor zwei Jahren stellten wir hier im Blog die damals frisch erschienene Studie des amerikanischen Historikers Jesse Spohnholz zum Weseler Konvent 1568 vor. Er legte hierin überzeugend dar, wie im Laufe des 17.-19. Jahrhunderts ein reines Positionspapier mit einigen Unterschriften zum vermeintlichen Schlüsseldatum reformierter rheinischer Kirchengeschichte stilisiert wurde.

Etwas naiv formulierte ich damals die Erwartung, dass sich die kirchenhistorische Zunft zumal im Rheinland zeitnah mit den Thesen von Spohnholz auseinandersetzen werde. Stattdessen kann man den Eindruck gewinnen, dass das Thema einfach totgeschwiegen wird. Immerhin hat man 2018 in Wesel auf größere Jubiläumsfeierlichkeiten verzichtet. Umso erfreulicher ist daher die jetzt im rheinischen Geschichtsblog Histren veröffentlichte detaillierte Besprechung von Jonas Bechtold, für die er auch auf Ergebnisse der diesjährigen Conference der GSA in Portland (USA) zurückgegriffen hat

Der Weseler Konvent 1568: Schlüsseldatum rheinischer Kirchengeschichte oder Fake-Event?

Spätestens seit seiner 300-Jahr-Feier 1868 gilt der sogenannte Weseler Konvent vom    3. November 1568 gewissermaßen als grundlegende Weichenstellung für die reformierte Kirche in Nordwesteuropa: Damals hätten die dort anwesenden 43 Vertreter niederländischer Flüchtlingsgemeinden erstmals Artikel für eine presbyterial-synodale Kirchenverfassung formuliert.

Der amerikanische Historiker Jesse Spohnholz hat nun hierzu vor einigen Wochen eine 280 Seiten starke Monografie publiziert: „The Convent of Wesel. The Event that never was or The Invention of Tradition“. Dort legt er m. E. überzeugend dar, dass dieser Konvent nie stattgefunden hat. Weiterlesen