Zwei neue Steinchen im „großen hebräischen Puzzle“

Bei Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten im Bestand Kirchenschaffnei Meisenheim stießen Mitarbeiter der Evangelischen Archivstelle Boppard kürzlich auf zwei außergewöhnliche Fundstücke: Pergamente mit hebräischer Handschrift. Es handelt sich zum einen um eine Buchseite, die als Einband der Disibodenberger Schaffneirechnung von 1623 verwendet wurde, zum anderen um eine hebräische Schriftzeile auf der Rückseite der ältesten Urkunde des Bestandes von 1387. Zwar ist die Verwendung von Pergamentmakulatur an sich nicht ungewöhnlich und findet sich auch zahlreich im Meisenheimer Bestand, dabei handelt es sich jedoch im Falle des Bopparder Archivs soweit bislang bekannt ausschließlich um „recycelte“ christliche Handschriften.

Hebräische Buchseite als Rechnungseinband; aus Bestand: AEKR Boppard 5WV 022B Odernheimer (Disibodenberger) Schaffneirechnungen

Das hebräische Einbandfragment identifizierte der Mainzer Judaist Andreas Lehnardt, der sich seit Jahren dem „großen hebräischen Puzzle“ widmet, als ein Blatt aus dem bekannten Rechtskodex Sefer Mitzwot Qatan (Das kleine Buch der Gebote) von Rabbi Yitzhaq ben Yosef aus Corbeil († 1230), vermutlich entstanden im 14. Jahrhundert. Im Detail handelt es sich um folgende Passagen:
Außendeckel, rechte Spalte: Mitzwa 11, von משתקין אותו וכן אם bis דאפי; linke Spalte: Mitzwa 113, von בסוף לא יהא אלא bis ברכה של.
Innendeckel, rechte Spalte: Mitzwa 53, von לא נשאר לנו; linke Spalte: Mitzwa 53 (Fortsetzung) von ואמ‘ אין שלום וגו‘ bis מיליהן דכת‘.
Am Rand finden sich Glossen von Rabbenu Peretz in kleinerer aschkenasischer Kursive.

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Pergamentrecycling im Stiftsarchiv St. Goar

Das Stift St. Goar verfügte offenbar einst über eine gut sortierte Bibliothek mittelalterlicher lateinischer Handschriften. Vermuten lässt dies die Verwendung einzelner Buchseiten aus Pergament zum Einbinden von Rechnungen des Stifts und des Hospitals aus dem 16. und 17. Jahrhundert, die im Stiftsarchiv überdauert haben. Mit Einführung der Reformation in der Niedergrafschaft Katzenelnbogen 1527/28, dem Erlöschen der Klerikergemeinschaft von „Sanct Gewere“ wenige Jahrzehnte später und der gleichzeitigen Entwicklung des Buchdrucks hatten die Handschriften ihre Funktion verloren. Nun ist die Verwendung von Pergamentmakulatur an sich nichts Ungewöhnliches, dennoch finden sich in dem Bestand einige besonders schöne Beispiele, die vorzustellen sich lohnt.

In Pergamentmakulatur eingebundene Rechnungsbücher; aus Bestand: AEKR Boppard 5WV 021B (Stift St. Goar)
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