Ein Pfarrer als Krimiautor stellt sich einen Archivar vor  

Zu den Sammelgebieten unserer Archivbibliothek gehören die Publikationen rheinischer Theologinnen und Theologen, durchaus jenseits von Homiletik oder Kirchengeschichte. So ist vereinzelt auch das Genre des Kriminalromans vertreten. Zu nennen sind hier der frühere Koblenzer Superintendent Hans Warnecke oder der Kirchberger Pfarrer Christian Hartung. Auch Dr. Rudolf Mohr (1933-2013), Pfarrer in Düsseldorf und langjähriger verdienstvoller Vorsitzender des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte, steuerte zwei Beispiele bei. Im Jahr 2000 erschien „Dein getreues Opfer von heute“ mit dem Untertitel „Ein historischer Kriminalroman aus dem Jahr 1978“. Der Nachfolgeband „Zu spät“ mit gleichem Untertitel erschien 2003.

Kriminalromane von Rudolf Mohr

Im ersten Roman stößt der Düsseldorfer Hauptkommissar Oskar Fischer in seinem aktuellen Mordfall auf einen Zettel mit unerklärlichen Zitatfragmenten. In jener fernen Epoche vor Webrecherchen verabredet er sich folglich in einem Restaurant mit einem ihm bekannten Experten:

Mit einem im Beobachten und Wahrnehmen geschulten Blick hatte Fischer schnell den Mann entdeckt, den er suchte, mittelgroß, tadelloser dunkelgrauer Anzug mit gemusterter farbenfroher Krawatte, randloser Brille, gemessenen Bewegungen, distinguiert, gebildet; einer von der Sorte, bei denen man sich verpflichtet fühlt, sich aller Anstandsregeln, die man einmal in der Tanzstunde zu hören bekommen hat, schnellstens wieder zu entsinnen; und einer von jenen Leuten, die einem wegen ihres Wissens und ihrer geistigen Kapazität ein schlechtes Gewissen erzeugen für jede geschwänzte Schulstunde und überhaupt wegen allem, was man zu lernen versäumte.

Der Herr, der eine solche Wirkung auf Fischer auszuüben vermochte, dessen Schülertage lange zurücklagen und der ein Leben lang nicht mehr dazu gekommen war, geistige Interessen zu pflegen, wie er es eigentlich gern getan hätte, war wohlbestallter, sich seiner Würde bewusster Archivdirektor ­– Die kleine Elite der Archivare wird aus denen ausgewählt, die ihre Examina mit Eins gemacht haben, hatte er einmal beiläufig verlauten lassen – und zudem in der glücklichen Lage, für seinen Lebensunterhalt nicht auf sein Gehalt angewiesen zu sein. (S. 24f.)

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Der Archivar – Eine Kurzerzählung aus dem Jahr 1969

Die rheinische Kirchenzeitung „Der Weg“ hatte sich zeit ihres Bestehens (1945-2003) nicht unbedingt durch ein intensiveres Interesse an archivischen Belangen ausgezeichnet. Ein umso überraschenderer Fund gelang Kollegin Stefanie Sternemann vom Archiv des Ev. Kirchenverbandes Köln und Region: In der Ausgabe vom 19.1.1969 wurde die Kurzgeschichte „Der Archivar“ von Anneliese Berkenkamp publiziert.

Berkenkamp (geb. 1925) ist eine Berliner Malerin und Schriftstellerin, die auch zu dieser Erzählung eine eigene Illustration beisteuerte. Sie zeigt den namenlosen „Archivar“ in seinem spitzweghaften Idyll, dessen Seelenfrieden höchstens durch die physische Präsenz seiner Mitarbeiterin Fräulein Triller beeinträchtigt wird.

Nun ist das Thema „Archivare in der Literatur“ (es geht in der Tat nie um Archivarinnen) nahezu unerschöpflich, wozu es auch bereits erste Beiträge gibt. Fast alle dieser Publikationen eint die innige Lust an Klischees und dies gilt sehr ausgeprägt auch für diese Erzählung: „Ja, hier ist er zu Hause, der Wanderer im Ablauf der Geschichte, der selbst nirgends verzeichnet sein wird, hier wächst seine Lust zwischen trockenen knappen Zahlen…, ein Diener des lieben Gottes, der darauf achtet, dass nichts Denkwürdiges verlorengehe.“

Der abendliche Empfang durch seine Gattin fällt dann eher unterkühlt aus: Nach dem stundenlangen Memorieren von Gedenktagen in „tröstlichen dicken Folianten“ und dem „vertrauten süßen Geruch von vergilbten Blättern“ hatte er ein einziges Datum vergessen: den Geburtstag seiner Frau.