Retrokonvertiertes Findbuch der Ev. Kirchengemeinde Aachen online

Amtsbücher der Ev. Kirchengemeinde Aachen, Bestand 4KG 004 Aachen







Bereits in den Jahren 1959 und 1960 bearbeitete und erschloss Kirchenarchivrat Walter Schmidt (1908-1992) den Bestand des kirchlichen Gemeindearchivs Aachen nach dem damaligen Registraturplan für die Kirchengemeinden und Verbände der Ev. Kirche im Rheinland. Im Zuge der Retrokonvertierung alter Findbücher wurde nun dieses Repertorium in unsere Archivsoftware retrokonvertiert. Damit kann dieser wichtige Bestand 4KG 004 Aachen auch in die Metadatenbank Archivportal-NRW, -Deutschland und – Europa eingespeist werden.

Die Anfänge protestantischer Gemeinden in Aachen reichen in die 1550er Jahre zurück. Im Verlauf der nächsten drei Jahrzehnte kam es im 16. Jahrhundert, unter anderem durch Einwanderung aus den Niederlanden, zur verstärkten Herausbildung von Gemeinden unterschiedlichen protestantischen Couleurs. So etablierten sich eine deutsch-reformierte, eine wallonisch-reformierte, eine lutherische und eine mennonitische Gemeinde in der katholischen Reichsstadt. Das Zusammenleben von Menschen verschiedener Konfessionen wirkte sich maßgeblich auf den Alltag, die Entwicklung und schließlich auch auf die Geschichte der Stadt aus. „Aachen wurde eine konfessionelle Stadt, ohne dass die Stadtgemeinde im Sinne eines einzigen Bekenntnisses konfessionalisiert wurde“ (Kirchner, Thomas 2015: S. 3).

Das Leben der Aachener wurde durch das Neben-, Mit- und Gegeneinander der Konfessionen sowie sich wechselnde Machtverhältnisse geprägt. Trotz einiger Phasen friedlicher Koexistenz brachen sich die interkonfessionellen Konflikte auch über Stadtgrenzen Bahn und wurden als „Causa Aquensis“ sogar zur kaiserlichen Angelegenheit. Traurige Höhepunkte für die Aachener Protestanten waren schließlich die Verhängung der Reichsacht 1597 und die Eskalation innerstädtischer Streitigkeiten zwischen 1611 und 1616, mit dem Ergebnis der Rekatholisierung Aachens.

Das Abhalten ev. Gottesdienste war fortan verboten, das Gemeindeleben nur noch im Verborgenen und heimlich möglich. Stolberg, Burtscheid, Eupen und Vaals wurden wichtige Zentren der reformierten, lutherischen und wallonischen Gemeinde, in welche diese gezwungenermaßen auswichen. Vaals wurde besonders attraktiv, da ev. Gottesdienste in der niederländischen Grenzstadt abgehalten werden durften. Diese Gegebenheit bewegte viele Aachener Protestanten zum „Auslaufen“, d.h. der Überquerung einer Grenze um einen freien, öffentlichen Gottesdienst auf der anderen Seite der Grenze abhalten zu können. Erst die französische Herrschaft brachte den Protestanten in Aachen Religionsfreiheit und 1802 wurde ihnen die Annakirche zugewiesen. Lutheraner und Reformierte schlossen 1837 die Union. 1903 wurde die Filialgemeinde Herzogenrath selbständig, 1933 vereinigte sich die Kirchengemeinde Burtscheid mit Aachen.

Amtsbuch – Verzeichnis der Evangelisch-Lutherischen Gemeindeglieder
von Aachen, Burtscheid und Vaals 1813, Bestand 4KG 004 Aachen

Mit fast 700 Verzeichnungseinheiten ist dieser Bestand, der die wechselvolle Geschichte der protestantischen Gemeinden in Aachen aus dem Zeitraum 1520 bis 1955 umschließt, nicht nur einer der ältesten, sondern auch einer der bedeutendsten, die das Archiv aufbewahrt. Bis auf wenige Ausnahmen, die im Findbuch ausgewiesen sind, befindet sich der Bestand in seiner Gänze geschlossen in Düsseldorf. Auch muss erfreulicher Weise erwähnt werden, dass trotz zweier Weltkriege, v.a. eingedenk der Kriegszerstörungen zwischen 1944 und 1945, sich der Bestand 4KG 004 Aachen gut erhalten hat. Insbesondere für die frühe Neuzeit erweist er sich als üppiger und nicht zu unterschätzender Quellenfundus.

In diesem Sinne sei an dieser Stelle auf zwei Publikationen verwiesen, deren Autoren im Zuge ihrer Recherchen auf die Quellen des Aachener Gemeindearchivs zurückgriffen. Kirchner, Thomas: Katholiken, Lutheraner und Reformierte in Aachen 1555-1618, Tübingen 2015 und Richter, Thomas: Koexistenzen und Konflikte. Die Entwicklung der protestantischen Gemeinden in der katholischen Reichsstadt Aachen an den Grenzen des Alten Reiches (1645-1794), Bonn 2021. Kirchner fragt nach den „Zusammenhängen zwischen politischen Auseinandersetzungen auf der einen Seite und der Gestaltung des Zusammenlebens der gemischtkonfessionellen Bevölkerung Aachens auf der anderen Seite…“ (Kirchner, Thomas 2015: S. 33). Ferner sucht er zu ergründen, warum ein friedliches Zusammenleben (v.a. nach den Eskalationen zwischen 1611 und 1616) nicht mehr möglich gewesen ist. Richter hingegen befasst sich mit dem Aachener Protestantismus in der Zeit nach dem Westfälischen Frieden. Er untersucht das Gemeindeleben der Protestanten. Er analysiert dabei das Verhältnis innerhalb einer Gemeinde, aber auch zwischen (konfessionellen) Gemeinden. Beide Autoren betonen, dass es für ihre Arbeiten essentiell gewesen ist nicht nur obrigkeitliche Quellen zu studieren, sondern auch die gemeindeeigene Überlieferung zu betrachten.  „Einen direkteren, weil weniger durch politisches Kalkül und Argumentationszwänge verstellten Einblick in das Zusammenleben der drei Konfessionsgruppen in Aachen versprechen die Überlieferungen der Konfessionskirchen der Reformierten, Lutheranern und Katholiken zu geben“ (Kirchner, Thomas 2015: S. 41).

Nun stehen die oben genannten Arbeiten exemplarisch für das Quellenstudium in kirchlichen Archiven zur Beantwortung kirchenhistorischer Fragestellungen. Doch auch darüber hinaus können die Bestände von Gemeindearchiven als komplementäre Quellen zu stadt- oder lokalgeschichtlichen Fragestellungen fungieren. Man denke nur an den Informationsgewinn hinsichtlich demografischer Entwicklungen, des Unterrichtswesens, karitativer Tätigkeiten oder des Vereinsleben, um nur einige Beispiele zu nennen. 

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