Frühe Netzwerke gegen Frauenhandel

Mitgliedskarte Pastor Otto Ohl, Deutsche Liga zur Bekämpfung des Frauenhandelns, München 1. April 1914; Bestand: AEKR 7NL 211 (Nachlass Otto Ohl), 634

Im Nachlass von Otto Ohl, dem Leiter und Referenten der Inneren Mission im Rheinland, befindet sich eine Mitgliedskarte der Deutschen Liga zur Bekämpfung des Frauenhandels aus dem Jahre 1914. Die Frage tauchte bei mir auf, welche Frauengruppen damals und heute betroffen sind und wie der Frauenhandel ablief. Die Dokumente geben darauf eine Antwort. Ist das Ziel, die Abschaffung der Zwangsprostitution heute erreicht? Das darf bezweifelt werden.

Aufruf des Präsidiums der Liga zur Bekämpfung des Frauenhandels, Bestand: AEKR 5WV 051 (Diakonisches Werk – Bestand Ohl), 1921

Im Gründungs-Präsidium der Liga von 1913  waren Fürstin Josefa Sulkofska, die erste Vorsitzende, und weitere Gründungsmitglieder. Das Präsidium erließ einen Aufruf, in dem kein Zweifel gelassen wurde, dass Frauen zur Prostitution gezwungen werden. Auch werden im Aufruf die organisatorischen Abläufe des Menschenhandels erklärt.

Otto Ohl ist 1914 förderndes Mitglied der Liga geworden, nachdem er eine Spendenbitte erhielt. Auffallend ist, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Liga professionell ablief. Die Liga informierte in Aufrufen über den Mädchenhandel, O-Ton Liga: „Hochwürden, es gilt ein Werk der Gerechtigkeit! Es gilt der Kampf gegen eine finstere Macht, gegen die wir alle Kraft aufwenden müssen und bei dem wir in erster Linie die Hilfe der Seelsorger bedürfen. Wir bitten Sie deshalb nochmals: Stehen auch Sie uns zur Seite, wir sagen Ihnen herzlichen Dank im Namen jener Unglücklichen, die wir rechtzeitig vor dem Fall bewahren oder einem entsetzlichen Schicksal entreißen, um sie der gesitteten Menschheit wiederzugeben.“

Die 1. Vorsitzende der Liga bedankte sich also für die Mitgliedschaft, gegebenenfalls erinnerte sie an die Zahlung des Mitgliedsbeitrages. Es gab offensichtlich auch eine Umbenennung des Vereinsnamens. So erinnerte die  „Deutsche Liga für Frauenschutz und Frauenrettung“ Otto Ohl in einem Schreiben von 1916 an die Zahlung des Mitgliedsbeitrages. Die Liga veröffentlichte ein Magazin: „Menschenmarkt“, das nur in den Jahren 1913 und 1914 erschienen ist.

Rheinisch-Westfälisches Provinzial-Komitee zur internationalen Bekämpfung des Mädchenhandels, Mitgliedskarte Frau Justizrath Wirtz, Bestand: AEKR 5WV 051 (Diakonisches Werk- Bestand Ohl) 1921

Otto Ohl war auch Mitglied im „Rheinisch-Westfälischen Komitee zur internationalen Bekämpfung des Mädchenhandels“, wie eine Beitragsbestätigung 1913-1914 zeigt. In der Satzung hat sich das Komitee folgende Aufgaben gestellt: Das Komitee hat die Aufgabe, innerhalb seines Gebietes die Zwecke des Vereins „Rheinisch-Westfälischen Komitee zur internationalen Bekämpfung des Mädchenhandels“, zu Berlin in jeder Weise, insbesondere durch die Gewinnung von Mitgliedern für diesen Verein zu fördern.Diese Zwecke sind:

  1. Die Bekämpfung des Mädchenhandels durch Bekämpfung seiner sozialen Ursachen.
  2. Schutz der volljährigen und minderjährigen weiblichen Personen gegen die Gefahren des Mädchenhandels.
  3. Sorge für Unterbringung und weiteres Fortkommen der Geretteten.
  4. Auskunfterteilung an alle im Interesse Gefährderter um Rat und Information bittenden Personen.
  5. Verfolgung der Mädchenhändler.
  6. Bekämpfung der dem Mädchenhandel dienenden Agenturen und solcher Einrichtungen, die den Mädchenhandel begünstigen und veranlassen.
  7. Überwachung der in- und ausländischen Presse.
  8. Aufklärung der öffentlichen Meinung durch die Presse und Vorträge.
  9. Zusammenarbeit mit deutschen Vereinen, deren Arbeit sich mit der Bekämpfung des Mädchenhandels berührt.
  10. Verständigung und Zusammenwirken mit gleichartigen Organisationen des Auslandes.

In den Unterlagen des Nachlasses von Otto Ohl liegt eine Einladung zur Generalversammlung des „Rheinisch-Westfälischen Komitees zur internationalen Bekämpfung des Mädchenhandels“ vor. Pastor Wolfgang Gerhard Disselhoff, Kaiserswerth hielt einen Vortrag ein: „Bordellierung oder freie Prostitution?“ Die Versammlung  der angeschlossenen Vereine hat am Schluss der Versammlung eine Resolution veröffentlicht: „Die Duldung von Bordellen, sowie die Kasernierung und die Lokalisierung der gewerbsmäßigen Unzucht ist vollständig abzulehnen. Ebenso ist die polizeiliche Reglementierung – Zwangseinschreibung und Zwangsuntersuchung – zu verwerfen.“

Das Deutsche Nationalkomitee zur Bekämpfung des Mädchenhandels veröffentlichte 1928 eine Broschüre unter dem Titel „Gibt es einen Mädchenhandel? Herr Katz sagt Nein!, die Kenner Ja!“. Diese zeigt, dass das Nationalkomitee sich gegen falsche Darstellungen wehren musste. Bertha Pappenheim Begründerin des Jüdischen Frauenbundes, gründete Heime für hilfsbedürftige jüdische Mädchen und Frauen, die allerdings spätestens 1936 aufgelöst wurden. Dr. jur. Walter Becker berichtet in seiner Broschüre aus dem Jahr 1956 „Gibt es einen Mädchenhandel?“ über die Methoden des Mädchenhandels und beschreibt einige Fälle von Zwangsprostitution. In dieser Broschüre zitiert er aus einem Polizeibericht, in dem mitgeteilt wird, dass die Bekämpfung des Mädchenhandels bei der Polizeiarbeit eine „untergeordnete Rolle“ spielt.

Weitere Infos? Siehe Bestand: 5WV051 (Diakonisches Werk – Bestand Ohl), 1921

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