Es ist gar nicht so selten, dass Pfarrer aus Industriellenfamilien entstammen. Bei der Arbeit an dem Handbuch der Pfarrerinnen und Pfarrer der rheinischen Landeskirche stieß ich beim Buchstaben “P” auf den mir hier in Düsseldorf wohlbekannten Namen Poensgen. Es gab drei rheinische Pfarrer dieses Namens, und in dem Nachschlagewerk “Neue deutsche Biographie” (NDB), Band 20, stehen ebenfalls drei Namensträger mit eigenen Artikeln. Und da befindet man sich schon mittendrin in der o.g. Beziehung, denn der in NDB-Artikel Nr. 2 beschriebene Albert Poensgen (1818-1880), Röhrenfabrikant zunächst in der Eifel und später in Düsseldorf, ist der Bruder des Pfarrers Eduard Poensgen (1808-1851). Der Vater der beiden, Daniel Giesbert Poensgen, war Flanellfabrikant in Kirschseiffen in der Eifel.
Eduard studierte in Halle und Bonn bis 1831 Theologie, anschließend war er Hauslehrer. “Wegen angeblicher demagogischer Umtriebe als früheres Mitglied der Bonner Burschenschaft” wurde er verhaftet und am 28. Januar 1837 zu “sechsjährigem Festungsarrest, Kostenerstattung und völliger Amtsunfähigkeit” verurteilt. Später gelang es, die Strafe auf eine neunmonatige Festungshaft zu vermindern und auch die Zulassung zum geistlichen Amt wiederzuerlangen. Von 1840 bis zu seinem frühen Tod 1851 war er Pfarrer der kleinen Gemeinde Hünshoven nördlich von Aachen.
Der jüngste Sohn Eduards, Ernst (1848-1925), wurde ebenfalls Pfarrer, nachdem er in Bonn, Tübingen und Berlin studiert hatte. Nach einigen Jahren in Flamersheim bei Euskirchen wechselte er in die westfälische Kirchenprovinz und amtierte 44 Jahre in Bochum. Er hat sich auch um die Familiengeschichte Poensgen verdient gemacht und 1908 den Teil 2 der “Geschichte der Familie Poensgen. Von ca. 1650 bis zur Gegenwart” herausgegeben. Dieses Werk besitzt z.B. die Universitätsbibliothek Heidelberg.
Wie sein Vater Eduard und Onkel Albert gehörte der dritte der Pfarrer Poensgen, Karl Wilhelm (1813-1892), der zehnten Generation der von Ernst aufgestellten Genealogie an. Ihr gemeinsamer Ururgroßvater war Johann Poensgen (ca. 1650-ca. 1700) aus Gemünd in der Eifel. Karl Wilhelms Vater war der Fabrikant Johann Bernhard Poensgen aus Kaldenkirchen (1775-1839). Karl Wilhelm amtierte als Pfarrer 1851 bis 1886 in drei Kirchengemeinden des rheinischen Kirchenkreises Braunfels, der mit Wetzlar eine Exklave in Hessen bildet.
Die drei Theologen habe ich an dem Industriellen Albert Poensgen “aufgehängt”. Bleiben noch die beiden anderen Poensgen aus der NDB: Es handelt sich um Reinhard Poensgen (1792-1848), er besaß Walzwerke und eine Drahtfabrik in Gemünd, Eisenerzgruben und weitere Firmen, und Ernst Poensgen (1871-1949); letzterer stieg “Mitte der 20er Jahre in die Führungsriege der deutschen Schwerindustrie auf” (DNB). Reinhards Großvater Johann Heinrich (1729-1799) war der Ururgroßvater von Ernst. Und noch drei Generationen zurück finden wir mit Johannes (Peter) Püntzgen (Poensgen, ca. 1620-1701) den gemeinsamen Ahnen aller hier genannten Namensträger.
Hier in Düsseldorf erinnern zwei Straßen an Männer aus der Familie Poensgen: Die Ernst-Poensgen-Allee und die Gustav-Poensgen-Straße; Ernst haben wir oben kennen gelernt, aber wer war Gustav Poensgen? Vielleicht kann jemand etwas zu ihm beitragen?
Und was hat es mit den “86 cm” auf sich? Der Familiengeschichte von Ernst Poensgen liegt eine gefaltete Stammtafel über dreizehn Generationen bei. Von Pfarrer Eduard – ziemlich links unten – bis zum Industriellen Ernst – weit rechts unten – sind es 86 cm!
Ein Nachwort: Pardon, hier kommen mit keinem Wort die Frauen vor, die als Mütter die Generationenfolge erst ermöglich haben. Diese hier zu erwähnen, hätte den Umfang des Beitrages zu sehr erweitert, dafür bitte ich um Nachsicht!
Ulrich Dühr schreibt eingangs „Es ist gar nicht so selten, dass Pfarrer aus Industriellenfamilien entstammen.“ Diese Beobachtung mache ich auch oft. Einige Personen vereinigen dies sogar in sich. Der erwähnte Pfarrer Karl Wilhelm hatte eine Schwester Fanny (auf der Stammtafel Nr. 8). Diese heiratete am 19. Mai 1840 den Kaldenkirchener Webereibesitzer August Symons. Webereibesitzer war Symons seit dem Tod seines Vaters 1833, vorher hatte er in Bonn Theologie studiert, das 1. Examen bestanden und ziemlich sicher auch sein Vikariat zumindest begonnen. Der Tod des Vaters bedeutete dann das Ende seiner pfarramtlichen Laufbahn, er mußte den elterlichen Betrieb weiterführen. Die Mutter von August Symons war übrigens auch eine geborene Poensgen: Sybilla Elisabeth, eine Tante seines Schwiegervaters Karl Wilhelm Poensgen.
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