Predigten zum Reformationsgedächtnisfest

Ich möchte meine Reihe fortsetzen, Predigten evangelischer Pfarrer und Pfarrerinnen entlang des Kirchenjahres vorzustellen. Das Potential von Predigten als historische Quelle ist immens und längst in der Forschung angekommen. Im Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland mangelt es zum Reformationstag – dem typisch protestantischen Fest im Kirchenjahr – nicht an überlieferten Predigten.

Überfüllte Reformationsfeier im Planetarium (Tonhalle) Düsseldorf
Fotograf: Hans Lachmann
Datum: 1963 Ort: Düsseldorf
Signatur: AEKR 8SL046 (Bildarchiv), 7_0111019, Schachtel 741 (90/5368)
Präses Joachim Beckmann (1901-1987)
am Rednerpult
Reformationsfest
ökumenischer Eurovisionsgottesdienst
Merkatorhalle Duisburg 1970
Hans Lachmann, Schachtel Nr. 145

In der Vorauswahl las ich Predigten von Joachim Beckmann, die in seinem Nachlass von 1927 bis 1979 überliefert sind und die im Laufe der Jahrzehnte sich veränderten und entwickelten. Da bereits eine Reihe von Beiträgen zur Reformation von Joachim Beckmann veröffentlicht sind, soll hier ein Schlaglicht auf Pfarrerin Ilse Härter geworfen werden. Mir fiel eine 1968 in Elberfeld-West gehaltene Reformationspredigt von Pfarrerin Härter auf, weil sie mit den folgenden Worten beginnt:

Jemand hat einmal im Blick auf die Predigt gesagt: die Kirche kratzt einen immer da, wo es nicht juckt. Wenn das der Fall ist, kann das daran liegen, daß der Prediger weltfremd ist. Es kann aber ebenso daran liegen, daß die Predigthörer träge sind oder gleichsam noch in den Kinderschuhen stecken weil sie ihren Pfarrer überhaupt nicht wissen lassen, wo es zwickt, oder sie reden nur hinter seinem Rücken über ihre Probleme in der irrigen Meinung, daß ein Pfarrer damit nichts zu tun haben dürfte. Eine Gemeinde, die sich so verhält ist unmündig.

Es folgt eine Auseinandersetzung über die Mündigkeit des Christen im Zusammenhang mit dem Epheserbrief 4,14a: „Wir sollten nicht mehr unmündige Menschen sein, die hin- und hergetrieben werden.“ Mit dieser Predigt kratzt Ilse Härter nicht nur dort, wo es juckt, sondern legt den Finger in die Wunde:

Die Weltgeschichte und die Kirchengeschichte bieten genügend Beispiele dafür, daß (…) Unmündige und Unkritische sich leicht narkotisieren lassen, benebeln, einfangen lassen durch politische und weltanschauliche Schlagworte, mit denen man ihre Emotionen anheizt. Das ist bei uns im 3. Reich in ganz großem Stil geschehen mit allen schlimmen Folgen. Das ist aber keinesfalls Vergangenheit. Achten Sie einmal darauf, wo heute bei uns Bauernfängerei versucht wird und wo man unkritische Opfer sucht.

Ilse Härter verweigerte 1941 die Ablegung des Hitlereides und des Ariernachweises und kämpfte gegen politische und kirchliche Widerstände für Ihr Recht auf Ordination. Statt einer Einladung zur Ordination erhielt Härter den Beschluss des Presbyteriums zur „Einsegnung“, die sie aufgrund der Bestrebung zur vollen pfarramtlichen Tätigkeit ablehnte. Erst vier Jahre nach dem absolvierten 2. Theologischem Examen vor der Prüfungskommission der Bekennenden Kirche im Barmer Missionshaus, erreichte Härter 1943, dass sie gemeinsam mit Hannelotte Reifen durch Kurt Scharf in Sachsenhausen ordiniert wurde und war somit eine der ersten Frauen, die in Deutschland ordiniert wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Ilse Härter bis zu ihrer Pensionierung 1972 als Schul- und Berufsschulpfarrerin in Leverkusen und Wuppertal-Elberfeld.

Zum Nachlesen der vollständigen Predigt ein Scan des Originals:

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