Märtyrersuppe mit Dunkelmännerklöschen und 12-Apostel-Wein

In Sammlungsbeständen kann man bekanntlich – und oftmals unverhofft – auf Vielerlei stoßen. Der redliche Versuch ein Thema besonders gewissenhaft zu dokumentierten kann sich auch durchaus zu einer regelrechten „Sammlungswut“ steigern. Alles thematisch zusammenhängende wird konsequent aufbewahrt (gerne auch in doppelter, dreifacher oder x-facher Ausführung). Woher dabei eine Archivalie stammt oder wie genau sie nun ihren Weg in eine Sammlung fand, bleibt manchmal leider unbeantwortet. Nebulös verbleibt so z.B. der Pfad der Stilblüten aus dem Reichsberufswettkampf von 1937 in die Kirchenkampfsammlung V.

Ähnliches gilt auch für die maschinelle Abschrift eines Briefes vom Mainzer Bischof Albert Stohr (1890-1961) vom 26. Oktober 1935 an den Reichsstatthalter im Gau Hessen-Nassau Jakob Sprenger (1884-1945). Dokumentationsmaterialien zu katholischen Geistlichen fallen ja eigentlich in den Zuständigkeitsbereich katholischer Archive. Fairerweise muss man sagen, dass der Inhalt des Schreibens doch nachvollziehen lässt, warum es evtl. aufbewahrt wurde.

Der Bischof von Mainz zeigt sich in seinem Schreiben entrüstest über staatliche Versuche, katholische Jugendliche in die Hitlerjugend zu zwingen. Ein Problem mit dem sich auch evangelische Landeskirchen konfrontiert sahen. Der Zusammenschluss ev. Jugendverbände zum Ev. Jugendwerk Deutschlands mit ca. 700.000 Mitgliedern schützte diese nicht davor, von Reichsbischof Ludwig Müller höchstpersönlich in einem Abkommen vom 19. Dezember 1933 trotz Einsprüchen und Protesten an die Hitlerjugend ausgehändigt zu werden. Nur durch die Aufhebung von Mitgliedschaften der Jugendlichen von ihren jeweiligen Vereinen und Verbänden fand man doch noch eine Möglichkeit, sich der HJ zu entziehen.

Stohr kritisiert v.a. den äußeren Druck, der auf Eltern und Jugendliche ausgeübt wird. Zum Teil wird bei Verweigerung des Eintritts mit dem Schulverweis oder dem Ausschluss vom Abitur gedroht. „Hat man denn nicht bedacht, dass auf solcher Freiwilligkeit keine Häuser zu bauen sind?“, fragt er noch auf der ersten Seite. Besondere Beanstandung findet er aber für die Kirchen-und Glaubensfeindlichkeit der Hitlerjugend, die „übersteigert sich von Tag zu Tag“ (S.1). Diese tritt bei Veranstaltungen oder Kundgebungen der nationalsozialistischen Jugendorganisation immer deutlicher zu Tage. Antikirchliche (bzw. antikatholische) Tendenzen grassieren aber darüber hinaus und sind auch in der Bevölkerung auszumachen. Als Beispiel fügt er seinem Schreiben die untere Einheitsspeisekarte der Heiligenstädter Gastwirtschaften an und und bemerkt zynisch „Aber dieser Ton scheint immer mehr Schule zu machen, wie aus folgendem geschmackvollen Speisezettel hervorgeht, der mir aus Frankfurt zuging!“ (S. 4f). In der Tat stellt die untere „Speisekarte“ eine arge, bissige und gar schon vulgäre Verhöhnung des katholischen Klerikerstandes dar. Die Urheber schienen keine Angst vor negativen Gegenreaktionen auf die Veröffentlichung zu haben. Für einen solchen öffentlich sichtbar dargebotenen Hohn, musste jedoch zuvor der Nährboden vorbereitet werden. Daher kann diese Speisekarte durchaus als Barometer für eine „erfolgreiche“ antikirchliche NS-Propaganda herangezogen werden.

8SL 033 Nr. 95, S. 4.
8SL 033 Nr. 95, S. 5.

In der Absicht in jeder erdenklichen Weise gegen solche Schmähungen und Angriffe auf Jugendliche und Eltern vorzugehen, wendet sich der Bischof schließlich mit einem Apell an den Reichsstatthalter: „Auf diesem Wege kommen wir nicht zusammen, in dieser Weise wird nicht die ersehnte Volksgemeinschaft. Solange der überzeugte Christ das Heidentum und den nackten Hass gegen die Kirche und kirchliche Personen in der H.J. als beherrschenden Faktor sieht, kann er den Eintritt seiner Kinder (…) nicht vor Gott und seinem Gewissen verantworten“ (S. 6). Ob er die erhoffte Unterstützung zugesagt bekam, bleibt zu bezweifeln, da Jakob Sprenger überzeugter Nationalsozialist gewesen ist. Ob Bischof Albert Stohr eine Antwort erhielt, müsste hingegen in einem katholischen Archiv ermittelt werden.

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