Im Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Schöneberg findet sich ein Dokument des bekannten Sozialreformers Friedrich Wilhelm Raiffeisen, das dessen Engagement für das Schulwesen während seiner Zeit als Bürgermeister der Bürgermeisterei Flammersfeld in den Jahren 1848 bis 1852 beleuchtet. Es handelt sich um die Dienst- und Einkommensanweisungen für den Kirchspielslehrer in Schöneberg aus dem Jahr 1852. Die hoch auf dem Westerwald gelegene Kirchengemeinde zählte damals etwa 700 Einwohner, größtenteils ärmere Ackerbauern. Raiffeisen war ein bürgernaher und engagierter Gemeindevorsteher, der stets ein offenes Ohr für die Probleme und Bedürfnisse der Bevölkerung hatte und aktiv daran arbeitete, die Lebensverhältnisse zu verbessern. Seine Erfahrungen als Kommunalbeamter prägten nicht nur seine Sozialreformen, sondern legten auch die Grundlage für seinen späteren Einsatz in der Genossenschaftsbewegung.
In Flammersfeld übernahm er sein Amt in einer schwierigen Zeit, die von Armut und wirtschaftlicher Not geprägt war. Er setzte sich nicht nur für die allgemeine Verbesserung der Lebensbedingungen ein, sondern legte einen besonderen Schwerpunkt auf das Schulwesen. Von ihm ist das Zitat überliefert: „Der beste Kampf gegen die Armut ist eine gute Schulbildung.“ Da viele Schulen in einem desolaten baulichen Zustand waren, veranlasste Raiffeisen an verschiedenen Orten den Bau neuer Schulgebäude. Sein Ziel war es, die Bildungssituation der ländlichen Bevölkerung zu verbessern, wo der Analphabetismus weit verbreitet war. Er beschränkte sich aber nicht nur auf den Bau von Schulen, sondern engagierte sich auch für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Dorfschullehrer, deren Ansehen und Einkommen oft dürftig war.

Ein Teil ihrer Besoldung bestand aus dem sogenannten Schulgeld, einem geringen Betrag, den die Eltern der Schüler entrichten mussten. Ging die Schülerzahl zurück oder konnten die Eltern das Schulgeld nicht zahlen, sank das Einkommen der Lehrer erheblich. Raiffeisen ergriff Maßnahmen, um diese prekäre Situation zu verbessern. Er bestimmte einen festen Betrag, den die Gemeinden Schöneberg und Neiterschen dem Lehrer zu zahlen hatten. „Das Schulgeld“, bestimmte Raiffeisen, „welches pro Kind auf 12 ½ Silbergroschen jährlich festgesetzt ist, fließt dagegen in die Gemeindekasse.“ Ein weiteres Anliegen war die Heizung der Schule. Bis dahin waren die Kinder verpflichtet, im Winter Scheitholz mitzubringen, das der Lehrer eigenhändig zerkleinern musste. Raiffeisen schlug vor, dass die Gemeinden dem Lehrer stattdessen eine ausreichende Menge Holz liefern und dieses entweder zerkleinern oder dem Lehrer einen entsprechenden Geldbetrag zahlen sollten.
Diese heute bescheiden anmutenden Reformvorschläge stießen jedoch auf Widerstand: „Von der Gemeindevertretung wurde die Uebernahme der Kosten für das Kleinmachen des Schulholzes verweigert, ebenso, daß das Gehalt für den Lehrer in Bezug auf das Schulgeld fixiert werden solle. Es wurde vielmehr bestimmt, daß der Lehrer nur das in der Hebeliste berechnete Schulgeld zu beziehen habe.“ Der Flammersfelder Bürgermeister aber wusste sich durchzusetzen. Zwei Monate später traf eine Verfügung der königlichen Regierung aus Koblenz ein, die ganz in seinem Sinne verfügte, „daß das Holz auf Kosten der Gemeinde kleingemacht und aufgestellt werden muss, der etwaige Ueberschuss vom 1. Mai an dem Lehrer gehört, sowie daß das Schulgeld für zahlungsunfähige Kinder von der Gemeindekasse gedeckt werden muss.“
Die in einem Zimmer des Küsterhauses untergebrachte Schule überstand die Brandkatastrophe in Schöneberg wenige Jahre später offenbar unversehrt und diente bis zum Bau der neuen Kirche zeitweilig als Raum für den Gottesdienst. Die weitere Entwicklung des örtlichen Schulwesens ist im Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Schöneberg umfangreich dokumentiert. Der Bestand wurde Ende des letzten Jahres von der Evangelischen Archivstelle Boppard übernommen und wird derzeit neu verzeichnet.