„pauvre und ohnvermögent“: Die Lebensumstände der Fischbacher Schulmeister zu Beginn des 18. Jahrhunderts

In vergangenen Jahrhunderten fristete der Lehrer auf dem Land, das viel belächelte oder gar verspottete „arme Dorfschulmeisterlein“, häufig ein bemitleidenswertes Dasein. Selbst nur unzureichend ausgebildet, wurde er für einen Hungerlohn angestellt und musste meist neben dem Schul- auch den Küsterdienst versehen. So auch in Fischbach an der Nahe, wie eine Schulakte im Archiv der dortigen Evangelischen Gemeinde zeigt. Darin enthaltene Schriftstücke aus dem 18. Jahrhundert sind ein beredtes Beispiel für die prekären Lebensumstände einer schlecht angesehenen Lehrerschaft.

aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 052B (Fischbach) Az. 34 (16.2.1718)

Im ältesten Dokument von Februar 1718 (siehe hier rechts) beschwert sich der „Bürgermeister zu Fischbach nahmens der dortigen Gemeinde“ beim Konsistorium, dass der Schulmeister als Küster „von jeder Hochzeit, Kindtauffe und Leiche 1 Maaß Wein und 1 Wecke, entweder in natura oder mit Gelde bezahlt, fordere, so Ihnen bei jetzigen theuren Wein zu schwer fallen wolle. Zweytens, daß ob ihm schon bei seinem Antritt nur 20 Simmer Korn aus der Gemeinde zu geben versprochen worden, er 3 Malter verlange, so ihm auch bis daher geliefert werden müssten. Drittens, daß sie ihre Kinder, wann sie schon in der Schule das nöthige gelernet und begriffen, doch bis sie zum Gebrauch des Hl. Abendmahls gelassen werden können, entweder zur Schule schicken, oder doch den Schullohn dafür zahlen müssten. Viertens, daß der Schulmeister den Klingelbeutel in der Kirche nicht, wie doch ander Orten gebräuchlich, tragen wollte, und sie deswegen einen anderen lohnen müssten.“

Das Konsistorium allerdings befand nach Vernehmung des Lehrers und Prüfung seines Vokationsbriefes, dass dessen Ansprüche gerechtfertigt seien und ihm sein ohnehin nur mageres Einkommen seitens der Gemeinde gewährt werden müsse. Lediglich die Schulkinder sollten, sobald sie genug gelernt hatten, nicht mehr allzu lange in die Schule „gezwungen werden, zumahlen, wenn die Eltern, wie auf dem Lande gemeiniglich geschiehet, die etwas erwachsenen Kinder zur Feldarbeit mit gebrauchen müssen.“

Auch sein Nachfolger sorgte für Verdrießlichkeiten. Er wurde im September 1736 „cassiert“, also aus dem Dienst entlassen, da seine „so ärgerliche als incorigibele [unverbesserliche] Aufführung und die sonsten weiter von ihm gezeigte negligentz [Nachlässigkeit] und Verabsäumung seines Ambts nebst andern, bey dem Verhör selbst eingestandenen Dingen“ für äußerstes Missfallen gesorgt hatten. Zwar hätte es das Konsistorium gerne gesehen, dass die Gemeinde den Lehrer „auß Commiseration [Mitgefühl] vor deßen Weib und Kindern ihn noch den Winter über bey sich behalten hätte“, räumte ihm dann aber doch nur eine Frist von sechs Wochen ein. Die Gemeinde sollte sich in dieser Zeit nach „andern tüchtigen und ohnanstößigen Subjectis“ umsehen und der Kirchenleitung präsentieren, damit diese „davon das beste choisiren“ könne.

aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 052B (Fischbach) Az. 34 (21.1.1738)

Der nächste Fischbacher Schulmeister indes beging im Januar 1738 „einen ärgerlichen Diebstahl“ und wurde „nach außgestandener 12-tägiger Gefängnisstraffe bey Wasser und Brod“ der Schule verwiesen (siehe oben). Zwar anerkannte man die „gantz pauvren Umstände“ des Delinquenten, wies das Gesuch der Ehefrau an die fürstliche Regierung „umb fernere Beybehaltung des Schulmeisters“ jedoch ab und beklagte vielmehr, „wie wenig dergleichen von denen Gemeinden hier und dar ausgesuchten liederlichen Purschen zu trauen und wie nichts als Schimpf und Schand man von selbigen zu erwarthen“ habe.

Wer nachlesen möchte, wie es mit dem Fischbacher Schulwesen weiterging, kann dies in der Evangelischen Archivstelle Boppard tun, wo das Archiv der Kirchengemeinde aufbewahrt wird. Das Findbuch zu dem Bestand wurde kürzlich retrokonvertiert und ist nun auch online verfügbar: 4KG 052B – Fischbach/Nahe

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