Seit Mai 2022 sind die Protokolle aller verfügbaren Kreissynoden der Jahre 1850 bis 1933 auf der Homepage des Archivs online einsehbar. Der Kirchenkreis Saarbrücken wies dabei leider einige Lücken auf. Diese können zwar nicht ganz gefüllt werden, doch können nun erfreulicherweise die Protokolle der Jahre 1918, 1925 und 1926 ebenfalls auf der Website als Digitalisate zur Einsicht nachgereicht werden.
Die Protokolle der Kreissynoden sind nicht nur ein wichtiger Quellensatz für die Kirchenkreisgeschichtsforschung, sondern auch ein Spiegel für politische, wirtschaftliche und soziale Verhältnisse, Umbrüche und Entwicklungen. Gerade die ersten zwei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts sind besonders ereignisreiche: Kriegseuphorie, Kriegsermüdung und Niederlage, Hungersnot, Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreiches, Weimarer Republik, Rheinbesetzung, Inflation, etc. All diese Problemlagen finden Eingang in die Protokolle, die wiederum Einblick in Alltag und Mentalität der Menschen gewähren.
Die Kreissynode des Jahres 1918 etwa, welche vor mehr als 100 Jahren am 6. August in Saarbrücken tagte, steht noch ganz im Zeichen des Ersten Weltkrieges.
„Aber diese Augusttage bedeuten auch den Eintritt in das 5. Kriegsjahr. Das fordert uns auf zum Rückblick und zum Ausblick. 4 Jahre unsäglicher Kämpfe, 4 Jahre der Not des Leidens, 4 Jahre gnädige Gotteshilfe liegen hinter uns. Je länger es dauert, um so schwerer wird die Last, die auf unserem Volke liegt. (…) Und war es allem zum Trotz bisher möglich die Besinnung unseres Volkes hochzuhalten, so hat die evang. Kirche ihr redlich Teil dazu auch im vergangenen Jahr beigetragen. Freilich das ist uns nicht möglich gewesen, den Wuchergeist zu dämpfen und die mancherlei Umtriebe und Unehrlichkeiten, die mit dem Hamstern zusammenhängen, zu hindern – und daß die Vergnügungssucht und die Ausschweifung trotz all unserer Gegenwirkung nicht weniger, sondern mehr geworden, ist tief zu beklagen. Diese Klage geht durch Stadt und Land“ (S.2f).
1925 dominiert auf der 28. Kreissynode am 24./25. Juni in Gersweiler, das Thema der Rheinischen Jahrtausendfeier.
„Auch der schlichteste Mann hat es gefühlt, wie wir Saarleute durch Geburt und Erziehung, Bildung und Site, durch Kultur und staatliche und wirtschaftliche Aufgaben auf Gedeih und Verderb mit dem Rheinland, mit Preußen, mit dem Deutschen Reich verbunden sind. (…) Von hier aus empfängt unsere kirchliche Arbeit an der Saar ihr besonderes Gepräge. Wir dürfen uns nicht genügen lassen, daß wir Seelenpflege treiben an den Einzelnen, obwohl da nichts versäumt werden darf; wir müssen den Sauerteig des Evangeliums hineinarbeiten in alle Verhältnisse – in das Verhältnis von Mensch zu Mensch, des Einzelnen zum Ganzen, in die Sitte, ins wirtschaftliche Leben, in die öffentliche Ordnungen. Dreierlei steht dabei allem anderen voran: die Familie, die Gemeinde, der Staat“ (S. 6f).
Ein Jahr später schließlich auf der 29. Kreissynode am 13./14. Juli 1926 in Saarlouis spielt neben dem Proponendum des Konsistorium ‚Kirche und Volksbildung‘ v.a. das Thema der Inflation eine große Rolle.
„Aeußere Nöte gehen auch sonst durch unsere Pfarrhäuser; ich brauche das Wort Franken und Inflation nur auszusprechen und weiß, Sie alle sind im Bilde. Griffe die Landeskirche nicht hie und da freundlich helfend ein, ich wüßte nicht, wie die Familien bestehen und wovon die Söhne und Töchter versorgt und erzogen werden sollten“ (S. 34).
Eine Konstante im Kirchenkreis Saarbrücken war übrigens der Superintendent Hubert Leopold Christian Nold (1861-1935). Seit 1889 Pfarrer in Malstatt bekleidete er ab 1913 bis zu seinem Ableben 1935 auch das Amt des Superintendenten und prägte somit 22 Jahre lang den Kirchenkreis.