„…durch unvorhergesehene Umstände vereitelt…“ – Kreissynoden in St. Goar 1818/19 ohne Teilnehmer aus dem nördlichen Kirchenkreis Koblenz

Pfarrer Schöler von Remagen geriet Ende Februar 1818 in eine peinliche Situation: Schon über zwei Monate amtierte Friedrich Oertel als erster Superintendent des neugebildeten Kirchenkreises Koblenz und Schöler hatte weder die ersten beiden „hochgeschätzten Rundschreiben Ew. Hochwürden beantwortet, welches doch Pflicht und Wohlstand strenge gefordert hätten“, noch diesem gegenüber seiner Freude Ausdruck verliehen, „daß unsere hohe, weise Regierung uns einen so würdigen Geistlichen, von dem mir in jedem Betreffe schon so viel rühmliches gesagt wurde, an die Spitze unserer jetzigen Synode stellte.“ Und jetzt verpasste er zu allem Übel auch noch die erste Kreissynode, bei der er doch Oertel persönlich kennenlernen und zum Amtsantritt hatte gratulieren wollen. Zerknirscht gestand Schöler ein, dass der Superintendent „nicht die vortheilhafteste Meinung von mir erhalten müsse“.

Schreiben Pfarrer Schölers an Superintendent Oertel vom 24. Februar 1818; aus Bestand: AEKR Boppard 3MB 009B Kirchenkreis Koblenz I Oe 1,5

In diese missliche Lage hatten Schöler jedoch auch „unvorhergesehene Umstände“ manövriert. Hintergrund war die enorme räumliche Ausdehnung des Kirchenkreises Koblenz, der 1817 aus gleich drei großen Landkreisen – Ahrweiler, Koblenz und St. Goar – gebildet worden war, da, wie das Koblenzer Konsistorium zurecht konstatierte, „die protestantischen Pfarreien in den Kreisen des linken Rheinufers sehr unverhältnismäßig vertheilt sind“. Noch dazu hatte die preußische Regierung als Tagungsort der Kreissynode nicht, wie vom Konsistorium vorgeschlagen, das zentral gelegene Koblenz, sondern St. Goar tief im Süden des Kirchenkreises bestimmt, wo ein Großteil der Kirchengemeinden lag. Dies isolierte die weit nördlich gelegenen Gemeinden noch zusätzlich, denn konnte man die Kreissynode von den südlichen Gemeinden aus innerhalb einer halben bis maximal dreieinhalb Stunden erreichen, war man von Koblenz, Bendorf oder Winningen aus bereits sieben bzw. acht Stunden unterwegs, und für die beiden nördlichsten Gemeinden Oberwinter und Remagen musste – bei guten Straßenverhältnissen – mit einer Reisezeit von 14-15 Stunden gerechnet werden.

So war es, wie Pfarrer Schöler dem Superintendenten schilderte, „auch nicht Mangel des besten Willens, daß Herr Bruder Laufs von Oberwinter und ich nicht Ihrer hochgeschätzten Aufforderung Folge leisteten und heute in St. Goar bei unserer ersten Synode erschienen. Alles war schon zu unserer Abreise [am] Montag-Morgen angeordnet – denn früher konnte dieses nicht, der sonntäglichen Amtsgeschäfte wegen, geschehen; nun waren aber durch das in den letzten Tagen eingefallene Regenwetter die Wege so verdorben, daß […] der Hauderer [Lohnkutscher], welcher uns hinauffahren sollte, erklärte, daß er bei dem jetzigen Wetter und Wegen uns ohnmöglich in einem Tage an den Ort unsere Bestimmung bringen könnte.“ Noch dazu zog ein heftiger Sturm auf, so dass, wären die beiden „auch im glücklichsten Falle heute Mittag in St. Goar angelangt, so würde es uns doch, der ausgestandenen Mühseligkeiten wegen, höchst wahrscheinlich nicht möglich gewesen sein, der nun schon halb beendigten Sitzung der Synode beizuwohnen.“

Zirkular Oertels an die Pfarrer der nördlichsten Kirchengemeinden vom 31. Dezember 1818; aus Bestand: AEKR Boppard 3MB 009B Kirchenkreis Koblenz I Oe 2,5

Die Terminierung der Zusammenkünfte in die Wintermonate tat ihr übriges, dass die Synodalen des Nordens offenbar auch zu der für Anfang Dezember 1818 geplanten zweiten Kreissynode nicht anreisen konnten, die mangels ausreichender Teilnehmerzahl gleich ganz ausfallen musste. So wandte sich Superintendent Oertel im Vorfeld der Ersatzsynode Mitte Januar 1819 erneut an die Geistlichkeit der nördlichen Gemeinden – diesmal auch Prediger Otto in Bendorf – mit der dringenden Bitte, „daß keiner von Ihnen ohne nachzuweisende dringende Ursachen bey der Synode fehle“, was der Oberwinterer Pfarrer Johann Heinrich Lauffs mit der Entschuldigung kommentierte: „Bei dieser Jahreszeit kann ich wegen Gicht sowie auch wegen Kinderkrankheit nicht kommen.“ Der Karriere von Pfarrer Karl Albrecht Ferdinand Schöler indes tat der holprige Start in die preußische Zeit keinen Abbruch: Er wechselte 1819 nach Winningen und amtierte von 1839 bis 1856 selbst als Superintendent des Kirchenkreises Koblenz.

Die zitierten Schriftstücke befinden sich in der Registratur des Superintendenten Oertel im Bestand Kirchenkreis Koblenz, dessen retrokonvertiertes und überarbeitetes Findbuch jetzt online ist.

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