Kirchliche Registraturberatung im Wandel der Zeiten

Seit 2004 genießen wir in der Ev. Kirche im Rheinland den erfreulichen Zustand, dass der IT-kompatible Einheitsaktenplan für alle Ebenen der Verwaltung (Kirchengemeinden, Kirchenkreise und Landeskirche) Anwendung findet. Freilich bedarf er steten Trainings, wozu das Archiv der EKiR regelmäßig Schriftgutlehrgänge anbietet. Dort wird die korrekte Ablage nach Aktenzeichen eingeübt, die durch die Einführung von DMS-Systemen fast noch wichtiger als im herkömmlichen Papierzeitalter geworden ist.

Taschenbuch: Scribemecum pastorale, von Karlheinrich Dumrath, 1963

Der Bedarf an praktischen Beratungshilfen für die Kirchengemeinden war ein Thema für alle Landeskirchen. Ein früher Vertreter dieses Genres bildete das Büchlein „Scribemecum Pastorale“, das Karlheinrich Dumrath 1961 beim Evangelischen Presseverband in München publizierte. Die launig formulierten Texte und zahlreichen Zeichnungen nahmen die Missstände in der kirchlichen Schriftgutverwaltung nicht nur ins Visier, sondern boten auch konkrete Tipps zur Abhilfe.

Taschenbuch: Scribemecum pastorale, von Karlheinrich Dumrath, 1963, S. 64

Zur Wahrung des Sachaktenprinzips findet sich dort beispielsweise folgende kleine Episode von leider zeitloser Gültigkeit:

Natürlich ist ein Pfarramt keine Kohlenhandlung, aber unsere Helferin, die die Registratur des Pfarramts führte, war früher bei einer Kohlenhandlung beschäftigt und von daher weiß sie, dass man das jeweils neueste Schriftstück im Ordner oben -also vorne- ablegt und das Schriftgut nach Namen (Lieferanten oder Kunden) ordnet.

Nach diesen Grundsätzen hat sie auch die Pfarrregistratur „reformiert“ und voller Stolz zeigt sie die von ihr neu angelegten Akten: Schriftwechsel mit Landeskirchenrat, Schriftwechsel mit Dekanat, Schriftwechsel mit Landesverband usw. („Das sind unsere Lieferanten!“); Schriftwechsel mit Meier, Müller, Schulze… („Das sind unsere Kunden!“).

Aber eines Tages ist das Unglück da: Der Landeskirchenrat fordert Vorlage des Aktes „Bauwesen der Kirche Abelsbach“. Da es einen solchen Akt in der neuen Registratur nicht mehr gibt, vertraut sich unsere Helferin in ihrer Not der Dekanatssekretärin an. Von ihr hört sie nun, dass eine Behörde mit dem Schriftgut anders verfährt als eine Kohlenhandlung: „Bei einer Behörde gibt es -abgesehen von den Personalakten- nur Sachakten. Wer schreibt oder an wen geschrieben wird, ist für die Aktenbildung einer Behörde gleichgültig: Entscheidend ist die Sache (Betreff)! Jedes Abweichen von dieser Regel verursacht daher eine Lücke im zuständigen Sachakt. Und da wichtigere Sachakten dauernd aufgehoben werden müssen, werden bei einer Behörde die Schriftstücke chronologisch so abgelegt, dass das jeweils neueste Schriftstück nicht „oben“, sondern „unten“ zu liegen kommt, d. h. dass es nach dem vorangehenden älteren Schriftstück abgelegt wird. Nach Überführung des Schriftgutes aus dem Ordner in eine Abheftmappe kann man dann den Akt wie ein Buch in richtiger zeitlicher Folge der einzelnen Vorgänge lesen. – Ich empfehle dir daher: Bau deine Pfarrregistratur schnellstens wieder um!“

Unserer Helferin hat es die Stimme verschlagen. Kleinlaut fragt sie schließlich: „Woher weißt du denn das alles?“ und lachend gesteht die Dekanatssekretärin: „Von einem Registraturführerlehrgang. Ich kann dir nur raten: Nimm am nächsten Kurs teil, damit dir solche Pannen nicht wieder passieren!“

Taschenbuch: Scribemecum pastorale, von Karlheinrich Dumrath, 1963, S. 85 Zeichnung zur Bedeutung der Kassation.

Weitere Tipps galten etwa der richtigen Bewertung  von Schriftgut und dem Umgang mit Kassationsfristen.

Inspiriert vom Deutschen Archivtag in Kiel 1969 standen die Jahrestagungen 1970 und 1973 der Arbeitsgemeinschaft der Archive und Bibliotheken in der evangelischen Kirche unter dem Leitthema Öffentlichkeitsarbeit. Die Sektion Archivwesen beschloss die Erarbeitung einer modern gestalteten Informationsbroschüre über die kirchliche Archivarbeit, wobei man an vorangegangene Erfahrungen der Archivberatungsstelle Rheinland für die Kommunalarchive anknüpfen konnte. Der dort bereits beteiligte Journalist Werner Hinrichs schrieb denn auch die Texte für „archiv aktuell“, das 1974 erschien.

Etwa 8.000 Exemplare wurden vorbestellt, die Gesamtauflage betrug 20.000 Stück. Die Informationsschrift „Umgang mit schriftlicher Überlieferung“ erschien 1983 als Heft 2 von Archiv aktuell. Die Startauflage von 3.000 Exemplaren war innerhalb eines halben Jahres vergriffen. Die literarische Komponente des Heftes bildete ein „Spiel um Akten in drei Akten“ mit den handelnden Personen Erhard Emsig (Pastor loci), Fräulein Caren Kenntnisreich (Pfarramtssekretärin) und dem flotten Harry (Postzusteller). Der durchaus pfiffige Text, zu dem Hermann Kuhr die Zeichnungen und die Grafik beisteuerte, handelte von der Ordnung des Pfarrarchivs vom initialen Chaos hin zur „stattlichen Reihe sauberer Archivboxen“ (die intensive Projektarbeit kulminierte schließlich in der Anberaumung eines Traugesprächs für Caren und Harry). Ein weiterer Schwerpunkt galt der Vermittlung einiger physikalischer Grundkenntnisse zum richtigen Lüften und zur Schimmelprophylaxe. Schließlich folgte noch unter dem Titel „Hier erhalten Sie Rat“ die Angabe der Adressen und Telefonnummern aller landeskirchlichen Archive, ganz im Sinne der Strophe 12 des Gedichtes „Im Falle eines Falles…“ aus der gleichen Broschüre:

„So man dieses recht bewahre, hält das Schriftgut tausend Jahre. Niemals aber liegt man schief, befragt man ein Zentralarchiv.“

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